Die neue Fischereiverordnung in Hessen sieht seit dem 15. Dezember 2016 neue Schonzeiten und Mindestmaße für Angler und Vereine vor. Demnach gibt es in dem Bundesland einige gravierende Änderungen, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sind. So wird zum Beispiel die Zanderschonzeit komplett aufgehoben und dafür ein Mindestmaß von 50 Zentimeter angesetzt. Zuvor unter lag der Zander in der Zeitvom 15. März bis 31. Mai einem Angelverbot und er musste ein Mindestmaß von 45 Zentimeter haben. Ein weiterer Punkt ist der Fischbesatz: Aale dürfen nun nicht mehr in geschlossenen Gewässern besetzt werden und Zander nicht mehr in offenen.
Alle wichtigen Neuerungen zur Fischereiverordnung Hessen auf einen Blick:
- Aufhebung der Zander- und Barbenschonzeit
- Das Mindestmaß des Zander ist auf 50 Zentimeter angehoben wurden
- Aal-Besatz darf nur noch in Gewässern erfolgen, die den Fischen einen Aufstieg ins Meer ermöglichen nicht versperrt sind, wie es in geschlossen Gewässern der Fall ist.
- Zander dürfen hingegen nur noch in geschlossenen Gewässern besetzt werden. Ein Besatz in Talsperren ist daher nicht mehr möglich.
- Für See-, Bach- und Meerforelle, die im gleichen Zuge als Atlantische Forellen zusammengefasst werden, gibt es nun ein „Küchenfenstermaß“. Danach dürfen Fische zwischen 25 und 60 Zentimeter entnommen werden. Exemplare die kleiner oder größer sind, müssen wieder zurückgesetzt werden.
Interview mit Verantwortlichen und Experten zur neuen Fischereiverordnung in Hessen
Manche Punkte sind aus der Sicht von Angler jedoch nicht ganz nachvollziehbar. Blinker.de wollte es genau wissen und hat dazu zum einen die Verantwortlichen, das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) sowie einen Fischereibiologen befragt. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus und bringen bei dieser Thematik auch Licht ins Dunkel.
Warum wurde die Zanderschonzeit in Hessen aufgehoben? Mit welcher Begründung wurde diese Entscheidung getroffen?
HMUKLV:
Zander gelten in Hessen als allochthone (gebietsfremd) Art der großen Fließ- und Stillgewässer, da Zander ursprünglich nur vom Elbesystem ostwärts heimisch waren. Heutzutage haben sich selbsttragende Bestände des Zanders in fast allen größeren Fließgewässern Hessens etabliert. Als nicht-heimische Art ist eine Schonung der Zander vor dem Hintergrund des Schutzes der einheimischen Arten und zur Erreichung der Ziele nach Wasserrahmenrichtlinie nicht geboten. Da der Zander als natürlicher Antagonist der kritischer einzuschätzenden invasiven Grundelarten, die sich auch in Hessen massiv ausbreiten, einzustufen ist, soll ein Grundbestand an Zander in Hessen „akzeptiert“ werden.
Was erhoffen sie sich von der Anhebung des Mindestmaßes für den Zander von 45 auf 50 Zentimeter?
HMUKLV:
Durch den Schutz der nachwachsenden Zander werden positive Effekte zur Reduktion der Grundelbestände erhofft.
Warum darf der Zander nur noch in geschlossenen Gewässern besetzt werden?
Vorbemerkung HMUKLV::
Die Wasserrahmenrichtlinie bewertet den Zustand der Gewässer unter anderem mit biologischen Komponenten; hierbei spielt der vorhandene Fischbestand eine zentrale Rolle. Um die Erreichung des guten ökologischen Zustands der hessischen Fließgewässer gemäß Wasserrahmenrichtlinie nicht zu gefährden oder zu verzögern, muss der Besatz mit nicht heimischen Fischarten verboten sein. Daher ist auch ein Besatz mit Regenbogenforellen oder Zandern, die in Hessen als allochthone Fischarten eingestuft sind, zu untersagen.
HMUKLV:
Da Zander in Hessen als allochthone Fischart zählen ist ein Besatz dieser nicht-heimischen Fischart in hessische Fließgewässer verboten. Der Besatz von Zander in ständig gegen einen Fischwechsel abgesperrte Stillgewässer zur Erhöhung der Attraktivität des Angelgewässers soll jedoch erhalten bleiben.
Das betrifft auch die Barbenschonzeit. Warum entfällt diese zukünftig in Hessen?
HMUKLV:
Die Bestände der Barbe haben sich in Hessen in den letzten Jahrzehnten gut entwickelt. Die Barbe gilt nicht mehr wie noch vor zwanzig Jahren als gefährdet, sondern ist heute häufig. Um jedoch die reproduktionsreifen Individuen zu schützen und dadurch die Barbenbestände auch in den kommenden Jahren zu stützen bleibt ein Mindestmaß in Hessen bestehen. Da der kundige Fischer insbesondere in der Laichzeit auf Grund der Giftigkeit der Gonaden und der Bauchlappen den Fisch schont, ist eine öffentlich rechtliche Schonzeit entbehrlich.
Wieso darf die Regenbogenforelle nur noch in stehenden Gewässern besetzt werden?
HMUKLV:
Auch die Regenbogenforelle gilt in Hessen als allochthone Art. Somit decken sich die Vorgehensweisen bei den Fischarten Zander und Regenbogenforelle.
Sehen sie in diesen Entscheidungen eine Einschränkung für Angler und Vereine?
HMUKLV:
Die Regelungen der Hessischen Fischereiverordnung müssen in hohem Maß auch übergeordnete Regelungen wie bspw. die Wasserrahmenrichtlinie beachten und umsetzen. Der Normgeber ist stets daran interessiert, nur fachlich erforderliche Beschränkungen in öffentlich-rechtlichen Regelungen zu fixieren und möglichst viel in die Eigenverantwortung der Fischer zu stellen.
Aus der Sicht eines Fischereibiologen
Aus Sicht der Behörden scheinen diese Aussagen schlüssig zu sein. Doch für uns Angler bleiben noch ein paar Fragen im Raum stehen. Daher haben wir uns noch einen Fischereibiologen ins Boot geholt, der die neue Fischereiverordnung Hessen aus seinen Gesichtspunkten schildern soll.
„Es ist ein Widerspruch an sich, dass einerseits das Mindestmaß um 5 Zentimeter heraufgesetzt wird, gleichzeitig die Schonzeit entfällt. Hinzu kommt die unsinnige Argumentation, dass der Zander gebietsfremd und eigentlich unerwünscht ist, gleichzeitig aber als Grundel-Problemlöser herhalten darf. Durch eine Abschaffung der Laichschonzeit soll und wird der Zanderbestand zukünftig dezimiert werden, dies betrifft nicht nur die alten Fische, auch werden weniger Jungzander heranwachsen. Gleichzeitig sollen Jungzander länger geschont werden – um die Grundeln auszuschalten. Das ist eigentlich nur als Scherz zu verstehen, oder?“
„Mein zentraler Kritikpunkt an der Neuregelung des Zandermanagements: Zander sind in der Laichzeit besonders anfällig gegenüber Angelei – durch das Verteidigungsverhalten am Laichnest werden viele Fische Kunstködern zum Opfer fallen. Für eine Dezimierung des Zanderbestandes wäre eine Abschaffung des Mindestmaßes und ein Beibehalten der Schonzeit ethisch korrekter gewesen. Schließlich ist das Beangeln von Laichfischen eine moralisch fragliche Praxis.“
„Natürlich wird an oberster Stelle entschieden, welche Fischarten heimisch sind – und welche fremd. Wenig Beachtung findet dabei der Umstand, dass unsere Gewässer geschichtlich junge Ökosysteme sind, die im ständigen Wandel sind. Durch die letzte Eiszeit gab es quasi ein „Reset“ der gesamten biologischen Ausstattung der Nordeuropäischen Landmassen. Das liegt noch keine 10.000 Jahre zurück – ein Wimpernschlag in der Ökologie. Somit konnten sich viele Arten, Fischarten allem voran, noch gar nicht bis an die Grenzen der für sie geeigneten Lebensräume ausbreiten. Es ist zum Beispiel blauäugig zu glauben, dass der Zander sich bei optimalen Lebensbedingungen nicht auch von selbst in Gewässersysteme westlich der Elbe ausgebreitet hätte! Wie Dr. Ian Malcolm in Jurassic Park schon sagte: „Das Leben findet immer einen Weg!“.“
„Der Zander ist inzwischen ein fester Bestandteil des Fischinventars der großen deutschen Ströme. Nun ist der Zander aus irgendwelchen Gründen bei den Autoren der Wasser-Rahmen-Richtlinie in Ungnade gefallen und gehört dank übereifriger hessischer Behörden nicht mehr in hessische Gewässer. Grundeln darf und soll er trotzdem noch wegräumen, die sind schließlich noch unerwünschter. Im angrenzenden Niedersachen hingegen, wohin viele hessische Flüsse fließen, ist der Zander trotzdem auch weiterhin durch eine Schonzeit geschützt.“