In meiner Neoprenwathose stehe ich warm eingepackt im Flachwasser eines Baggersees auf der Jagd nach Winterzandern. Kalter Wind lässt den ersten Schnee des Jahres vor meinen Augen hin und her tanzen. Bei der Eiseskälte frieren meine Rutenringe regelmäßig zu, so dass ein kontinuierliches Spinnfischen ohne Enteisen nicht möglich ist. Mit voller Kraft peitsche ich meinen Köder am 25-Gramm-Kopf soweit es geht in die tiefen Löcher des Sees. Die dünne geflochtene Schnur pfeift durch die Luft. Ungefähr 80 Meter – mehr kann ich aus meiner Combo nicht herausholen.
Im Winter versuche ich nicht nur, so weit wie möglich zu werfen, um an die tiefen Löcher und weit entfernten Kanten heranzukommen, sondern lasse den Gummifisch bei geöffneter Rolle absinken, um so weit wie möglich draußen zu angeln. Zwar bemerke ich in dieser Phase einen Biss nicht sofort, aber scharfe dünne Jighaken am schweren Jigkopf plus Stinger erschweren meinen Zielfischen das Ausspucken des Köders – ohne nicht doch am Haken hängenzubleiben. Angst vor zu schweren Jigs braucht man nicht zu haben. Für Zander, Barsch und Co. ist es ein Leichtes, einen Gummifisch am 25-Gramm-Kopf vollständig einzusaugen.
Die erschlaffende Schnur signalisiert mir, dass der Köder am Grund angekommen ist. Rolle zu, Schnur aufnehmen, Anjiggen – fühlt sich aber irgendwie schwer an. Ein paar Kurbelumdrehungen folgen, um den Schnurbogen auszugleichen. Plötzlich signalisieren harte Kopfstöße einen Fischkontakt. Wenig später glänzt mein erster Winterzander dieses Jahr im glasklaren Wasser vor meinen Füßen.
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Durchhalten lohnt sich beim Winterzander
Häufig ziehen die Räuber der Seen wie der Winterzander zu dieser Zeit auf Nahrungssuche gemächlich in großen Schwärmen an den steilen Kanten am Rande der tiefen Löcher umher.
Es kann zwar durchaus vorkommen, dass man eine gute Stelle intensiv beangelt und zunächst nichts fängt. Im Winter zahlt sich aber Durchhaltevermögen aus. Jeder Wurf kann das Monster bringen, das sich das ganze Jahr über alleine in den Weiten des Sees versteckt gehalten hat. Ohne Boot und Echolot ist es oft schwierig, die tiefen Hotspots zu finden und zu befischen. Ich greife auf alternative Methoden zurück, um Tiefen und Strukturen zu erkennen. Meine Planung beginnt bereits im Frühjahr zum Start der neuen Saison. Als Uferangler fische ich den Baggersee Schritt für Schritt ab und lerne anhand der Absinkphase meines Köders nach dem Auswerfen, in welcher Tiefe ich gerade fische. Je länger die Absinkphase des Gummifisches, desto tiefer das Gewässer.
Beim Jiggen erfahre ich einiges über die Bodenbeschaffenheit: Die Art, wie der Bleikopf auf dem Gewässergrund aufkommt, lässt mich dies in der Rute spüren – ob er hart auf steinigem Boden aufschlägt, dumpf auf dem Sandboden landet oder sanft im Schlamm verschwindet. Da Zander und Barsche steinigen oder sandigen Untergrund bevorzugen, kann ich mögliche Winterplätze bereits eingrenzen.
Exzellente Fangplätze für Winterzander
Auch in der Absinkphase des Köders beim Jiggen lerne ich die Bodenstruktur meines Gewässers kennen. Mit ein wenig Erfahrung stellt man fest, dass das Fallen des Köders beim Jiggen an einer Kante hinauf kürzer ist als hinab. Verlängert sich die Absinkphase nach einem Weitwurf plötzlich, bin ich entweder auf eine Rinne gestoßen oder habe ein weit entferntes Plateau entdeckt und angeworfen, von dem ich den Köder gerade hinunterzupfe. Dieses Plateau ist fast immer ein exzellenter Fangplatz für Winterzander. Hindernisse – Bäume, große Steine oder Ankerseile eines noch aktiven Kiesbaggers – merke ich mir ziemlich schnell. Um Abrissen vorzubeugen, meide ich diese Stellen.
Doch nicht nur beim Angeln erfahre ich einiges über mein Gewässer. Es reicht bereits häufig, mit offenen Augen durch die Natur zu gehen. Wird im See noch aktiv gebaggert, genügt oft ein einziger Blick, um zu wissen, wo sich die tiefen Stellen befinden. Der Bagger verändert im Jahresverlauf häufig seine Position. Diese merke ich mir und angle hier im Winter.
Auch die Uferkante des Sees sagt einiges über die im Wasser verborgene Gewässerstruktur aus. Stehe ich beispielsweise im Frühjahr auf einer großen Sandbank oder kiesigen Fläche und wate problemlos mit Gummistiefeln mehrere Meter durch das seichte Uferwasser in den See, so fange ich dort bestimmt gute Barsche und Zander – aber nicht im Winter. Hier ist es zu flach, und wahrscheinlich kann ich nicht weit genug werfen, um die Kante zu erreichen. Ein typischer Winterstandplatz der Raubfische zeichnet sich dagegen durch eine steil abfallende Uferböschung aus. Denn so, wie das Ufer hier abfällt, wird es meist unter Wasser weiter verlaufen. Stehe ich zudem auf Kies oder Sand und nicht im Schlamm, bin ich genau richtig.
Variantenreich geführt
Geht es um die Angeltechnik, hört und liest man häufig, dass Fische im Winter eher träge sind. Doch das schert mich nicht und selbst jetzt jigge ich eher aggressiv. Meine Rutenspitze zeigt dabei nie direkt auf den Köder, sondern weicht um etwa 30 Grad zur Seite ab. Mit ruckartigen Schlägen beginne ich, den Gummifisch vom Boden abzuheben. Die Rute bringe ich dabei niemals höher als in die 11-Uhr-Stellung. Dies hat zwei Gründe: Da ich sehr tief fische, erreiche ich einen extrem steilen Winkel zwischen Rutenspitze und Köder. Würde ich in dieser Situation ausschweifende Züge mit der Rute durchführen, so würde der Gummifisch viel zu weit vom Boden abheben, aus dem Blickfeld der Räuber verschwinden und sie die Verfolgung sofort abbrechen lassen.
Zudem imitiere ich mit kurzen Sprüngen über Grund das aktuelle Verhalten der Beutefische. Im kalten Wasser bewegen sie sich im Sparmodus, wechseln selten die Wassertiefe und schwimmen häufig knapp über dem Gewässergrund. Für akrobatische Sprünge fehlt ihnen die Energie. Mir übrigens auch. Um im Schneetreiben nicht in gähnende Monotonie zu verfallen und auch träge Räuber am Grund des Sees zum Anbiss zu reizen, ändere ich die Geschwindigkeit, die Anzahl und die Höhe meiner Rutenbewegungen ständig.
Zwei oder drei harte Zupfer, Köder absinken lassen, dann wieder ein langsamer Ruck, erneut absinken lassen, gefolgt von einer Salve mit mehreren einfachen, schnellen Rutenbewegungen, jeweils mit einer Absinkphase dazwischen. Plötzlich merke ich, wie sich die Absinkphase drastisch verkürzt. Das Adrenalin steigt, denn ich habe die Kante erreicht. Jetzt oder nie. Zupf, zupf, zupf – Tock, Anschlag! Die Kälte ist wie weggeblasen. Harte Kopfstöße lassen meinen Puls ansteigen und den Schnee auf meiner Mütze verdampfen.
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Bei der Landung baumelt einer meiner Lieblingsköder weit außerhalb des Mauls des Winterzanders, der sicher am Angstdrilling hängt. Dieser Gummifisch zeichnet sich durch seine längliche, schmale Form und eine weiche Gummimischung aus. Zudem besitzt er einen kleinen Schaufelschwanz. Mein Quantum-Specialist-Teamkollege Adrian Prus hat ein paar super Köder entwickelt. Mit etwa 12 Zentimeter Länge passen sie genau ins Beuteschema meiner Winterräuber. Hierzu zähle ich beispielsweise die Smelt Shads. Aber vor allem Pintails, bei Quantum „Ari’s Pin“ genannt, sind an stark beangelten Gewässern ein Geheimtipp. Ähnliche Köder gibt es auch bei Keitech (Easy Shiner), Reins (Rockvibe Shad) und Lunker City (Fin S). Es gibt nicht nur den einen Köder, der fängt. Man sollte sich an das Beuteschema des Zielfisches anpassen. Zander und Barsche bevorzugen längliche Beute wie Lauben und Stinte. Manchmal kann auch ein zusätzlicher Flavour (Geschmack) auf dem Köder für den Biss sorgen.
Falls Sie gerade zu Hause im Warmen auf der Couch sitzen, es draußen stürmt, schneit und bitterkalt ist, stehe ich wahrscheinlich an irgendeinem See, warm eingepackt, enteise meine Rutenringe und weiß genau: „Sie“ sind da draußen und es ist nur eine Frage von wenigen Würfen, bis der absehbare Biss kommt und kräftige Kopfstöße meine Rute erschüttern.
Dieser Artikel erschien zuerst in Blinker 12/2013. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe!