Galt der Kormoran zum Ende der 1970er Jahre als stark bedroht, erreicht die Anzahl der Vögel in Deutschland durch weitreichenden Schutz nun ein historisches Maximum. Die Rede ist von mehr als 1 Million Tieren. In diesem Zusammenhang kommt zunehmend die Frage auf: Wann ist eine Art „überschützt“?
Vom Gejagten zum Geschützten: Die Rückkehr des Kormorans
Der Kormoran war schon häufiger der Auslöser aufgeheizter Diskussionen. Als Resultat von starker Bejagung gehörte die Art in den 70er Jahren noch zu den gefährdeten Vogelarten Deutschlands. 1979 stellte man den Kormoran durch die Vogelschutzrichtlinie unter Schutz, was zu einer starken Zunahme der Kormoranbestände geführt hat. Heute findet man die Vögel wieder häufig an unseren Gewässern.
Mit einer Größe von bis zu 90 Zentimeter gehört der Kormoran zu den größeren Vögeln unserer Breiten. Er benötigt dabei etwa 300 – 500 Gramm Futter pro Tag. Bei einer Anzahl von einer Million Vögel entsteht so eine Menge von 300 bis 500 Tonnen Fisch, die Kormorane täglich in unseren Gewässern erbeuten. Im Jahr macht das etwa knapp 150.000 Tonnen Fisch. Im Vergleich dazu fingen Fischer in Deutschland 2020 gesamt nur etwa 195.000 Tonnen Fisch.
Dabei ist der Kormoran nicht nur auf Jungfische aus, sondern macht als opportunistischer Jäger auch vor größeren Exemplaren nicht Halt. Insbesondere bedrohte Arten, wie Huchen, Äsche, Lachs oder Aal, sind dadurch weiter gefährdet. Wie sinnvoll ist also der Schutz einer Art, wenn dadurch andere Arten in Mitleidenschaft gezogen werden?
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Natura 2000: Sabotiert der Kormoran den Schutz unserer Gewässer?
Natura 2000 beschreibt ein Netzwerk aus Naturschutzgebieten in der EU, wozu die Schutzgebiete der Vogelschutz-Richtlinie, sowie die Schutzgebiete der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gehören. Insgesamt beinhaltet Natura 2000 etwa 27.000 Schutzgebiete und repräsentiert mit 17,5% der Landfläche der EU das größte Netz an Schutzgebieten weltweit.
Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fordert den Erhalt von zu Natura 2000 gehörenden Teichwirtschaften. Zusätzlich gibt die Wasserrahmenrichtlinie vor, dass sich alle natürlichen Gewässer der EU bis zum Jahre 2027 einen guten ökologischen Zustand aufweisen. Der Schutz des Kormorans erschwert womöglich die Einhaltung dieser Ziele. Bisher ist der Abschuss nur dann erlaubt, wenn man dadurch eine „Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern“ erreicht. Ein Abschuss, oder die Vertreibung der Vögel scheint aber durchaus sinnvoll, insbesondere wenn seltene Fischarten darunter leiden.
Wie schädlich der Kormoran für unsere heimischen Fischbestände tatsächlich ist, wird kontrovers diskutiert. Während Naturschützer und Umweltschutzvereinigungen meist die Meinung vertreten, dass der Kormoran kaum Schäden in unseren Fischbeständen anrichtet, sind viele Angler vom Gegenteil überzeugt. Der Schutz einer Art sollte man in jedem Fall nicht unabhängig betrachten, sondern stets in einem größeren Kontext.
Quelle: Statista, Natura 2000, Europäisches Parlament