Wie wenige andere Themen hat das große Fischsterben, das sich im August in der Oder ereignet hat, die Nachrichten der letzten Wochen eingenommen. Meldungen von tonnenweise toten Fischen gehörten ebenso dazu wie die Frage nach der Ursache (und einem Schuldigen). Doch während die Oder mit Abstand das größte Unglück war, gab es in diesem Sommer noch andere Katastrophen. So kam es auch in der Hamburger Elbe zu einem Fischsterben, Nebenflüsse des Rheins fielen fast völlig trocken.
Es drängt sich durch die schiere Menge solcher Meldungen die Frage auf: Ist das jetzt normal? Werden wir in Zukunft immer mehr von diesen Fischsterben erleben?
Fischsterben sind von vielen Faktoren abhängig
Zunächst muss man dazu sagen, dass die subjektive Wahrnehmung oft trügt. Nur, weil ein Thema häufiger in den Medien ist, passiert es nicht häufiger als sonst – doch es kommt uns so vor. Fischsterben haben sich schon früher ereignet, und die traurige Wahrheit ist, dass es sie auch in Zukunft geben wird.
Der Blick nach vorn gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil viele Ursachen schwer abzuschätzen sind. Neben natürlichen Faktoren wie zum Beispiel Hitze kommen auch immer wieder menschgemachte Impulse wie eine Flussverbauung hinzu. Es lässt sich außerdem nicht vorhersehen, wann der nächste Unfall (oder die nächste mutwillige Umweltverschmutzung) geschieht, die ein großes Fischsterben nach sich zieht. Bei jeder Schätzung bleibt also stets eine große Unsicherheit, wann und wo sich einzelne Katastrophen ereignen werden.
Zusammenhang zwischen Temperatur und Fischsterben
Was sich jedoch abbilden lässt, ist der Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Häufigkeit von Fischsterben. Da sich unser Planet durch den Klimawandel langfristig erwärmt, werden in den Gewässern mehr Fische verenden. Die steigenden Temperaturen haben Auswirkungen auf ganze Ökosysteme. Brechen Fischbestände zusammen, beeinflusst das außerdem ganze Nahrungsketten, an deren Ende meist der Mensch steht.
Den Beweis dafür haben Wissenschaftler der University of Arkansas erbracht. Doktorand Simon Tye und Professor Adam Siepelski sowie weitere ihrer Kollegen aus dem Fachbereich für Biologie veröffentlichten vor kurzem ein Paper mit ihren Studien. Es trägt zu Deutsch den Titel „Klimaerwärmung erhöht die Häufigkeit von Fisch-Massensterben in nördlich temperierten Seen“. Darin fassen die Forscher die Daten von insgesamt 526 dokumentierten Fischsterben zusammen. Sie alle ereigneten sich von 2003 bis 2013 in den US-Bundesstaaten Minnesota und Wisconsin.
Die Wissenschaftler ermittelten drei große Arten von Fischsterben: Einerseits Sommer- und Wintersterben, andererseits durch Krankheiten verursachte Katastrophen. Sie konzentrierten sich auf die Fischsterben im Sommer und fanden einen klaren Zusammenhang zwischen Temperatur und ihrer Häufigkeit. Waren die Temperaturen in einem Jahr höher, fanden Fischsterben demnach häufiger statt.
Sechsmal so viele Fischsterben in der Zukunft?
Aus den Daten erstellen die Forscher ein Modell, um Fischsterben in der Zukunft abzubilden. Um es sanft auszudrücken, waren die Ergebnisse erstaunlich – alarmierend scheint jedoch das bessere Wort. Sie ermittelten bis zum Jahr 2100 einen mindestens sechsfachen Anstieg an Fischsterben. Nur bezogen auf die Lufttemperatur wäre es sogar ein 34-facher Anstieg. Die Forscher verwendeten beide Werte als Grundlage, da die Lufttemperatur die Wassertemperatur beeinflusst. Steigt sie an, werden auch die Gewässer wärmer.
„Wenn es derzeit acht Fischsterben im Sommer eines Jahres gibt, zeigen die Modelle, dass es nach der Wassertemperatur bald 41 pro Jahr geben könnte“, erklärte Tye. Führe man die Berechnungen nach der Lufttemperatur durch, steige die Zahl sogar auf astronomische 182. Die Forscher nennen die Vorhersagen nach der Wassertemperatur als zuverlässiger.
Der Zusammenhang ist eindeutig
Man muss bei dieser Studie bedenken, dass sie sich nur auf einen bestimmten Typ von Gewässer in einer begrenzten Region konzentrierte. Die Ergebnisse lassen jedoch eindeutig darauf schließen, dass extreme Temperaturen ein eindeutiger Faktor bei Fischsterben sind.
Wie eingangs erwähnt gibt es je nach Gewässer noch weitere Faktoren, die man berücksichtigen muss – oder gar nicht einberechnen kann. Übermäßige Nährstoffeinträge, extreme Wetterperioden und andere Einflüsse kann man mit diesen Ergebnissen nicht abbilden. Und gerade auf große Fließgewässer lassen sich die Ergebnisse nicht ohne Weiteres anwenden. Die Wassertemperatur ist dort deutlich dynamischer als in den Stillgewässern, die in der Studie untersucht wurden.
Doch zumindest der Zusammenhang zwischen Wassertemperatur und Fischsterben ist eindeutig: Setzt sich der Klimawandel so fort, bringt er nicht nur Dürre, Überschwemmungen und Stürme mit sich. Wir werden in Zukunft immer mehr Fischsterben erleben – womöglich auch in unseren großen Flüssen.
Quelle: University of Arkansas, Science Daily