In den letzten Jahren hat der Kormoran unter Anglern und Fischern immer wieder für Verzweiflung gesorgt. Der Fraßdruck, den die schwarzen Raubvögel auf Fischbestände ausüben, ist enorm. Ein Beispiel? Dänische Forscher stellten in einem Versuch fest, dass fast jede fünfte Meerforelle, die sie mit einem Sender markierten, einem Kormoran zum Opfer fiel. Statt die Fischbestände durch ernsthafte Schutzmaßnahmen zu retten, beschließt man lieber Bag-Limits und Angelverbote. Hilfe kommt jedoch aus der Luft: Seeadler werden auch in Deutschland wieder zahlreicher – und wo sie jagen, hat es der Kormoran schwer. Wie schwer, zeigt eine aufschlussreiche Studie aus Finnland.
Seeadler waren fast ausgerottet
Seeadler waren in Westeuropa über lange Zeit fast ausgerottet. Während sie in den letzten 150 Jahren intensiv bejagt wurden, kam in den 40er und 50er Jahren noch das Insektizid DDT hinzu. Das Mittel reicherte sich in der Nahrungskette der Greifvögel an und sorgte dafür, dass die Schalen ihrer Eier dünner wurden und während der Brut zerbrachen. Zudem sind Seeadler extrem lärmempfindlich: Können sie nicht in Ruhe brüten, geben sie ihr Nest auf.
All das führte zu einem Rückgang der Bestände, der fast unumkehrbar schien. Wie National Geographic berichtet, gab es im Jahr 1980 in Westdeutschland gerade einmal vier Brutpaare. Inzwischen sprechen die Zahlen eine andere Sprache: Laut WWF gibt es in Deutschland wieder 970 brütende Paare. Das macht den Seeadler zu einer Erfolgsgeschichte des Naturschutzes. Und dort, wo Seeadler sich heimisch fühlen, machen sie anderen Raubvögeln wie dem Kormoran ernsthafte Konkurrenz.
Aufkommen der Adler hängt mit dem der Kormorane zusammen
Forscher der Universität Helsinki werteten aus, wie das Aufkommen der Seeadler das der Kormorane beeinflusst. Seit 2010 lassen sich an der finnischen Ostseeküste immer mehr Seeadler beobachten. Besonders leichte Beute für die Greife sind die Gelege von Kormoranen. Einem ausgewachsenen Seeadler hat ein Kormoran nichts entgegenzusetzen. Aleksi Lehikoinen vom Naturkundemuseum in Helsinki bringt die Beobachtungen auf den Punkt: „Die Kormoran-Kolonien im Finnischen Meerbusen und dem Schärenmeer, wo Seeadler gesichtet werden, hatten weniger Eier als die Kolonien, wo sich keine Seeadler aufhalten.“
Um zu verhindern, dass Gelege und Küken Opfer des Seeadlers werden, schützen Kormorane ihre Nester, wenn Seeadler in der Nähe sind. Oft halten sich jedoch mehrere Adler in der Kolonie auf. Vor allem jüngere Greife, die noch nicht brüten, kommen in Gruppen – und sorgen unter den Kormoranen für Angst und Schrecken, sodass sie ihre Nester aufgeben müssen oder gleich gefressen werden. Sowohl in Finnland als auch in Deutschland sind teils 30 Seeadler in einer Kormoran-Kolonie gesichtet worden. Ihnen folgen Möwen und Krähen, die sich über die schutzlosen Nester hermachen.
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Seeadler bringt den Kormoran um den Nachwuchs
„Die Prädation und Belästigung, die Seeadler verursachen, ist manchmal so enorm, dass eine (Kormoran-)Kolonie in einem Sommer gar keinen Nachwuchs hervorbringt“, erklärt Pekka Rusanen, Forscher am Finnischen Umweltinstitut. „In nur wenigen Jahren hat dauerhafter Raubdruck eine Kolonie mit 2.000 Nestern vernichtet.“
Dort, wo es viele Seeadler gibt, verschwinden Kormorane mit der Zeit. So gibt es in Estland die meisten Kolonien dort, wo sich die wenigsten Adler aufhalten. In Finnland konzentriert sich die Population auf das innere Archipel der Schären, während die äußeren Bereiche längst den Seeadlern gehören.
Dieser Effekt auf den Bestand lässt sich mit einer Verzögerung von zwei bis drei Jahren feststellen. Einmal „verscheucht“, kehren Kormorane nur selten in ihre ursprünglichen Gebiete zurück. Seit 2015 ist der Bestand der Vögel in Finnland nicht gewachsen, sondern hat sich bei etwa 26.000 Brutpaaren eingependelt (in Deutschland sind es ca. 24.000). Zuletzt ging ihre Zahl sogar zurück. Den Grund dafür sehen die Forscher des Umweltinstituts in der steigenden Zahl der Seeadler.