Milde Umstände

Für Oliver Hamp ist solch ein prächtiger Winterkarpfen kein Zufallsfang.

Den Winter kennen viele Karpfen­angler nur als tote Zeit, in der man in Erinnerungen an die vergangene Saison schwelgt. Bei mildem Wetter kann man aber auch in der kalten Jahreszeit fangen, meint Oliver Hamp. Hier verrät er seine Erfolgsstrategie für schöne Winterkarpfen.

Für Oliver Hamp ist solch ein prächtiger Winterkarpfen kein Zufallsfang.

Die warmen Monate gelten als die klassische Zeit fürs Karpfenangeln. Dann stehen die Zelte der Großfischjäger sehr häufig am Ufer der Seen oder Flüsse. Neigt sich der Herbst dem Ende zu, tauchen immer weniger Karpfenspezialisten am Wasser auf. Mitte Dezember, zu Beginn des Winters, haben die meisten ihr Gerät eingemottet, archivieren ihre Fangfotos und schmieden Pläne fürs kommende Frühjahr. Für mich ist dieses Verhalten nicht nachvollziehbar. Wenn mich jemand fragt, ob ich auch im Winter auf Karpfen angle, lautet meine Antwort: Ja, klar. Die Karpfensaison dauert nämlich das ganze Jahr lang. Zugegeben: Karpfen sind wechselwarme Tiere und bei erhöhten Wassertemperaturen deutlich aktiver als im Winter. Aus diesem Grund nehmen sie im kalten Wasser deutlich weniger Nahrung auf. Aber Karpfen fressen auch im Winter, und das macht sie fangbar. Natürlich darf man in dieser Zeit nicht mit Massenfängen rechnen, aber der eine oder andere schöne Bartelträger ist auch jetzt immer möglich.

Die Ruten sind ausgelegt. Wer bei mildem Wetter zu Hause bleibt, verpasst die Chance auf einen Winterkarpfen.

Das Geheimnis der erfolgreichen Winterangelei auf Karpfen liegt darin, die richtige Zeit abzupassen. Während eines Kälteeinbruches den Rod Pod aufzubauen und die Montagen auszuwerfen, macht keinen Sinn. Sinkende Luft- und Wassertemperaturen verschlechtern die Fangaussichten deutlich. Im Verlaufe des Winters gibt es immer milde Wetterphasen, in denen kein Nachtfrost herrscht und die Tagestemperatur zwischen fünf und zehn Grad liegt. Ist der Luftdruck dazu noch konstant, und weht der Wind leicht bis mäßig aus südwestlicher Richtung, ist es Zeit für einen Ansitz. Jetzt gehen die Karpfen auf Futtersuche. Auch wenn ein Gewässer über mehrere Woche zugefroren war und in einer warmen Phase gerade erst aufgetaut ist, kann man nun einen prächtigen Winterkarpfen auf die Abhakmatte legen. Wo man sein Glück auf Winterkarpfen versuchen sollte, ist unter den Anglern umstritten. Weil die Anzahl der Bisse im Winter deutlich geringer ist als im Sommer, gehe ich kein Risiko ein und angle dort, wo ich auch in der warmen Jahreszeit regelmäßig Karpfen fangen konnte. Dort konnte ich auch im Winter Erfolge erzielen. Wer in dieser schwierigen Zeit Experimente wagt und neue, unbekannte Stellen ausprobiert, verliert schnell das Selbstvertrauen und resigniert.

Aufs Haar werden im Winter kleine sinkende Boilies und Pop-Ups gezogen.

FutterwahlIm Gegensatz zur Stellenwahl muss man bei Futter und Ködern umdenken. Bewährt haben sich in dieser Zeit Partikel wie Mais, Hanf, Tigernüsse, Kichererbsen sowie Pellets und Boilies in Durchmessern von 8, 10 und 14 Millimeter. Es darf also alles eine Nummer kleiner sein als im Sommer. Um die trägen Karpfen zum Biss zu animieren, sollte man seine Köder noch ein wenig verfeinern. Dafür sind Dips oder Liquids sehr gut geeignet. Ich setze auf stark riechende Tunken, am besten in fruchtigen Geruchsrichtungen. Die bringen im Winter bessere Ergebnisse als fischige Aromen. Kichererbsen lassen sich besonders gut dippen, weil sie aufgrund ihrer rauen und durchlässigen Oberfläche die Lockstoffe sehr gut aufnehmen.

Partikel wie Mais und Hanf sind genau richtig fürs kalte Wasser.

Auch Grundfutter eignet sich hervorragend, um die Karpfen an den Futterplatz zu locken. Im Wasser lösen sich die Futterbälle auf, und es bildet sich eine attraktive Wolke. Ich verwende Mischungen, die speziell auf die Bedürfnisse der Karpfen abgestimmt wurden. Unter das Grundfutter mische ich Hanfsamen, Thunfisch oder Sardellenfilets aus der Dose und Mikropellets (Durchmesser 1 bis 3 Millimeter). Ein Schuss Aroma-Dip lässt den Futterball noch verführerischer duften.

Grundfutter bildet im Wasser eine lockende Wolke.

Konzentrierter Platz Im Sommer sind größere Futterplätze Erfolg versprechend. Die Fische sind aufgrund ihres hohen Stoffwechsels hungrig und suchen größere Bereiche ab. Bei niedrigen Wassertemperaturen würde ein großer, massiv gefütterter Platz garantiert dafür sorgen, dass man den Ansitz als Schneider beenden würde. Konzentriert und geringe Mengen anfüttern, lautet die Devise im Winter. Nicht jeder Angler ist ein Meister im Umgang mit dem Wurfrohr oder der Futterrakete. Aus diesem Grund empfehle ich die Montage und das Futter mit dem Boot auszubringen. Man rudert über den ausgewählten Platz, etwa eine Kante oder ein Plateau und lässt die Montage zum Grund ab. Dann wird etwas Futter genau um den Köder gestreut. Ist der Einsatz eines Bootes nicht erlaubt, sollte man sich erkundigen, ob man ein elektronisches Futterboot verwenden darf. Auch mit den kleinen Lastkähnen ist eine optimale Köder- und Futterpräsentation möglich. Futterboote lassen sich mit einem Echolot ausrüsten, womit das Absuchen des Gewässerbodens nach interessanten Strukturen möglich ist.Herrscht absolutes Bootsverbot, verwende ich Baitsticks um kleine Futtermengen in der Nähe des Hakens zu platzieren. Baitsticks sind Futterwürste, die man mit Hilfe von wasserlöslichem PVA-Netzen herstellt. Das PVA-Netz wird befüllt mit Grundfutter oder speziellen Futtermischungen, die auch Stickmixe genannt werden. Bevor der Stickmix oder das Grundfutter in das wasserlösliche Netz kommt, muss es angefeuchtet werden. Man sollte allerdings nicht zu viel Wasser nehmen, sonst wird die Mischung zu matschig und das PVA-Netz löst sich zu schnell auf. Man kann in das Netz auch Partikel, Pellets oder zerdrückte Boilies füllen. Damit das Ganze die Konsistenz einer Wurst erhält, wird es mit einem Stopfer komprimiert. Der Stopfer wird mit dem PVA-Netz mitgeliefert. Dann hängt man den Baitstick an den Haken oder fädelt ihn auf das Vorfach. Nach dem Auswerfen sinkt die mit dem Baitstick garnierte Montage zum Boden. Das PVA-Netz löst sich auf und gibt seinen Inhalt frei. Dass man bei einem Ansitz im Winter durchaus auch mehrere Karpfen fangen kann, zeigte mir eine Session mit meinem Kollegen Uwe. Bei milden Witterungsbedingungen konnten wir mehrere Spiegel- und Schuppenkarpfen bis Mitte 20 Pfund fangen. Einige Experten mögen über Karpfen in dieser Größe vielleicht die Nase rümpfen. Aber bei Winterkarpfen kommt es nicht auf die Größe an. Wer sie fängt, hat sich einer großen Herausforderung gestellt – und sie gemeistert.


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