Barben genießen in Großbritannien seit Jahrzehnten eine außergewöhnliche Popularität. Bereits in den 1980er-Jahren erschien in Großbritannien einiges an Literatur zum Thema Barbenangeln. Fred Crouchs „Understanding Barbel“ ist zweifelsohne der Klassiker. Auch hierzulande steht er als wertvoller Buchschatz im Regal von so manchem Barbenspezi. Ursprünglich kommt die Europäische Barbe (Barbus barbus) nur in den östlichen Regionen Englands vor.
River Wye: jahrelanger Barben-Besatz macht sich bezahlt
In Westengland sowie in Wales wurden vor langer Zeit Flüsse erstmals mit Barben besetzt. Der viertlängste Fluss des Vereinigten Königreichs ist der River Wye. Er ist einer jener Flüsse, der heute dank der Besatzmaßnahmen an den Zulaufflüssen des Wyes in den 70er-Jahren einen sehr guten Barbenbestand aufweist. Neben Trent und Severn gehört der River Wye heute zu den beliebtesten Barben- und Döbelrevieren in Großbritannien.
Der rund 250 km lange Fluss entspringt einer Quelle in Plynlimon, am höchsten Punkt der Cambrian Mountains, und bildet ab seinem Mittel- bzw. Unterlauf eine natürliche Grenze zwischen Wales und England. Obwohl der River Wye unter den Top 5 der längsten UK-Flüsse seinen Platz einnimmt, fließt er nur durch eine einzige größere Stadt namens Hereford. Südlich der walisischen Kleinstadt Chepstown mündet der River Wye nahe der Severn Bridge im untersten Unterlauf vom Severn. Dieser wiederum mündet wenige Kilometer flussabwärts in den Bristol Channel.
Zu Gast bei Angellegende Bob James
Wenige Kilometer westlich von jener größeren 60.000-Einwohnerstadt Hereford, liegt die Wye-Strecke der lebenden Angellende Bob James. Bob war gemeinsam mit Chris Yates Protagonist in einer der größten Angelserien aller Zeiten, „A Passion for Angling“. Diese wurde 1993 im britischen Öffentlich-Rechtlichen, der British Broadcasting Corporation (BBC) und weiteren Ländern wie Neuseeland, Italien, Norwegen, Mexiko, Hong Kong und Japan ausgestrahlt.
Mr. James pflegt und hegt nun seit mehr als 20 Jahren einen rund 2,5 km langen Abschnitt vom Wye. Dort betreut er die zahlreichen Angelgäste, die ihn über das Jahr an seinem zweiten Zuhause besuchen. Mitte September 2022 kam ich gemeinsam mit den Jungs von Korum Benelux in den Genuss, die Pilgerreise zum River Wye anzutreten.
Nach stundenlanger Fahrt kamen wir um 22 Uhr Ortszeit an unserer Unterkunft, Bobs gemütlichem Caravan, an. Bob empfing und begrüßte uns sehr freundlich und wir ließen den Abend der Ankunft bei einem leckeren belgischen Blond-Bier ausklingen. Zweieinhalb Tage hatten wir Bobs Flussabschnitt nun für uns. Es war der Beginn eines großen Abenteuers.
Der erste Morgen im Barben-Mekka Wye
Der leicht dampfende Fluss bezeugte, dass sich der warme und sehr trockene Sommer zunehmend der kälteren Herbstzeit beugte. Frühmorgendliche Temperaturen von erstmals 6 Grad erwarteten uns an den Ufern des Wye. Bob zeigte uns gegen 8.30 Uhr einige verheißungsvolle Angelstellen, unter anderem „Cassie’s Peg“.
Jener Spot wurde so getauft, nachdem Bob seinen im Alter von 16 Jahren verstorbenen Jack Russel Terrier namens Cassie am Ufer des Wye begraben hatte. An dieser Stelle konnten wir gleich eine Handvoll Barben beobachten, nachdem Bob mit einer Futterkelle einige Dutzend 8-mm-Pellets in den Fluss katapultiert hatte.
Die ersten Wye-Fische im Kescher
Heiß wie Frittenfett suchte jeder von uns nach Bobs „Rundgang“ einen der vielen verheißungsvollen Spots auf, um mit der Angelei loszulegen. Ich suchte mir einen Bereich, der eine badewannenförmige Vertiefung im sonst sehr flachen Flussabschnitt darstellt. Am gegenüberliegenden Ufer verlief bei jenem Wasserstand die rund 1,80 m tiefe Rinne, in der ich meine beiden Zielfische Barben und Döbel vermutete.
Die Döbel machen den Anfang
Also griff ich zu meinem Bopper XL, einer speziell für das Flussangeln entwickelte Futterrakete, die erst am Flussgrund die Futterklappe öffnet und den Inhalt freigibt, und befüllte ihn mit 4 und 6 mm „Spicy Sausage“-Pellets sowie gecrushten Fischboilies. Im Anschluss machte ich meine erste Rute mit einer Barbenfeedermontage scharf. Es dauerte keine 2 Minuten, da gab es auch schon einen heftigen Ruck an meiner Schnur, der sich auch deutlich in der Rutenspitze bemerkbar machte.
Schnelle Bisse sind ganz typisch für Döbel, die extrem gut auf akustische Reize reagieren. Es könnte stets Nahrung sein, die gerade ins Wasser gefallen ist. In diesem Fall erzeugte meine Barbenfeedermontage, die rund einen halben Meter vor einem überhängenden Busch auf der Wasseroberfläche landete. Ein Geräusch, das tatsächlich einen ordentlichen Döbel von geschätzt 2 kg zu meinem 15-mm-Boilie am Haar lockte. Damit war mein erster Fisch des Lebens aus Großbritannien auch schon verhaftet, genial!
Bilderbuch-Biss der ersten britischen Barbe
Nun hoffte ich darauf, dass auch die ein oder andere Barbe am verheißungsvollen Spot ihr Unwesen trieb. Allzu lange musste ich nicht warten: Nach einem halben Dutzend weiterer, halbstarker Döbel, verneigte sich die weiß gefärbte Rutenspitze meiner Barbenrute in rasantem Tempo. Voller Adrenalin nahm ich die Rute auf und spürte ein deutlich höheres Gewicht am anderen Ende der Schnur. Der Fisch nahm nach den ersten beiden Metern des Herandrillens gleich ein paar Meter Schnur von meiner Rolle. Das musste sie sein, die erste UK-Barbe!
Der Drill war spritzig und hatte es in sich. Nach der zweiten Flucht konnte ich den Fisch das erste Mal in dem klaren Niedrigwasser sehen. Ein großer länglicher Goldbarren mit rostbraunen Flossen hatte augenscheinlich Gefallen an meinem Köder gefunden. Die genullte Waage offenbarte später, dass die allererste britische Barbe meines Lebens ein Fisch der Kategorie „Nine Pounder“ – mit einem exakten Gewicht von 9 lb 6 oz (4,25 kg) – war. Der pure Wahnsinn!
Feedern auf Barben im flachen Fließwasser
So flach wie in jenem Jahr war der Fluss in den letzten 20 Jahren nicht, berichtete uns Bob. Die flachwasserbedingte, schwache Strömung machte das Angeln mit der treibenden Pose ineffektiv. Daher fokussierten wir uns allesamt auf das stationäre Feederangeln. Am erfolgreichsten stellte sich das Angeln mit kleinen, 8 bis 12 mm großen Ködern am Haar und kleinen Futterkörben oder Bleien heraus, die nur ein leises Geräusch beim Auftreffen auf der Wasseroberfläche verursachen.
Korums „Camo Bolt and Run Kit“, eine Festbleimontage, kam bei mir wie fast immer beim Barbenangeln standardgemäß an die 0,35er Hauptschnur. Dank des Selbsthakeffekts konnte ich wohl den einen oder anderen Döbel mehr auf der Habenseite verbuchen. Einen 12er Grapplerhaken montierte ich mittels „Knotless Knot“ an die 0,30er bis 0,33er monofile Vorfachschnur. Die Länge meines Vorfachs lag bei der langsamen Strömung bei rund 100 bis 120 cm.
Erfolgreich mit Pirsch und Ansitz am Wye
Während meine Mitangler Tim Janssen, Peter Urscheler und Harry Pardoe überwiegend auf Stalking-Mission unterwegs waren, entschieden Nico Breevaart und ich uns dafür, das klassische Ansitzangeln zu betreiben. Beide Methoden waren unter dem Strich gleichermaßen erfolgreich. Wir fünf Angler konnten zusammen in den zweieinhalb Angeltagen insgesamt rund 200 Döbel in allen Größenklassen zwischen 12 und exakt 60 cm bei 6 lb 10 oz (3 kg) fangen. Außerdem über 20 Barben, von denen einige zwischen 70 und 80 cm groß waren.
Die bilderbuchhaften Wye-Barben sind für ihre atemberaubende Farbe berühmt. Das klare Wasser sorgt in Kombination mit dem durchschnittlich steinigen und dunklen Untergrund für ein goldbronzenes Schuppenkleid und markant rötliche Flossen.
Wye-Barben mögen den 8-mm-Sound
Am zweiten Tag startete ich gegen 8 Uhr morgens am „Cassie’s Peg“, an dem wir am Vortag einige Barben gesichtet hatten, nachdem Bob zwei Kellen 8-mm-Pellets gefüttert hatte. Leider war der Morgen noch ein Grad kälter und der Wye-Pegel schien noch ein Stück niedriger zu sein als am Vortag. Die Bedingungen waren also alles andere als optimal. Auch ließ sich bei meiner Erkundungsrunde mit der Polarisationsbrille weit und breit keine Barbe blicken.
Gegen 12 Uhr besuchte mich Gastgeber und Lehrmeister Bob am „Cassie’s Swim“ und machte mich darauf aufmerksam, dass jedes Futtermittel einen anderen Sound erzeugt, wenn es ins Wasser eintaucht. Und tatsächlich: Ein 4-mm-Pellet erzeugt einen völlig anderen Sound als ein 6-mm-Pellet. Ein 8-mm-Pellet erzeugt wiederum ein gänzlich anderes Geräusch. Der Sound von ins Gewässer eintauchenden Boilies ist ebenfalls ein unverwechselbarer Klang.
Bob war sich sicher: Wenn es eine Chance gibt, zeitnah einen großen Cypriniden an den Spot zu locken, dann mithilfe des Sounds von 8-mm-Pellets, die mit seiner Futterkelle lautstark gefüttert werden. Mr. James füttert seine Barben nämlich seit zig Jahren wöchentlich mit 8-mm großen Fischpellets. Die Wye-Barben, die wie fast alle Cypriniden von ihrem Gehör Gebrauch machen, verbinden mit diesem Geräusch an jenem Flussabschnitt hochwertige Nahrung.
Biss auf Ansage
Gesagt, getan. Bob lief das Steilufer hinauf zu seinem Wagen und kam mit einem Eimer voller 8-mm-Pellets und seiner berühmten Futterkelle den Hang wieder hinunter. Drei Kellen platzierte er gekonnt am Hot Spot. Er wechselte mit mir noch ein paar Sätze, wünschte mir viel Erfolg und sagte, er würde mal eben kurz flussauf gehen, um nachzuschauen, ob vielleicht dort ein paar Barben ihr Unwesen treiben.
Kaum 10 Minuten nach dem Füttern bekam ich den ersten Biss. Ich nahm meine Rute auf und spürte schnell, dass es sich dieses Mal um keinen Döbel handelte. Der Fisch zog nämlich flussaufwärts und in Richtung des gegenüberliegenden Ufers. Dieses Schwimmverhalten im Drill kannte ich bisher nur von größeren Barben jenseits der 4-kg-Marke. Voll konzentriert und fokussiert auf diesen einen Moment, hörte ich Schritte hinter mir. Bob war mit einem Grinsen im Gesicht von seinem kurzen Spaziergang zurückgekehrt und sagte nur: „That looks good!“
Seine Lockmethode über den Sound von 8-mm-Pellets hatte tatsächlich funktioniert. Wahnsinn! Mit 77 cm Länge und 10 lb 1oz (4,56 kg) war dies der kapitalste Fisch meines ersten UK-Trips! Dank Bobs langjähriger Wye- Erfahrung und seines überwältigenden Wissens über das Angeln konnte ich diese britische Schönheit fangen. Vielen Dank dafür, Bob!
Zu Besuch bei Bob James am Wye
Wer einmal an Bob James’ Wye-Abschnitt angeln will, der sollte im besten Fall 1-2 Jahre im Voraus den Kontakt mit Bob aufnehmen. Einfach einen Termin via E-Mail an [email protected] anfragen und buchen. Zumeist ist seine Wye-Strecke bereits im Juli für das Folgejahr ausgebucht.