Intelligenz in der Fisch-Biologie: Sind Fische blöd?

Manch ein Angler fühlt sich von einigen Fischen regelrecht veräppelt. Ist das Absicht? Sind die so klug? Rainer Korn fand die Antwort auf die Frage nach der Intelligenz von Fischen in der Biologie der Wasserwesen.

Die Intelligenz von Fischen: Hornhecht fixiert Köder unter Wasser

Bild: R. Korn

Auch dieser Hornhecht schaut mal in die Kamera. Seine großen Augen verraten: Er hält sich zumindest eine Zeitlang in tieferen Wasserregionen auf.

Auf die Frage an einen der bekanntesten Meerforellen-Experten der 90er Jahre nach der Intelligenz dieser Fische, antwortete dieser in herrlichstem dänischen Akzent: „Da sind Kokosnüsse viel intelligenter!“ Nun kann man natürlich versuchen, die Intelligenz von Kokosnüssen im Vergleich zu messen, aber ich muss gestehen, dazu fehlt mir irgendwie die Idee eines Versuchsaufbaus. Bleiben wir lieber bei den Fischen. Um das Jagdverhalten von diesen zu verstehen, was ja für uns Angler wichtig ist, müssen wir ein wenig in die überaus interessante Biologie der Fische eintauchen.

Die Intelligenz von Fischen: Der Gesichtssinn

Er bezeichnet die Fähigkeit, Formen und Farben mit den Augen wahrzunehmen. Dieser Sinn ist bei den Fischarten unterschiedlich stark entwickelt. Er hängt von deren Lebensweise und dem Lebensraum ab. So sind verständlicherweise vorwiegend tagaktive Raubfische wie Forelle, Dorsch, Seelachs und Pollack mit relativ großen Augen ausgestattet.

Lachs beim Trolling

Bild: R. Korn

Lachs beim Trolling. Der Fisch schaut direkt in die Kameralinse – wahrscheinlich, weil sie spiegelt. Deutlich sind die ausgestellten Augen zu sehen. Rechts neben dem Fisch der Schleppblinker.

Riechen statt sehen

Nachtaktive Räuber wie der Aal haben eher kleine Augen. Sie gleichen den geringer ausgeprägten Gesichtssinn durch andere Sinnesleistungen aus. Beim Aal ist das unter anderem der Geruchssinn, der sogar den der besten Hundenasen übertrifft. Er soll in der Lage sein, ein einziges Molekül wahrnehmen zu können. Das entspräche in etwa einem Fingerhut voll Rosenwasser im Bodensee – eine unglaubliche Leistung!

Auch andere Fische verfügen über einen beachtlichen Geruchssinn. Bei Lachsen etwa nimmt der Bereich, der für den Geruchssinn verantwortlich ist, mehr als die Hälfte des Gehirnvolumens ein. Tiefseefische verfügen meist über sehr große Augen im Verhältnis zu ihrer Größe, um auch noch Restlicht wahrnehmen zu können. Gut ist das beim Rotbarsch zu sehen. Dabei muss man wissen, dass das langwellige UV-Licht bis über 200 Meter tief hinabstrahlen kann!

Bootsangler auf dem Meer

Bild: R. Korn

Angler beim Fischen vom Boot: Unter der Wasseroberfläche spielen sich Szenen ab, die wir teilweise kaum für möglich halten!

Mangelnde Intelligenz oder Kurzsichtigkeit?

Als ich einen Lachs unter Wasser filmen konnte, wie er meinen Schleppblinker attackierte, wunderte ich mich über seine anfangs wenig erfolgreichen Versuche. War der zu blöd zum Beißen oder steckte was Grundsätzliches dahinter? Fische sind kurzsichtig: Sie können also auf geringer Distanz bis zu einem Meter recht scharf sehen, aber auf größerer Entfernung nur unscharf. Und da Fielmann keinen Service unter Wasser anbietet, wird das wohl auch so bleiben. Fehlende Intelligenz darf hier nicht unterstellt werden. Anders als wir Menschen, die die Form ihrer Augenlinse verändern können, um besser scharf zu sehen, ist die der Fische kugelig starr.

Geometrie des Sichtfelds von Fischen

Um unterschiedliche Schärfenbereiche zu erhalten, behelfen sie sich mit einem Trick: Sie können mit Hilfe des Linsenmuskels die Linse im Auge nach vorn und hinten schieben und damit wenigstens ein Stück weit fokussieren. Bei den Rundfischen wie Lachs, Dorsch und ähnlichen sitzen die Augen meist seitlich am Kopf, die Linse ragt etwas heraus. Lichtstrahlen werden auf diese Weise besser ausgenutzt und das Gesichtsfeld wird erweitert. Aufgrund dieser Augen- und Linsenstellung ist das Sehfeld im Vergleich zum Menschen viel größer (siehe Zeichnung).

Zeichnung Sichtfeld Fisch

Bild: H. Dänekas

Der Gesichtssinn der Fische ist anders ausgeprägt als beim Menschen.

Jedes Auge hat ein Gesichtsfeld von 160 bis 180 Grad horizontal und von 150 Grad vertikal. Vor dem Fisch überdecken sich die Sehfelder beider Augen. In diesem Bereich von 20 bis 30 Grad sieht der Fisch also am besten, da beide Augen dasselbe Bild aufnehmen. Allerdings kann der Rundfisch direkt vor der Nase nicht sehen – wegen der Seitstellung seiner Augen. Fische, die vornehmlich direkt auf dem Grund leben, haben die Augen oft nach oben gerichtet – wie Plattfische oder Seeteufel.

Das Gesichtsfeld der Fische im Wasser

  • Das Gesichtsfeld ist im Vergleich zum Menschen viel größer
  • Jedes Auge hat ein Gesichtsfeld von 160° bis 180° horizontal und von 150° vertikal (monokular)
  • Vor dem Fisch überdecken sich die Gesichtsfelder der beiden Augen; in diesem Bereich (20°-30°) sieht der Fisch am besten (binokular), da hier beide Augen das gleiche Bild aufnehmen
Plattfisch von oben

Bild: K. Freter

Plattfische haben obenliegende Augen, die sie unabhängig voneinander bewegen können, um möglichst viel von der Umgebung aufnehmen zu können.

Der Lachs muss antizipieren

Doch zurück zum jagenden Lachs: Er kommt von größerer Entfernung, sogar von oben, was auf meinem Videoclip gut zu sehen ist. Er hat den Blinker wahrgenommen, attackiert und verfehlt ihn öfters. Er fixiert den Köder, folgt ihm, kommt dichter und dichter. Auf kurzem Abstand sieht er ihn scharf. Er speichert das Verhalten des Köders ab und schwimmt die Attacke. Problem: Direkt vor seinem Maul kann er nicht sehen! Wir sehen den Löffel mit der Suppe direkt vor unserem Mund – der Fisch nicht. Er muss also das abgespeicherte Bild des Köders von kurz vorher abrufen, um die Attacke zu schwimmen. Da sich aber der Lauf der Köders andauernd ändert, auch die Lauftiefe, die beim Schleppen zum Beispiel durch Wellengang verändert wird, geschieht der letzte Moment des Zupackens quasi blind. Das ist ein wichtiger Grund, warum Fische einen Köder oft verfehlen und es zu Fehlbissen kommt.

In unserem Clip geschieht das Haken des Lachses übrigens am Schluss fast zufällig. Denn eigentlich hat der Fisch den Köder schon wieder verfehlt. Doch weil der Drilling beim Flattern des Blinkers stark zur Seite ausschlägt, hakt er den Lachs im Maulwinkel. Ohne diese Aufnahmen, nur bei Ansicht des gehakten Fisches, würde wohl jeder Angler dazu ein anerkennendes „Sauber gehakt!“ ausrufen. Doch der Clip verrät, wie viele Anläufe der Fisch tatsächlich brauchte und dann eigentlich nur zufällig doch noch gehakt wurde. Er war übrigens um 4 kg schwer und schmeckte sehr gut.

Lachs bei einer Attacke auf den Blinker

Bild: R. Korn

Lachs bei einer Attacke auf den Blinker.

Exkurs: Spüren Fische Schmerz?

Die Meereszeitschrift „Mare“ zitierte bereits 2005 James D. Rose, Biologe an der US-amerikanischen Universität von Wyoming, der bezweifelt, dass Fische zum bewussten Leiden überhaupt in der Lage sind. „Die evolutionäre Entwicklung des Zentralnervensystems ist bei Fischen, im Gegensatz zum Menschen, auf einer sehr frühen Stufe beendet worden. Fischen fehlt der so genannte Neocortex, also die Region des Großhirns, die für bewusste Wahrnehmungen verantwortlich ist, und somit können sie auch keine Schmerzen empfinden.“

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Die Sache mit den Ohren

Sogar über Ohren verfügen Fische. Es sind kleine mit Flüssigkeit gefüllte Röhrchen hinter den Augen. Sie sind ähnlich aufgebaut wie das Innenohr bei Landwirbeltieren. Aufgenommene Schallwellen versetzen kleine, in der Flüssigkeit schwimmende Gehörsteinchen aus Kalk in Schwingungen. Das erregt feine Sinneszellen, die ihre Infos ans Gehirn weiterleiten. Ganz ähnlich funktioniert übrigens das Seitenlinienorgan des Fisches, mit dem er fast wie mit einem Radar arbeitet. Als „Radarwellen“ fungiert die Wassersäule, die der Fisch beim Schwimmen vor sich herschiebt. Diese Druckwellen werden von Hindernissen reflektiert und vom Fisch wieder aufgenommen und ausgewertet. Dabei sind es die überaus sensiblen Haarsinneszellen in der Seitenlinie, die eine feine zeitliche Auflösung der Signale ermöglichen. Das Seitenlinienorgan sorgt übrigens auch dafür, dass Fische im Schwarm nicht zusammenstoßen.

Illustration eines Fischs mit Seitenlinienorgan

Bild: J. Scholz

Das Seitenlinienorgan ist hochsensibel und mit das wichtigste Sinnesorgan der Fische.

Intelligenz-Test komplexe Umgebung: Fische sind nicht dumm

Wenn man dies alles zusammen nimmt, wird schnell klar, dass Fische keineswegs blöd sind. Sie sind hervorragend ans Leben im Wasser angepasst. Aber dieses Leben ist auch enorm komplex – außerdem findet es in einem andauernden dreidimensionalen Raum statt, während wir uns meist zweidimensional bewegen. Zudem befindet sich Wasser und alles darin, was nicht starr wie ein Felsen verankert ist, in ständiger Bewegung. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Restaurant, Tische, Stühle und Speisen schweben wie im schwerelosen Raum ständig umher und Sie versuchen, mit einer Gabel ein paar Spaghetti aufzurollen. Da werden Sie trotz Intelligenz-Vorsprung zum Fisch sicherlich auch den einen oder anderen Versuch benötigen, um die Nudeln in den Mund zu bekommen.


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