Ich bin anglerischer Einsiedler. Ich liebe Gewässer, an denen ich meine Ruhe habe, komplett allein bin und mich voll entfalten kann. Die Fische sind selten scheu und verhältnismäßig leicht zu fangen, wie meine Erfahrungen beweisen. Viele Jahre habe ich diesen Style durchgezogen – aber mittlerweile sieht meine Welt ein klein wenig anders aus. Ich bin beruflich sehr eingeschränkt und habe eine Familie, der ich gerecht werden möchte. Diese Umstände zwingen mich immer öfter dazu, an stärker besetzte und (leider) stärker beangelte Seen in meiner Umgebung auszuweichen. Diese Gewässer sind auch deutlich leichter zugänglich als „meine“ Naturseen; einen halben Tag auf- und abbauen oder übersetzen kann ich mir nicht mehr leisten, denn ich habe oft nur einzelne Nächte Zeit. Mein Erfolgstipp für diese Situation: Boilies einweichen!
Neue Gewässer wenig zufriedenstellend
Ich musste überraschenderweise feststellen, dass die neuen Seen trotz des hohen Angeldrucks einen großen Reiz auf mich ausüben – denn sie fordern mich, und das liebe ich. Stillstand und monotones Angeln sind mir viel zu langweilig, ich will mich immer weiterentwickeln. Den großen Horden anderer Angler gehe ich insofern gut aus dem Weg, weil ich meine Nächte unter der Woche absolviere. Am Wochenende bleibe ich lieber zu Hause; wenn ich sieben Zelte um mich herum habe, vergeht mir nämlich sofort die Lust.
Ich muss gestehen, dass ich in dieser Hinsicht etwas verwöhnt bin. Wir springen kurz in die Vergangenheitsform, denn ich muss etwas ausholen. Ich fing bisher an jedem meiner Ausweich-Eine-Nacht-Gewässer relativ schnell meine Karpfen. Aber so richtig zufrieden war ich nicht mit der Ausbeute. Denn – einer der wenigen positiven Aspekte hohen Angeldrucks – ich wusste durch andere Karpfenangler, wie hoch ich den Bestand einschätzen konnte, und ich hatte nur einen kleinen Teil gefangen. Was also musste ich verändern, um erfolgreicher zu sein?
Zu allererst suchte ich mir Bereiche, die für andere Angler unscheinbar waren und nie beangelt wurden. Meist war das tiefer Schlamm. Zu meiner Bekräftigung stellte ich fest, dass die Fische regelmäßig im Schlamm fraßen! So passte ich meine Riglänge dem weichen Boden an (20 bis 25 cm) und wechselte auf eine Helikoptermontage. Außerdem schraubte ich meine Futtermenge trotz guter Bedingungen herunter, denn ich beobachtete, dass viele andere Angler sozusagen den Eimer umdrehten. Mein Futter selbst blieb dasselbe wie überall sonst. Ich halte gute Boilies mit wichtigen Inhaltsstoffen wie Aminosäuren, Ballaststoffen, Vitaminen und gut verdaulichen Proteinen für extrem wichtig. Nichts ist schlimmer als ein gesättigter Karpfen, der seit Tagen mit meinen Murmeln zu kämpfen hat.
Boilies einweichen: Tarnung für die Köder
Und während ich über meinem kleinen Futtereimer hockte und gedankenverloren mit den Murmeln herumspielte, fiel mir plötzlich eine Taktik ein, die ich schon vor vielen Jahren angewandt hatte, als ich auch mal auf hart befischte Seen ausweichen musste: Das Aufweichen der Köder in Seewasser! Um all die Fische auszutricksen, die weder ich, noch viele andere Angler gefangen hatten, begann ich, meine Boilies in Wasserkugeln zu verwandeln. Ich legte sie einen Tag vor dem Angeln in Seewasser ein. Leitungswasser nutzte ich nicht, weil der pH-Wert ein anderer ist und ich glaubte (beziehungsweise glaube, um wieder in die Gegenwart zu springen), dass ein erfahrener Fisch das merkt.
Karpfen wissen mit der Zeit genau, wie frische Boilies aussehen. Je öfter sie gefangen werden, desto eher meiden sie das frische Menü und holen sich lieber die Reste von letzter Woche. Sie sind sozusagen die Feinschmecker unter den Resteschluckern. Wenn wir Boilies einweichen, imitieren wir alte Köder. Wer viel Zeit zum Angeln hat, kann frische Boilies füttern, denn nach 2 Tagen sehen sie unter Wasser schön „ gebraucht“ aus und haben damit begonnen, ihre Inhaltsstoffe freizugeben. Für Leute mit wenig Zeit, wie mich, ist das keine Option. Aber unser Ärmel tropft, denn das Ass darin ist bereits butterweich und fangfähig. Nur noch ein kurzer Schritt in die Vergangenheit: Mein Gedanke, die Boilies einen Tag vorher ins Wasser zu legen, war schlussendlich genau richtig. Fortan steigerte ich meine Bissfrequenz bei jedem Angeln! Zufall oder nicht?
Harter Hakenköder, sonst eingeweichte Boilies
In der Praxis ist mein Vorgehen wie folgt: 24 Stunden vor meinem Angeltrip übergieße ich einen kleinen Eimer Boilies mit Seewasser. Die Erfahrung zeigt, dass ein Tag Aufweichzeit genau richtig ist; die Köder bekommen (je nach Durchmesser) eine weiche Außenhaut und behalten ihren stabilen Kern. Meiner Ansicht nach werden sie durch das Wasserbad „aktiviert“, denn ihre feste Außenhaut wird destabilisiert und gibt wasserlösliche Partikel besser ab. Ich mische Boilies unterschiedlicher Sorten und Größen (15 bis 30 mm), sodass die Karpfen sich nicht an einen Köder gewöhnen können.
Zudem weichen große und kleine Köder unterschiedlich schnell durch, ich kann also diverse Härtegrade füttern. Die kleinen Murmeln sind fast teigartig, sie zerbröseln zwischen den Fingern; die größeren aber bleiben recht fest. Mein Hakenköder darf weder auffallen noch abfallen. Was ich damit meine: Ich nutze einen normalen, harten Boilie aus der Tüte oder einen Wafter, also einen mit Korkmehl versehenen, leicht auftreibenden Boilie. Dank der unterschiedlichen Härtegrade fällt der Hakenköder im Futter kaum auf und wird arglos mitgefressen. Außerdem ist er stabil genug, um auch mal einen Tag am Platz liegen bleiben zu können, ohne dass ich mir Sorgen machen muss, dass die Weißfische, Krebse oder was auch immer ihn vom Haar ziehen.
Was vielleicht noch interessant und wichtig ist, ist der Aspekt, dass ich in den schlammigen Böden der Ausweich-Seen keinen Erfolg mit Pop Ups hatte. Immer, wenn ich sie benutzte (und es war nur ein paar Mal), blieben die Bisse aus. Mit Waftern oder Schneemännern (normaler Boilie + schwimmender Pop Up, ergibt einen leicht auftreibenden Bodenköder) fing ich deutlich besser! Das liegt daran, dass ich die Fische tief im Schlamm wühlen und den auftreibenden Pop Up nicht bemerken.
Auch bei Mitessern: Boilies einweichen!
Seit einem Jahr weiche ich meine Köder vor jedem Einsatz ein, egal an welchem Gewässer, um eine ganzheitliche Aussage bezüglich der Fängigkeit in den einzelnen Jahreszeiten und bei diversen Wassertemperaturen treffen zu können. Unterm Strich habe ich nun herausgefunden, dass die Jahreszeit keine Rolle spielt. Meine ausgewaschenen Boilies fingen immer gleich gut. Und wie sieht es mit Beifängen aus? Ich kann verstehen, wenn Sie vermuten, dass besonders Weißfische mit den weichen Ködern kurzen Prozess machen. Diese Zweifel hatte ich anfangs auch, aber ich wurde überrascht: Ich fing nicht weniger oder mehr Mitesser als mit härteren Boilies. Auch nicht, als das Wasser noch im idealen Temperaturbereich zwischen 15 und 20 Grad war! Wieso? Ich vermute, dass ausgewaschene Boilies einfach nicht mehr so attraktiv für Weißfische sind, wie frische Köder.
Es funktioniert auch abseits der stark beangelten Vereinsteiche sehr gut, also an den großen Naturseen, an denen ich sonst vermehrt unterwegs bin. Und dort treten oftmals wirklich viele Brassenschwärme auf. Schlussendlich kann ich Ihnen aus meinen Erfahrungen mit auf den Weg geben, dass Sie unbedingt darauf vertrauen sollten, auch mal Dinge zu verändern. Wer fleißig ist und Dinge hinterfragt, kann echte Wunder erleben – ich fing zum Beispiel viele große, schlaue Fische in den hart beangelten Seen durch meinen simplen Trick: Boilies einweichen. Einfach deshalb, weil die Fische nicht damit rechneten. Heben Sie sich von der Masse ab!
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