Risikofreudige Menschen nehmen mehr Gefahren auf sich, sie bekommen aber auch außergewöhnliche Chancen. So ist es auch beim Angeln auf Bachforellen: Mit Risiko läuft man Gefahr, Köder und Fische zu verlieren, aber man hat auch die Chance auf einen ungewöhnlichen Fang
Zu meinen Füßen rauscht der Bach. Vorfreudig stecke ich meine Spinnrute zusammen, kontrolliere die Bremse. Rasch noch den Köder montiert, einen von denen, die am Forellenbach nie enttäuschen. Ich bin gespannt, was das kleine, gurgelnde Flüsschen an Fischen zu bieten hat. Nach einer Stunde am Wasser ist klar: nicht viel.
Trotz mehrerer Platzwechsel vergreift sich lediglich ein jugendlicher Döbel am Kleinwobbler. Forellen Fehlanzeige. Woran liegts? Nun, viele Bäche und Kleinflüsse stehen unter starkem Befischungsdruck, besonders wenn sie in der Nähe von Ballungszentren liegen. Zu viele Petrijünger sind der Satzforellen Tod. Dagegen kommt auch der fleißigste Besatzwart auf Dauer nicht an. Wer zur falschen Zeit am Wasser auftaucht, riskiert einen Schneidertag. Was also tun, wenn es nicht läuft? Keine Sorge, auch in überfischten Gewässern hat die eine oder andere Forelle eine Möglichkeit gefunden, den Nachstellungen der anderen Angler zu entgehen. Das sind unsere Zielfische!Fischen im Ködergrab
Aber wie fängt man Fische, an denen schon viele Angler vorbeigeangelt haben, und die mit jedem überlebten Tag schlauer geworden sind? Das Lösungswort heißt: Risiko. Wer mehr riskiert, fängt mehr. Die meisten Kollegen fischen viel zu ängstlich. Die Furcht vor Schnurbruch, Hängern, Köderverlust oder unwegsamem Gelände hält sie sicher auf Abstand zu ihrer Beute.
Beispiel gefällig? Ins Wasser hängendes Buschwerk stellt für Forellen einen idealen Unterstand dar. Dennoch meiden viele Angler solche Stellen aus Angst, der teure Wobbler könnte den Ästen im Wasser zu nahe kommen. Dabei arbeitet die Strömung für uns. Sie drückt hereinhängendes Grünzeug unter die Wasseroberfläche. Deshalb spricht nichts dagegen, einen sinkenden Wobbler unter das Gestrüpp treiben zu lassen. Beim Einholen taucht er mit etwas Glück hängerfrei unter dem Ködergrab hindurch. Mehr als einen Versuch brauchen wir ohnehin nicht. Hat sich ein Fisch in dem vermeintlich sicheren Unterstand eingestellt, attackiert er furchtlos. Auch andere Hindernisse wie verkeilte Baumstämme oder Treibgut-Teppiche lassen sich so unterfischen.Auf Abstand bleiben
Etwas mehr Risikobereitschaft macht auch den Unterschied beim Befischen von Brücken. Hier stehen immer Fische. Die meisten Angler verhalten sich an Brücken gleich. Sie lehnen sich entweder über das Geländer und fischen unter die Brücke hinein. Oder sie machen dasselbe vom Ufer aus ein paar Schritte oberhalb der Brücke. Hier führen sichtbare Trampelpfade ans Wasser. Vorsichtige Forellen sind gewarnt. Sie stehen selten direkt unter der Brücke. Die 5 Meter vor oder nach der Brücke sowie der Brückenein- und auslauf sind die bevorzugten Standplätze.
Bei der geringsten Störung flüchten die Fische unter die Brücke und stellen das Fressen ein. Jetzt macht das Brückenfischen keinen Sinn mehr. Ein einziger flussabwärts flüchtender Fisch warnt alle anderen. Statt dessen beziehe ich möglichst weit oberhalb der Brücke Stellung. Von hier lasse ich meinen Schwimmwobbler abtreiben, bis der Sichtkontakt abbricht. Das ist spätestens unter der Brücke der Fall. Von hier ab gehts im Blindflug weiter. Der Wobbler muss die Brücke passieren und weitere 5 bis 10 Meter abtreiben. Das ist bisweilen ein riskantes Gefühlsspiel, besonders bei breiten Brücken. Ich weiß nicht, welcher Unrat unter oder hinter der Brücke liegt. Zur Risikobegrenzung wähle ich flach laufende Wobbler. Stop! Langsam hole ich ein. Auf diese Entfernung spüre ich trotz Geflochtener nichts vom Köderlauf. Im schlimmsten Fall hält mein Köder bald an: Hänger. Im Idealfall kommt aber der Biss irgendwo im Bereich der Brücke. Immer wieder einmal kann man so einen richtig guten Fisch haken, der schon lange im Gewässer ist. Durch den großen Abstand gestaltet sich der Drill aber risikoreich, da wir unseren Gegner kaum dirigieren können. No risk, no trout. Wenns klappt, dürfen wir uns aber umso mehr über einen guten Fisch freuen.Der Kurventrick
Wo der Bach eine starke Kurve beschreibt, positionieren wir Spinnfischer uns gerne in der Kurvenmitte. So haben wir den weiteren Flussverlauf im Auge und befischen den Kurvenauslauf. Oft liegen die besten Stellen aber in der Unterspülung der Außenkurve oder im Kehrwasser unterhalb der Innenkurve. Fischen wir von der Kurvenmitte aus, vertreiben wir die Forellen zwangsläufig. Mehr Sinn macht es, uns oberhalb der Kurve zu positionieren und den Köder in die Kurve hineintreiben zu lassen. Wir können ihn durchaus noch ein paar Meter weiter treiben lassen, als wir Sichtkontakt haben. Beim Einholen wird er sich zwar dem Innenkurven-Ufer annähern, und im schlimmsten Fall müssen wir ihn von dort lösen. Aber wir wahren so die Chance auf einen guten Kurvenfisch, der von unseren Vorgängern bisher vertrampelt wurde.
Lang und dünn
Auch lange Ruten und dünne Vorfachstärken bergen unter Umständen ein erhöhtes Risiko. Erstere sind im Ufergeäst oft furchtbar sperrig, letztere führen in der Strömung zu Schnurbruch, wenn man nicht höllisch vorsichtig drillt. Dennoch steigern beide unsere Chancen erheblich. Mit der langen Rute lassen sich Köder viel besser dirigieren, etwa an vielversprechende Stellen am gegenüberliegenden Bachufer. Ein dünnes Vorfach um 0,16 Millimeter verschreckt selbst erfahrene Fische in glasklarem Wasser nicht.
Fazit: Wer in stark beangelten Bächen fangen will, muss etwas riskieren. Klar, den einen oder anderen Köder werden wir so verlieren auch so manchen Fisch. Aber wir fangen Forellen, die sonst nie und nimmer gebissen hätten.