Während eines Abendspazierganges an einem Baggersee erkennen wir im Licht der Dämmerung zwei Petrijünger, die noch fleißig die Spinnruten schwingen. Warum nicht noch ein wenig fachsimpeln?
„Jawohl, das war ein Wurf!“ Nicht ohne Stolz zeigte der mir unbekannte Angler in die Richtung, in der letzte Ringe auf der Wasseroberfläche anzeigen, wo sein Köder eingetaucht ist. „Klasse Günther, das wird Einer“, kam lautstarke Unterstützung vom Angelkollegen. In der Tat war der Gummishad über eine beachtliche Distanz geflogen, bevor der Bleikopfhaken die Montage in Richtung Gewässergrund beförderte. „Da draußen im Tiefen, da stehen die Großen“, wurden wir begrüßt. „Da, wo Du normal nur mit einem Boot hinkommst.“ „Und, schon was gefangen“, stellte ich neugierig die obligatorische Frage. „Nöö, die wollen die letzten drei Abende schon nicht so richtig. Aber vor einer Woche, am helllichten Tag, da haben wir genau dort zwei schöne Zander rausgeholt“. „Und, schon mal im Flachen versucht“? „Jungchen, ich geb´ doch nicht so viel Geld für gutes Material aus, um dann vor meinen Füßen rumzudümpeln“, kam die Antwort in einem Ton, der mir zu verstehen gab, dass hier keine weiteren Diskussionen gewünscht waren. Jeder macht so seine Erfahrungen dachte ich. Nur sahen meine Erfahrungen ganz anders aus! Sicherlich kann es wichtig sein, die weit draußen gelegene Abbruchkante, den Barschberg oder die tiefe Senke zu erreichen. Alles Stellen, die tagsüber Schutz und Tarnung bieten. Tagsüber wohlgemerkt! In der Dämmerung und in der Nacht halt ich es beim Angeln vom Ufer lieber mit der Kalenderweisheit: “ Warum in die Ferne schweifen, wenn das Glück so nahe liegt“. Das gilt dann nicht nur für die tatsächliche Entfernung vom Ufer in der ich fische, sondern auch für die Tiefe, in der ich meine Köder anbiete. Im Dunkeln tickt die Uhr der Fische anders als im hellen Sonnenlicht. Die Kleinfische verlassen ihre Deckung, um auf Nahrungssuche zu gehen. Im Schutz der Dunkelheit folgen sie dabei auch den aufsteigenden Planktonwolken. Ganze Fischschwärme zieht es Richtung Wasseroberfläche, um hier treibende Insekten einzusammeln. Und im Gefolge der Beutefische finden wir die Jäger. Garantiert! Augenräuber, wie der Hecht, nutzen das Restlicht des Tages und auch den Mondschein, um letzte Umrisse einer möglichen Beute auszumachen. Freund Glasauge kommt aus der Tiefe empor und fühlt sich jetzt in seichten Regionen wohl, die er tagsüber als zu helle Orte gemieden hat. In einem Satz: Nachts steigen die Räuber höher und kommen näher ans Ufer als sie es gewöhnlich tagsüber tun. Und auch im Freiwasser spielt sich nun alles mehrere Etagen höher ab. Die Jäger der Tiefe folgen ihrer Beute bis unmittelbar unter die Wasseroberfläche. Mit zunehmender Dunkelheit wird das Sehvermögen der Fische eingeschränkt. Dem Geruchssinn und insbesondere dem Gehör und dem Seitenlinieorgan kommen jetzt mehr und mehr an Bedeutung zu. In diesem Umstand sind letztlich auch die besonderen Erfolge beim nächtlichen Spinnfischen begründet: Ein letztes genaues Prüfen des Imitates ist den Räubern in den Bruchteilen der Sekunden in denen unsere Köder vorbeiziehen nicht möglich. Zupacken oder sausen lassen, heißt es nun auch für die besonders misstrauischen Genossen. Gerade Gewässer mit hohem Befischungsdruck und vielen Freizeitaktivitäten bringen regelmäßig nachts wieder brauchbare Ergebnisse. Die Fische sind hier häufig diesen Widrigkeiten ausgewichen und haben ihre Aktivitäten in die Nacht verlegt. Unter diesen Bedingungen trumpfen Kunstköder, die durch Geräusche und viel Eigenbewegung auf sich aufmerksam machen, und daher einfach zu lokalisieren sind. Den optischen Aspekten kommt keine so große Rolle zu. Allerdings ist zu bedenken, dass dunkle Köder eine bessere Silhouette gegen das Restlicht abgeben als helle Modelle. Unter den Kunstködern, die diese Anforderungsprofile erfüllen, wähle ich nur solche aus, die nicht tiefer als 2 m laufen. Besser zu flach als zu tief fischen lautet die Devise. Zweiteilige, schwimmende Wobbler beherrschen diese Übung perfekt. Nicht zu schnell und mit gelegentlichen Stopps eingeholt sind diese Verführer erste Wahl. Rapala (Jointed) und Pradco ( Bomber-J) bieten hierfür sehr gute Modelle an. Von den einteiligen Versionen kommen nur solche an die Leine, die schon bei geringstem Zug stark mit dem Hinterteil wedeln ( z.B. Stretch Minus von Manns) oder auffällig von einer Seite auf die andere schaukeln (sog. Flanker wie z. B. der Jake von Musky Mania). Die Größe der Köder sollte nicht zu klein ausfallen. Zur Erinnerung: Aufgrund der eingeschränkten Sichtbedingungen geht es nicht darum, ein optisch perfektes Imitat anzubieten. Ziel ist es vielmehr, den Eindruck einer vorbeischwimmenden Beute vorzutäuschen. Und das gelingt mit größeren Ködern gerade über eine gewisse Distanz besser als mit einem Miniaturmodell. Alles unter 15 cm Länge bleibt daher in der Box bis es wieder Hell wird. Keine Angst: Auch Barsch und Zander spielen dabei mit. Wahre Sternstunden können wir mit den so genannten Geräuschwobblern erleben. Also solchen Künstlern, die im Plastikcorpus eine oder mehrere Metallkugeln tragen. Neben der Geräuschkulisse produzieren verschiedene Ausführungen durch den stark schaukelnden Lauf bis in die Rutenspitze wahrnehmbare Vibrationen. Und das sind die echten Joker! Mein persönlicher Favorit ist uneingeschränkt der Supertrap von Bill Lewis. Doch Vorsicht: Weniger ist oft Mehr! An manchen Abenden tun wir gut daran nicht das gesamte Potential der Radaumacher auszuschöpfen. Im Zeitlupentempo eingeholt, sozusagen auf „Leise“ gestellt, sind häufig die besten Ergebnisse zu verzeichnen. Nur in richtig trüber Brühe sollten wir den Lautstärkeregler auf Maximum stellen. Der für Bucktailspinner typische Fellbüschel bietet eine sehr gute Silhouette und die Spinnerblätter sprechen zusätzlich das Seitenlinienorgan der Räuber an. Colorado-Blades erzeugen den meisten Auftrieb und lassen sich daher sehr flach fischen. Zudem produziert diese Blattform die meisten Druckwellen. Schwere Blätter schlagen dabei die Leichtgewichte um Längen. Wer auf den geliebten Gummiköder (Shads und Twister) nicht verzichten möchte, ist mit extrem leichten Bleiköpfen gut beraten. Diese Montagen können wir im seichten Wasser traditionell jiggen oder wir versuchen unser Glück indem wir den Köder einfach in Nähe der Wasseroberfläche einkurbeln. Schleichfahrten im Zeitlupentempo bringen dabei die besten Erfolge. Gut bewährt haben sich auch die immer beliebter werdenden Geräuschkapseln. Dann ist es allerdings erforderlich, dass wir die Köder ruckartig führen, um auch das Potential der Radaumacher zu wecken. Werden Twister und Shads als Jig geführt macht es sich besonders gut, wenn wir diese auch mal kurze Zeit auf dem Gewässerboden liegenlassen und dann erst zur nächsten Flucht ansetzen. Jerkbaits Glider und Diver eignen sich gleichermaßen, um die nächtlichen Fluten unsicher zu machen. Wilde Fluchten sollten jedoch tabu sein. Langsame Köderführung trumpft. Schwimmende Modelle erlauben es uns die in manchen Nächten fangentscheidenden, oberflächennahen Einholpausen einzulegen. Für alle Ködertypen gilt: Parallelwürfe entlang der Uferlinie bringen regelmäßig mehr Erfolg als Distanzwürfe. Nicht zu schnelles Einholen ermöglicht den Räubern ein genaueres Lokalisieren und reduziert Fehlbisse deutlich. Auch in der Nacht müssen wir systematisch vorgehen. Fächerförmiges Abwerfen, beginnend in direkter Ufernähe gewährleistet, dass kein möglicher Standort ausgelassen wird. Ich verzichte lediglich auf die weiten Auswürfe im 90° Winkel zur Uferlinie An Abbruchkanten und Barschbergen gilt zu dieser Uhrzeit: Die oberen Regionen bringen Fisch; am Fuße dieser Erhebungen vertrödeln wir unsere Zeit. Im Freiwasser gibt es keine nennenswerten Unterschiede. Die Musik spielt auch hier im obersten Stockwerk. Lichtquellen, insbesondere auf das Wasser gerichtete Strahler, sind immer ein Hot Spot. Hier gilt die Gleichung Licht = Insekten / Plankton = Kleinfische = Räuber. Besonders spannend wird es hier bei den Übergängen von den erhellten in die unbeleuchteten Gewässerabschnitte, so als wenn die Räuber noch kurz vor dem Verschwinden der Beute ins Dunkel zupacken wollen. allgemeine Tipps: Ich warne davor unbekannte Gewässer erstmalig im Dunkeln zu befischen. Neben den Risiken, die sich für den Angler daraus ergeben, kann dies sehr schnell auch einfach uneffektiv sein. Sackgassen erkennen wir zumeist erst, wenn wir vorzeitig umkehren müssen; Spolperstellen dann, wenn wir auf der Nase liegen. Ohne die Gewässerstruktur zu kennen, laufen wir zudem Gefahr an den Hot Spots vorbeizufischen und viele unnötige Hänger zu provozieren. Besser ist es, sich schon am Tage mit der Örtlichkeit vertraut zu machen. Welche Route nehme ich, wo sind Ausweichstellen? Welche Abschnitte will ich intensiv befischen und welche Wurfrichtungen muss ich meiden? Benutzen Sie nur solches Gerät mit dessen Umgang Sie absolut vertraut sind. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für große Experimente. Nur Köder, dessen Laufeigenschaften Sie kennen, kommen zum Einsatz. Unordnung am Tage ist ärgerlich, in der Nacht verhängnisvoll. Wo ist der Kescher, wo der Hakenlöser? Jetzt muss jeder Handgriff sitzen. Kopflampen leisten gute Dienste, um beide Hände frei zu halten. In der Nacht gilt es in besonderem Maße Ruhe zu bewahren. Sowohl beim Fortbewegen als letztlich auch im Drill. In der Stille der Nacht nehmen die Fische ihre Umwelt besonders intensiv wahr und reagieren sehr sensibel auf ungewöhnliche Geräusche. Vorsicht auch bei vorhandenen Lichtquellen. Durch unbedachte Bewegungen produzieren wir schnell verräterische Schatten und verscheuchen die Fische. Spinnfischen in der Dunkelheit ist nicht jedermanns Sache und es bedarf einer gewissen Vorbereitung den Räubern unter diesen Bedingungen nachzustellen. Genau darin ist der große Vorteil dieser Methode begründet: Es macht halt nicht Jeder! Diejenigen, die den Schritt wagen, werden mit Sicherheit einige angenehme Überraschungen erleben. Extratipp: Beim Fischen in der Dunkelheit erfolgen viele Anbisse direkt vor unseren Füssen. Auch eingefleischte Benutzer von Dyneema-Schnüren sollten unter diesen Umständen mal über den Einsatz von monofilen Leinen nachdenken. Diese federn die ersten wilden Fluchten zuverlässig ab und reduzieren den Fischverlust durch Ausschlitzen auf ein Minimum. Bericht von Jürgen Haese