Kennen Sie das Gefühl? Sie machen Ihre Fliegendose auf und wissen nicht welche Fliege jetzt die fängigste ist? Ich kenne das aus meinen Anfängen. Wie jeder Fliegenfischer, der gerade mit dem Fischen begonnen hat und noch nicht genau weiß, was unter Wasser geschieht, ging ich zuerst in den nächsten Angelladen und stopfte mir die neue Fliegendose voll mit wunderbar und aufwendig gebundenen, glitzernden Mustern. Die Fliegendose quoll über, aber mein Fangerfolg ließ auf sich warten.
Über dieses Problem diskutierte ich vor kurzem mit Freunden. Wir kamen zu dem Schluß, das jeder -auch ich von Zeit zu Zeit- viel zu viele Muster in seiner Dose hat. Ich meine, wenn man sein Gewässer kennt, reichen wenige Muster, mit denen man das ganze Jahr erfolgreich fischen kann. Ich will versuchen diese Meinung zu begründen. Dazu zunächst zur Verdeutlichung ein Beispiel: Eine große Forelle steht ihr ganzes Leben vor Millionen von Entscheidungen. Sie steht an ihrem Standplatz und achtet darauf, was die Strömung auf Sie zu treiben läßt, sowohl über als auch unter Wasser. Ständig werden Nymphen verdriftet oder Insekten stürzen auf die Wasseroberfläche (z.B. bei der Eiablage). Treibt nun etwas Freßbares auf sie zu, muß sie sich entscheiden, ob Sie es frißt oder nicht. Die Forelle vergleicht das „Etwas“ mit den in ihrem kleinen Hirn gespeicherten Informationen und entscheidet blitzschnell zu fressen oder nicht, denn viel Zeit hat sie nicht und schon ist der mögliche „fette Happen“ vorbeigetrieben. Je stärker die Strömung desto schneller geschieht dies. Sie muß Größe, Form (Silouette), Farbe und evtl. die Bewegung des „Etwas“ vergleichen und wenn diese Informationen mit den gespeicherten Daten übereinstimmen, erkennt Sie: Das ist freßbar! Jetzt folgt noch eine letzte Rechnung. Lohnt es sich für die Forelle von ihrem Standplatz aus in aller Eile loszuschwimmen, mühsam gegen die Strömung anzukämpfen und danach wieder auf ihren Standplatz zurückzuschwimmen? Oder ist die Energie, die sie dabei verbraucht größer als die Energie, die ihr diese Mahlzeit einbringt? Geht auch diese Rechnung auf, versucht sie diesen Leckerbissen zu erwischen. Das heißt also, wenn unsere Fliege alle diese Kriterien erfüllt, wird Sie fängig. Kaufen oder binden wir nun ein Muster, das bis auf die Fühlerspitze dem natürlichen Insekt gleicht, müßte man also wie wahnsinnig fangen. Das stimmt auch, wenn gerade ein Massenschlupf von genau diesem Insekt im Gange ist. Doch wie oft sind diese Traumtage im Jahr? Was macht man an all den anderen Tagen, wenn sich nichts tut und man glaubt in unserem Bach wären nur Steine und Wasser? Wie wäre es, ein Muster anzubieten, daß möglichst viele Fischnährtiere gleichzeitig nachahmt? Eine Trockenfliege zum Beispiel, die gleichzeitig eine Köcherfliege und eine Eintagsfliege imitiert. Oder eine Nymphe, die aussieht wie ein Eintagsfliegenaufsteiger und gleichzeitig wie ein kleines Brutfischchen. Man nennt diese Muster Suchfliegen. Sie sind nicht so gut wie das spezielle Muster an dem bestimmten Tag, wie ich es oben bei dem Massenschlupf beschrieben habe, aber Sie fangen immer mindestens einen Fisch. Und das ist doch wunderbar. Es gibt diese Fliegen… und das schon lange! Man denke zum Beispiel an den Palmer, die Unwiderstehliche (Irresistible), die Goldkopfnymphe oder die Adams. Sie alle ahmen kein bestimmtes Insekt nach, sondern sehen mehreren Arten ähnlich und mehr nicht. Der Einsatz dieser Art Fliegen ist völlig einfach. Wenn ich an mein Gewässer komme, versuche ich zunächst darauf zu achten, was denn heute aktiv ist. Sind es kleine olive Märzbraune, wie ich sie letzte Woche gesehen habe, oder sind z.B. im Frühsommer die großen weißen Eintagsfliegen aktiv. Ein kleines Aquariennetz für ein paar Minuten in die Strömung gehalten, hilft bei der Untersuchung der Insekten unter Wasser! Ich versuche zu erkennen, welche der o.g. Kriterien meine Fliege erfüllen muß. Hierzu muß man kein Insektologe sein und nicht den lateinischen Namen der gerade aktiven Art kennen. Es macht zwar Spaß es trotzdem zu wissen, aber es ist nicht nötig. Es reicht, nach der Beobachtung zu wissen, ob die Fliege klein und braun oder groß und schwarz ist. Wie sieht die Siluette der Tiere aus, wenn im oder auf dem Wasser dahintreiben und wie verhalten sie sich dabei. Der nächste Schritt ist aus seiner Dose das entsprechende Muster zu finden, das dieser Art am nächsten kommt. Ein weiterer Vorteil dieser Fliegen ist die meist sehr einfache Bindeweise. Mit Fliegen, die nicht so aufwendig herzustellen sind, fischt man auch risikoreicher. Man hat ja sehr schnell die Dose wieder vollgebunden. Aus diesem Grund fischt man eben auch mal unter den überhängenden Ästen und an der Stelle, wo der versunkene Baum liegt. Die ersten beiden Muster, die auch ich ständig in ausreichender Zahl in meiner Fliegenbox dabei habe, stelle ich im folgenden kurz vor (weitere Muster folgen in den nächsten Wochen): Tom’s Goldkopfnymphe