Das moderne Karpfenangeln ist für viele Angler ein Buch mit sieben Siegeln. Bei der Flut an Informationen aus dem Internet und aus Magazinen verlieren vor allem Neueinsteiger schnell den Überblick. Häufig sind die vielen Tipps und Kniffe sogar widersprüchlich und verwirren mehr als dass sie helfen. Dabei ist der Fang eines Rüsslers gar nicht so schwer. Wenn wir die größten Fehler beim Karpfenangeln vermeiden werden können, sind wir dem Erfolg schon ein großes Stück näher.
1. Fehler beim Karpfenangeln: Stumpfe Haken
Viele Angler zerbrechen sich den Kopf über ihre Montagen. Sie basteln und experimentieren und vergessen dabei doch das Wichtigste: Die Selbsthak-Montage funktioniert nur mit einem absolut scharfen Haken einwandfrei. Die Schärfe des Hakens ist für mich das wichtigste Kriterium meiner Montagen. Alles andere wie Vorfachlänge, Hakenform oder Bleigewicht kommt später.
Du solltest Deine Haken jedoch nicht nur vor dem Angeln überprüfen. Vergiss bitte auch nie, die Schärfe der Haken während des Angelns zu kontrollieren. Muscheln, Steine und andere Unterwasserhindernisse mindern die Schärfe erheblich.
Deshalb gilt: Vor jedem Wurf unbedingt ganz genau anschauen. Im Zweifelsfall rate ich dringend dazu, den Haken auszutauschen. Vom Nachschärfen halte ich nicht viel, denn dafür benötigt man eine Menge Feingefühl und Gründlichkeit, um dies einwandfrei hinzukriegen. Das ist nichts für mich – erst recht nicht am Wasser. Ich wechsle den Haken lieber direkt aus und verwende ein neues (bereits zu Hause vorgebundenes) Vorfach.
2. Mangelnde Flexibilität
Ich wage die Behauptung, dass viele Karpfenangler am Wasser zu faul sind. Sie stecken zwar viel Zeit und Geld in die Vorbereitung ihres Angeltrips und fahren oft hunderte von Kilometern, um sündhaft teure Köder ins Wasser zu werfen. Am Gewässer angekommen, sind sie jedoch nur auf ihren angelegten Futterplatz fixiert und vergessen alles andere um sie herum.
Tipp: Platzwechsel immer offenhalten
Wenn das Zelt steht, erscheint ohnehin alles zu spät. Da können die Fische am anderen Ufer des Sees noch so aufreizend springen – ein Platzwechsel kommt für diese Angler häufig nicht in Frage. Denn dazu war schließlich das Futter zu teuer, und außerdem steht schon das schicke Zwei-Mann-Zelt auf seinem Platz.
Aufmerksam und flexibel am Wasser
Ich versuche am Wasser immer so flexibel wie möglich zu bleiben. Und dazu zählt für mich auch eine Reduzierung des Angelgerätes auf ein Minimum. Nur so bin ich in der Lage, schnell und flexibel auf das aktuelle Verhalten der Fische zu reagieren. Ich bin mir auch nicht zu schade, den Angelplatz zwei oder drei Mal am Tag zu wechseln, wenn es die Bedingungen erfordern.
Natürlich ist das Ganze auch immer eine Gradwanderung und man muss aufpassen, nicht in blinden Aktionismus zu verfallen. Steckt jedoch ein wohldurchdachter Plan hinter meinen Handlungen, halte ich diese Art des Angelns für wesentlich produktiver als das sture Ausharren auf einem (derzeit offensichtlich) unproduktiven Platz.
3. Fehler beim Karpfenangeln ist, Wesentliches zu vernachlässigen
Ich kenne einige Angler, die in der Lage sind, ganze Katalogseiten renommierter Angelfirmen auswendig aufzusagen. Sie verbringen Tage mit der Auswahl ihres Geräts, rennen jedem Trend hinterher und benötigen immer das neueste (und vermeintlich beste) Material. Am Wasser wird das schwere und teure Rod Pod als Statussymbol in einer aufwendigen Prozedur mühsam errichtet. Die frisch geputzten Ruten werden akkurat ausgerichtet und abgelegt. Das Rig wurde in tagelanger Heimarbeit mühsam gebunden und landet dann schlussendlich doch auf einem völlig unproduktiven Spot.
Punktum: Viele Angler verbringen zu viel Zeit mit Unwichtigem. Und sie vergessen dabei das Wesentliche: Den Aufenthaltsort der Fische zu lokaliseren, vernünftige Köder und zweckmäßiges Angelgerät zu verwenden. Dazu zählen für mich insbesondere abriebfeste Schnüre und Vorfachmaterialien. Wer Spaß an „Tackle-Fetischismus“ hat, der sollte diesen ruhig ausleben. Mehr Fische wird er aber dadurch nicht fangen!
4. Fehler beim Karpfenangeln: Zuviel Futter
Futter ist Macht – zu viel Futter macht viel kaputt! Wenn im zeitigen Frühjahr die ersten warmen Sonnenstrahlen die Angler aus ihrem Winterlager locken, sind viele von ihnen häufig übermotiviert. Auch wenn es über Wasser schon nach Frühling riecht – unter der Wasseroberfläche herrscht häufig noch Winter. Und da sind große Futtermengen völlig fehl am Platz.
Ein einzelner Neon-Pop-Up, gerne mit ein paar Pellets oder Boilies beigefüttert, ist da die bessere Wahl, als unbedarft etliche Kilogramm Futter ins Wasser zu katapultieren. Mit steigender Wassertemperatur darf man die Futtermenge erhöhen – ohne dabei den Fischbestand, die Gewässergröße und das Futter der Mitangler außer Acht zu lassen. Große Futtermengen können zu spektakulären Fängen führen. Zur falschen Zeit oder in falschen Händen macht man damit aber häufig mehr kaputt.
5. Ungenaue Würfe
Beim Karpfenangeln benutze ich nur selten ein Boot. In mehr als 90 Prozent werfe ich die Köder vom Ufer aus. Und hierbei ist für mich das Ankommen des Bleies am Gewässergrund ein immens wichtiger Punkt. Dieses „Andocken“ am Grund verrät mir unheimlich viel über die Lage meines Köders und die Beschaffenheit des Gewässergrundes. Und es beeinflusst meine Zuversicht in den Angeltag in gravierendem Maße.
Gerade in Gewässern mit hohem Krautaufkommen, Algen oder ähnlichen Hindernissen ist eine „saubere“ Ablage am Gewässergrund fangentscheidend. Natürlich kann auch ein mitten im Kraut steckender Köder Fische fangen. Für mein Selbstvertrauen ist eine solche Situation aber völlig inakzeptabel.
Von daher versuche ich, während des Auswerfens der Rute immer die Kontrolle über mein Blei zu behalten. Zum einen meine ich damit ein visuelles Begleiten der Montage während des Wurfs. Oft kann man hierbei gut erkennen, ob die Montage verwicklungsfrei ausgeworfen wurde. Zum anderen aber auch den Moment des Aufprallens an der Wasseroberfläche. Um den Kontakt hierbei nicht zu verlieren, lasse ich das Blei an erhobener Rute und straffer Schnur absinken.
Erwartungsfroh warte ich auf diesen einen Moment: das Ankommen des Bleis am Gewässerboden. Mit etwas Erfahrung lässt sich wunderbar fühlen, wie und auf welchem Untergrund unsere Montage liegt.
6. Fehler beim Karpfenangeln: Große Zweifel
Wer zweifelt, hat schon verloren. Ich bin davon überzeugt, dass jeder erfolgreiche Karpfenangler über eine gehörige Portion Selbstbewusstsein verfügt. Nichts ist schlimmer als ein an allem zweifelnder, unsicherer Angler. Dauerhaftes Ein- und Auswerfen und sinnloser Köder- und Montagenwechsel sind die Folgen. Dadurch entsteht viel Unruhe am Angelplatz. Und die mögen Karpfen gar nicht.
Von daher verzichte ich gerade an neuen oder dünn besetzen Gewässern auf unnötige Experimente. Bei meinen Montagen greife ich auf Altbewährtes zurück. Ultrakomplizierte Montagen sind an keinem Gewässer der Welt notwendig.
7. Last but not least: Mangelnde Leidensfähigkeit
Es ist die wichtigste Eigenschaft des Karpfenanglers: Er muss leidensfähig sein – sei es beim Ausharren unter unwirtlichen Bedingungen am Wasser, dem schweißtreibenden Anmarsch zum weit entfernten Angelplatz oder der kurzen Nacht in der Woche, um dann am frühen Morgen vor der Arbeit einzupacken.
All das kostet Kraft, wird aber auf Dauer belohnt. Ich könnte jede Menge Beispiele aufzeigen, bei denen Leidensfähigkeit in erheblichem Maße zum Erfolg beigetragen hat. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ein bequemer Angler wird seine Fische fangen, mit entsprechend hohem Zeitaufwand sowieso.
Ich bin davon überzeugt, dass ein Angler, der mehr Mühen auf sich nimmt und mehr Einsatz zeigt als andere, langfristig erfolgreicher sein wird. „Je mehr du gibst, desto mehr bekommst du.“ Während ich bei der Futterfrage dieses Sprichwort nur bedingt stehen lassen würde, gilt es hier vorbehaltlos.
Aber bei allem Ehrgeiz, der uns gepackt hat, sollten wir immer bedenken: Angeln ist ein Hobby, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe viele Angler gesehen, die bei der Jagd nach Karpfen die größte aller Sünden begangen haben: Sie haben ihren Spaß und die Freude am Fischen verloren!