Ende Juli 2018: Ein übler Verwesungsgeruch liegt über dem malerischem Fischerort Greetsiel. Der Grund: Tausende verendeter Brassen, Zander und Karpfen, ein Fischsterben über das deutschlandweit in den Medien berichtet wurde.Offensichtlich war es zu einer Übersalzung des Gewässers infolge ausbleibenden Süßwasserzustroms über das Schöpfwerk Leybuchtsiel bei Norden und dem Schöpfwerk Greetsiel gekommen. Seit etwa Mitte März hatte es nicht ausreichend geregnet, sodass seitens der Entwässerungsverbände auch keine Entwässerung des Binnenlandes über die Schöpfwerke notwendig war.
Fischsterben bei Greetsiel durch Salzwassereinbruch
Irgendwann war dann wohl die Salztoleranz der eigentlich an Brackwasserbedingungen angepassten Fischarten überschritten. So erklärte es schon im Sommer Dr. Thomas Klefoth, leitender Biologe des Anglerverbandes Niedersachsen.
Parallel zu den bereits verendeten Fischen hatten sich tausende noch lebender Fische vor dem alten Sieltor im Ortskern Greetsiel , offensichtlich angelockt durch einen kleinen Süßwasserstrom, welcher durch das nicht komplett schließende Sieltor plätscherte, eingefunden und wurden hier von den Anglern des Fischereivereins Greetsiel und des Bezirksfischereiverbandes für Ostfriesland (BVO), unter Beteiligung zahlreicher Gäste, abgefischt und mittels einer Menschenkette in das nicht betroffene Neue Greetsieler Sieltief, jenseits des Sieltores, umgesetzt.
Entgegen anderslautenden Berichten in der Presse, wenige Wochen nach dem katastrophalen Fischsterben, hat sich der Fischbestand im Greetsieler Hafen und in den angeschlossen Gewässern nicht erholt. Auch die für das Fischsterben verantwortlichen Salzkonzentrationen sind immer noch deutlich erhöht. Das ergab jetzt eine groß angelegte Probebefischung des BVO und des Fischereivereins Greetsiel.
Um ein fundiertes Ergebnis zu bekommen hatten sich diese beiden Vereine unter Leitung von Hilko Nieland (BVO) und Heiner Kruse (Fischereiverein Greetsiel) erneut wissenschaftliche Unterstützung beim Anglerverband Niedersachsen geholt. Dr. Thomas Klefoth, Biologe des größten Naturschutzverbandes Niedersachsens, leitete an zwei Tagen die Befischung und nahm über 100 Wasserproben an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Tiefen des Gewässers. Rund 30 Hobbyangler des Fischereivereins und des BVO unterstützen den Biologen bei seiner Arbeit.
Fischkutter im Süßwasser
Die nun durchgeführte Untersuchung war wohl ebenso spektakulär wie die Fischrettungsaktion im Sommer. Neben den üblichen Stellnetzen kam auch ein Fischkutter zum Einsatz. In einem Binnengewässer dürfte das einmalig sein. Dr. Thomas Klefoth selbst postierte in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember, mit Hilfe der Hobbyangler, an zwölf verschiedenen Punkten auf dem Boden aufliegende Multimaschen-Kiemennetze wie sie auch in der Wissenschaft verwendet werden. So sollte möglichst standardisiert und repräsentativ die Fischartenzusammensetzung der Gewässer in Greetsiel erhoben werden.
Die gefangenen Fische wurden von den zahlreichen sachkundigen Anglern vor Ort bestimmt, gezählt und gewogen. Parallel zur Stellnetzfischerei wurden die Temperatur sowie der Salzgehalt im gesamten Gewässer und in allen Tiefen gemessen. Für die Hobbyangler wie auch für den Biologen gleichermaßen spektakulär war dann das Ergebnis. Verglichen mit den Anglerfängen vergangener Jahre hat sich die Artenzusammensetzung des Gewässers binnen weniger Monate komplett verändert.
Waren vor dem Sterben noch Süßwasserfischarten wie Brassen, Rotaugen, Zander, Hecht und Barsch dominierend vorhanden, so sind es jetzt marine Arten (Salzwasserfische), allen voran die sogenannte Nordseesprotte, die im norddeutschen Raum auch unter dem Namen „Blicksche“ bekannt ist. Von den zuvor genannten Fischarten, die in den vergangenen Jahren tausendfach erbeutet wurden, sind nur noch Einzeltiere im Gewässer verblieben. Es ist nahezu ein Totalverlust zu beklagen.
Verhaltener Optimismus
Zur möglichen Entwicklung des Gewässers äußerte sich Klefoth in einem Gespräch mit Eric Jibben, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im BVO, verhalten optimistisch. Mit den Niederschlägen im November/Dezember 2018, ersten Sielvorgängen und einem kleinen aber kontinuierlichen Süßwassereinstrom aus dem Norder Tief haben sich die Salzgehalte bereits leicht reduziert. Dieser Prozess wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen sofern sich die Niederschlagsmengen nicht erneut weit unterhalb der üblichen Werte bewegen.
Dies ist die Voraussetzung für einen natürlichen Wiederaufbau der Fischbestände, denn insbesondere Jungfische der ortsüblichen Arten sind deutlich weniger tolerant gegenüber hohen Salzgehalten als die Elterntiere. Und bis ein Zander geschlechtsreif wird vergehen bis zu drei Jahre, so der Biologe. Wenn alles gut läuft, erholt sich der Bestand in etwa 7 bis 10 Jahren so Klefoth. Eine fischereiliche Nutzung kann wohl auch früher wieder einsetzen.
Gewässer auch in Zukunft anfällig
Das Gewässersystem besteht in dieser Form seit etwa 30 Jahren und in dieser Zeit ist alles gut gegangen. Auf die Frage was passiert, wenn wir innerhalb der Wiederaufbauphase des Fischbestandes erneut eine derartige Dürre bekommen, antwortete Klefoth eindeutig: „Man kann eine solche Katastrophe auch in Zukunft nicht verhindern.“
Heiner Kruse vom Fischereiverein Greetsiel brachte die Möglichkeit ins Spiel, man könne das Salzwasser aus der Schleusenkammer nach einem Schleusenvorgang mechanisch zurück ins Meer pumpen. So würden es bereits die Holländer bei vergleichbaren Gewässersystemen machen. Ob dieser Aufwand auch finanziell realisierbar ist, wissen die beiden Fachleute nicht. In welchem Ausmaß die Schleuse überhaupt zum Salzeintrag, neben den zuvor erwähnten witterungsbedingten Ursachen beigetragen hat, ist derzeit nicht belegbar. „Jeder tote Fisch tut mir aber in der Seele weh. Was wir hier im Sommer erleben mussten, ist das Schlimmste, was ich in meinem Anglerleben gesehen habe”, so Kruse abschließend“.
Arbeitskreis für Fischsterben bei Greetsiel
Hilko Nieland, erster Gewässerwart im BVO, wiederholte seine Forderung nach Einrichtung eines Arbeitskreises aller beteiligten Organisationen, der Verbände und der Politik. Die letztendliche Ursache des so dramatischen Anstiegs des Salzgehaltes ist nicht abschließend geklärt. „Es kann doch niemand wollen, dass diese Frage ungeklärt im Raum stehen bleibt“, so Nieland.
„Die Anglervereine sind nur Pächter des Fischereirechtes. Trotzdem haben wir sofort gehandelt und sind bereit dies jederzeit wieder zu machen. Mit vielen Verantwortlichen klappte die Zusammenarbeit sehr gut und wir fühlten uns ernst genommen und freuten uns, dass die ehrenamtliche Arbeit angenommen wurde. Auf einigen Ebenen gibt es aber noch Verbesserungsbedarf. Wir können aus der Katastrophe nur lernen und hoffen, dass wir beim nächsten Mal noch mehr Fische retten. Dies sollte doch der Wille eines jeden Verantwortlichen in einer vom Tourismus lebenden Region sein”.
So äußert sich Dr. Thomas Klefoth zur Situation der Gewässer um Greetsiel: