Vor 70 Jahren gründete Hanns Balzer sein Unternehmen und verkaufte im Nachkriegsdeutschland anfangs Mitchellrollen an die amerikanischen Besatzer. In den 50er Jahren sorgten unter anderem international anerkannte Marken wie Mepps, Platil, Mitchell und Daiwa für den Durchbruch der Firma. Schnell erwarb sich Balzer mit überzeugenden Produkten, einem absolut zuverlässigen Service und einem Vertrieb über den Fachhandel einen ausgezeichneten Ruf. Heute gibt es wohl kaum noch einen Angler in Deutschland, der kein Produkt des Unternehmens aus dem hessischen Lauterbach sein Eigen nennt.
Der Standort zeigte schnell seine verkehrsgünstige Lage, liegt Lauterbach doch nach der Wiedervereinigung in der geographischen Mitte eines vereinigten Europas! Aufgrund des starken Wachstums in den 90er Jahren wurde ein neuer Standort in Wartenberg-Angersbach nur für den Angelgeräte-Sektor errichtet. Mit weit über 3000 Quadratmeter Lagerfläche hat Balzer somit ideale Voraussetzungen für reibungslose Betriebsabläufe geschaffen. Und dass die Firma immer noch ein Unternehmen in Familienbesitz ist, verdanken die Mitarbeiter Dieter Balzer, der bereits 1982 in die Geschäftsleitung eintrat, diese 1989 übernahm und bis heute alleine führt. In unserem großen Balzer-Interview haben wir Dieter einmal ausführlich ausgefragt.
70 Jahre Balzer – Eine Geschichte die bewegt
Blinker: Herr Balzer, Ihr Vater hat das Unternehmen 1949 gegründet. Wie ist er auf die Idee gekommen, gerade in der Nachkriegszeit eine Firma ins Leben zu rufen, die Angelgeräte verkaufen wollte?
Dieter Balzer: Mein Vater begann ursprünglich mit dem Vertrieb von Benzin-Feuerzeugen der Firma IMCO aus Wien. Feuerzeuge waren in der Nachkriegszeit zolltechnisch als Waffen deklariert und durften nicht über die Besatzungsgrenzen hinweg transportiert werden, daher waren sie Mangelware.
Mein Vater kaufte nur Ersatzteile und hat diese dann in München zu Feuerzeugen zusammengebaut. Zu Angelgeräten kam mein Vater über die in Deutschland stationierten amerikanischen GIs, die Möglichkeiten suchten, Angeln zu gehen. Über den Mitchell-Vertreter in der Schweiz konnte mein Vater Mitchell-Angelgeräte – damals der größte Anbieter weltweit – importieren und verkaufte diese über die „Rod and Gun Clubs” in den amerikanischen Kasernen. Später kam dann der Kontakt direkt zu Mitchell Frankreich zustande und die Belieferung erfolgte direkt aus Frankreich.
Blinker: Ihr Firmenlogo ist ein Auerhahn. Passt der nicht eher zu einem Jagdausrüster?
Dieter Balzer: Der Auerhahn ist symbolisch zu sehen: Während der Paarungszeit balzt er um die Gunst des Weibchens. Die Buchstabengleichheit hat dann meinen Vater dazu gebracht, dieses Logo zu verwenden. Im Übrigen balzt Balzer auch heute noch um die Gunst der Angler!
Blinker: Noch heute ist der „Balzer-Turnier-Service”, eine Art „Erste-Hilfe-Maßnahme” bei Angelveranstaltungen, bei älteren Anglern beliebt. Warum wurde dieser einmalige Service eingestellt?
Dieter Balzer: In der Zeit, als der „Balzer-Turnier-Service” ins Leben gerufen wurde, waren Wettfischen an der Tagesordnung. Das Problem der Veranstalter war in vielen Fällen die Kommunikation mit den Teilnehmern, da ja auch auf einer langen Strecke gefischt wurde. Die Balzer-Mitarbeiter betreuten die Turniere ausgerüstet mit VW- Kombis und Lautsprechern auf dem Dach, sodass die Veranstalter eine bessere Kommunikation mit den Teilnehmern herstellen konnten. Im Übrigen wurden dort auch kleinere Reparaturen am Angelgerät vor Ort durchgeführt.
Blinker: In den 70er Jahren hat Ihre Firma viele namhafte Firmen (Daiwa, Mepps, Mitchell oder Platil) vertreten. Warum hat man sich von diesen Marken getrennt?
Dieter Balzer: In der frühen Nachkriegszeit war es wesentlich einfacher, sich internationaler Marken zu bedienen und relativ schnell ein breites Sortiment aufzubauen, um die hohe Nachfrage schneller bedienen zu können. In den 80er Jahren hatten wir dann Sorge, dass die ein oder andere internationale Marke sich für andere Vertriebswege entscheidet und wir so in ein wirtschaftliches Problem kommen könnten. Daher haben wir die Eigenmarke stark fokussiert und uns Ende der 80er Jahre von den Fremdmarken getrennt. Heute besteht das Sortiment zu 95 Prozent aus Eigenmarken.
Blinker: Balzer steht heute nicht nur für qualitativ hochwertige Produkte: Immer wieder werden von Fachhändlern ihre Lieferfähigkeit und die Kulanz bei Reklamationen und Reparaturen gelobt und sogar mit Preisen geehrt. Gehören diese Dinge zu Ihrer Firmenphilosophie?
Dieter Balzer: Eine partnerschaftliche Geschäftsbeziehung zum Handel, Fachhandelstreue, Zuverlässigkeit und das Helfen beim Lösen von Problemen stehen im Balzer-Leitbild an oberster Stelle. Diese Leitsätze stehen nicht nur auf dem Papier, sondern werden auch von allen Balzer-Mitarbeitern gelebt. Eine hohe Lieferfähigkeit und die Einführung der Liefergarantie für einige Artikel demonstrieren unsere Stärke und stützen den Handel.
Blinker: Dazu gehört sicherlich auch die Aktion „Fischers Fritz braucht keine Drogen“, die ja bereits Ende des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde und sich an Eltern, Lehrer und Jugendliche wendet. Sind zukünftig weitere Aktionen geplant?
Dieter Balzer: Balzer engagiert sich nach wie vor stark im Jugendbereich, unterstützt Vereine und Jugendgruppen, begleitet mit Teamanglern zahlreiche Angelevents, richtet selbst Angelevents mit Vereinen aus und sorgt somit durch ein starkes soziales Engagement dafür, dass Kindern und Jugendlichen Alternativen für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung gegeben werden, getreu dem Motto: „Wer schon in jungen Jahren lernt, sich in der Natur zurechtzufinden, der wird sich auch im Leben zurechtfinden. Geben Sie Ihrem Kind ein Ziel, einen Wert, eine Angelrute und dem Dealer keine Chance.“
Blinker: Sie haben über 8.000 Artikel in ihrem aktuellen Sortiment. Verlieren Sie bei dieser Vielzahl von Produkten nicht irgendwann einmal den Überblick? Und wie schaffen Sie es, immer wieder Trends zu entwickeln?
Dieter Balzer: Die Anforderungen des Marktes nach immer spezielleren Produkten, neue Angelmethoden und Trends, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, verlangen eine ständige Programmentwicklung und –anpassung sowie eine Ausweitung der Sortimentsbreite und -tiefe. Zahlreiche Teamangler versorgen uns immer mit neuen Ideen, die wir zeitnah umsetzen, um das Angeln noch erfolgreicher und einfacher zu machen.
Blinker: Werden erfolgreiche Eigenmarken wie zum Beispiel die Meeresserie „71 Grad Nord”, das Forellenprogramm „Trout Attack“ oder die Feederserie „Feedermaster”, um nur einige wenige zu nennen, weiter ausgebaut?
Dieter Balzer: Die genannten Serien sind echte Markenartikel, die langfristig angelegt sind und die permanent gepflegt und optimiert werden sowie einen hohen Bekanntheitsgrad und Stellenwert am Markt besitzen.Im Herbst werden wir ein komplett neues Welsprogramm auf den Markt bringen: „Adrenalin C@t“. Dieses Programm ist mit echten Profis gemeinsam entwickelt worden und wird seinen Platz im Markt erobern.
Blinker: Balzer vertreibt exklusiv Owner-Haken in Deutschland. Eigentlich setzen Sie doch ausschließlich auf Eigenmarken. Warum machen Sie bei den japanischen Qualitätshaken eine Ausnahme?
Dieter Balzer: Die Marke hat uns gefallen. Owner besitzt ebenfalls eine lange Tradition, ist wie Balzer im Familienbesitz, hat einen sehr hohen Qualitätsanspruch und gehört weltweit zu den Premiumherstellern im Hakensegment. Owner hat in den letzten Jahren stark in die Modernisierung der Produktion investiert und damit seine Qualitätsführerschaft weiter ausgebaut. Owner ist für Vorschläge der Weiterentwicklung des Sortiments stets offen, sodass wir von einer echten Partnerschaft sprechen können.
Blinker: Sie leiten nun seit 1989 die Geschicke Ihres Unternehmens. Haben Sie schon einmal dran gedacht, sich auf Ihr Altenteil zurückzuziehen?
Dieter Balzer: Darüber nachgedacht habe ich natürlich schon und in jungen Jahren hatte ich einmal vor, mit 55 Jahren aufzuhören. Heute bin ich froh, dass ich das nicht gemacht habe. Mir macht die Führung des Unternehmens Freude und ich empfinde keine Belastung dabei. Ganz wichtig, ich habe viele gute engagierte Mitarbeiter, die auch Verantwortung übernehmen, dadurch gewinne ich auch mehr Zeit für mich persönlich.
Blinker: Was können die Leser zukünftig von Balzer an Highlights erwarten? Können Sie uns heute schon einen kleinen Ausblick über einige Produkt-Highlights für 2020/21 geben?
Dieter Balzer: Grundsätzlich ist es so, dass wir erkannte Verbesserungsmöglichkeiten auch gleich in die Produkte einfließen lassen. Die Japaner nennen das „Kaizen”. Speziell für unser Jubiläum haben wir die Spinnrutenserie „Jubilee Edition“ entwickelt, die auch ab sofort im Fachhandel erhältlich ist. Erwähnt hatte ich bereits das „Adrenalin C@t”- Welsprogramm: ein Komplettprogramm bestehend aus Rollen, Ruten und natürlich viel Zubehör. Unter Shirasu haben wir eines der modernsten und innovativsten Raubfischprogramme, in das jährlich neue Köder aufgenommen werden. Von unseren Teamanglern entwickelt, mit eigenen Formen gebaut! In diesem Bereich benutzen wir auch eine neue 3-D-Drucktechnik, die den Markt deutlich verändert hat.
Blinker: Und was würde Ihr Vater heute wohl über Balzer als Angelgerätefirma sagen?
Dieter Balzer: Mein Vater wäre sicherlich stolz darauf, dass die Firma in seinem Sinne fortgeführt wurde und durch kontinuierliche Verbesserungen von Strukturen, Prozessen und Produkten weiterhin zu den erfolgreichsten deutschen Angelgerätefirmen gehört.
Wie bei meinem Vater auch, sind mir alle Mitarbeiter wichtig, damals wie heute suche ich die persönliche Kommunikation zu meinen Mitarbeitern und praktiziere einen kooperativen Führungsstil, der meinen Mitarbeitern auch genug Freiraum für die persönliche Entwicklung lässt. Aus diesem Miteinander entstehen immer wieder eine Vielzahl an Verbesserungsvorschlägen deren Umsetzung auch zum Unternehmenserfolg beiträgt.
Blinker: Vielen Dank Herr Balzer für das Gespräch und herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag Ihres Unternehmens.