Riesige Fische beim Angeln am Nassersee
Zum zweiten Mal tuckern wir vor der Spitze der kleinen Halbinsel entlang. Das Echolot hat uns einen kleinen Trupp Barsche angezeigt, die in etwa 6 bis 8 Meter Tiefe vor der Halbinsel herumlungern. Unsere schwer bewaffneten „Depth Raider“-Wobbler im Schlepp müssten nun durch ihre Mitte pflügen. Pflügen ist der richtige Begriff, denn der Bodenkontakt ihrer Tauchschaufeln ruckt mächtig in unseren Ruten. Doch das ist gut so! Das mögen die Nilbarsche!
Und schon reißt es mir die Rute krumm: Kein Hänger, kein Bodenkontakt – ein Fisch hängt! Während die meisten Nilbarsche erst im letzten Drillviertel zu springen beginnen, steigt dieser hier gleich in die Luft. Mit dem Anlauf aus der Tiefe schleudert der Brocken sich hoch aus dem Wasser! Obwohl er das 30 Meter hinter dem Boot macht, können wir die schweren Sprengringe und Drillinge des Wobblers klappern hören, trotz des im Leerlauf tuckernden Zweitakt-Außenborders!
Groß ist der Bursche mit seinen geschätzten 10 Kilo nicht gerade. Die stattlichsten Nilbarsche brachten über 170 Kilo auf die Waage! Die letzten vier IGFA-Weltrekorde dieser Art (Lates niloticus) lieferten Fischer beim Angeln am Nassersee, Zeichen dafür, dass er in Afrika eine gute Adresse für besonders große Exemplare ist. Deswegen ist bei jedem Fischkontakt der Traum von einem unvergesslichen Barschriesen erlaubt …
„Kühlschranktür“ im Drill
Doch von einem Riesen brauche ich jetzt nicht zu träumen, denn mein aktuell gehakter Fisch hat sich durch seinen Sprung schon als Jungtier geoutet. So will ich diesen Fisch an der schweren Rute so schnell wie möglich herankurbeln. Zumindest habe ich das vor.
Doch irgendwie scheint das nicht so recht klappen. Komisch. Was ist nur los? Warum fühlt sich nun am Rutenende alles so unendlich schwer an? Warum liegt der Barsch nicht schon längst neben dem Boot, bereit zur Landung? Sollte er sich in einer alten Legleine in den Tiefen des Sees verfangen haben? Nein, das scheint auch nicht der Fall zu sein, dazu macht der Fisch zu viel Strecke: Wir müssen ihn mit dem Boot begleiten! Auch senkrecht über ihm gelingt es mir nicht, ihn zur Oberfläche zu zwingen. Geduld ist angesagt – auch wenn das im Eifer des Gefechts keineswegs leicht zu beherzigen ist …
Die Sahara-Sonne treibt mir den Schweiß auf die Stirn, der schließlich brennend seinen Weg in die Augen findet. Über 20 Minuten zieht sich der Drill schon, behäbig zieht der Fisch in 12 Meter Tiefe seine Kreise. Weil er das direkt unter uns tut, erfasst ihn schließlich unser Echolot: Was wir auf dem Bildschirm erkennen, sieht jedoch nicht nach einem 10-Kilo-Barsch aus! Da bewegt sich etwas Riesiges unter uns!
Noch einige lange Minuten Drill und plötzlich blitzt in drei oder vier Metern Tiefe eine gewaltige Flanke im klaren Nilwasser unter dem Boot auf, groß wie eine Kühlschranktür! Zu was für einem Monster ist der gehakte Barsch mutiert! Was ist das für ein Riese, der sich nun zeigt: Das ist der monumentalste Barsch, der mir je zu Gesicht gekommen ist! Dieser Riese hat sich meinen 10-Kilo-Barsch im Drill geschnappt! Was für eine Überraschung!
Schnell sichern wir den Koloss an einem soliden Tau am Boot und steuern eine nahe gelegene Insel an. Im Wasser stehend hängen wir ihn in einem gewaltigen Wiegesack verpackt an unsere Zugwaage: Er ist 82 Kilo schwer und 1,70 Meter lang, dabei an den Schultern fast 80 Zentimeter hoch! Das war meine dritte Reise zum Angeln am Nassersee und nach etlichen Exemplaren bis etwa 50 Kilo mein erster wirklich großer Nilbarsch …
Bis zu sieben Hundertpfünder beim Angeln am Nassersee
Das war 2002. Seitdem habe ich über ein Jahr meines Lebens auf diesem See verbracht, wenn ich alle Safaris zusammenrechne. Immer war der Lake Nasser für Überraschungen gut: Wir hatten beim Angeln am Nassersee Tage mit über 30 Nilbarschen und Tage mit bis zu sieben Fischen über 100 Pfund! Ich habe dort Momente erlebt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde – nicht nur mit den Fischen, sondern auch mit den Fischern, den Grabräubern, den Schmugglern, den Wilderern, den riesigen Waranen und den mächtigen Krokodilen dieser wüsten Gegend zwischen Ägypten und dem Sudan.
Anglerisch haben mich die Nilbarsche immer wieder an die Heimat erinnert, denn sie sind in ihrem Verhalten unseren Barschen doch sehr ähnlich: Sie leben in Gruppen und sind unsagbar neugierig! Im Drill ist es nicht selten, den gedrillten Fisch von einem Trupp Artgenossen begleitet zu sehen – bloß, dass unter den Begleitern regelmäßig Brocken sind, für die die Beschreibung „Weinfass“ am besten passt. Oder „Büffel“, wie die nubischen Fischer hier die Exemplare von über 50 Kilo bezeichnen. Betrachtet man den See, so findet man die Nilbarsche beim Angeln am Nasser-See genau dort, wo man unsere Flussbarsche auch suchen würde.
Nilbarsche sind also fast wie unsere Flussbarsche, allerdings im XXXL-Format. Der einzige Unterschied ist ihre Größe und der Umstand, dass sie auch noch springen – was uns keineswegs missfällt, auch wenn uns bei einem springenden Riesenbarsch das Herz immer wieder bis in die Hosentasche abrutscht. Zu oft kommen sie mit derlei Spielchen vom Haken ab, ganz besonders, weil sie es nicht lassen können, sich im Sprung auch noch wild zu schütteln. Und weil sie das gerne gegen Drillende unmittelbar am Boot machen, ist die Gefahr für den Angler groß, dabei einen schwerbewaffneten Großwobbler ins Gesicht geknallt zu bekommen.
Alle Techniken fangen
So, wie unsere Flussbarsche nicht nur für das Schleppfischen anfällig sind, so ist das auch bei ihren afrikanischen Verwandten der Fall. Alle erdenklichen Raubfischtechniken sind zum Fang von Nilbarschen geeignet! Anders als etwa Zander stehen sie auch gerne an der Wasseroberfläche, zumindest dann, wenn das Wasser nach dem Saharawinter wieder über 24°C erreicht hat. Dann ist sogar ein gezieltes Fliegenfischen in unmittelbarer Oberflächennähe auf diese Uriane möglich.
Mir ist es jedoch am liebsten, die Nilbarsch-Ansammlungen über das Schleppfischen mit Hilfe unserer Echolote zu suchen, diese Stellen entweder mit einem Marker oder/und mit GPS zu markieren und die Nilbarsche daraufhin mit der Spinnrute zu ärgern. Das klappt sehr gut mit überdimensionalen Weichplastikködern und Köderfischsystemen, aber auch mit lebenden Köderfischen. Grundsätzlich funktioniert diese Technik hervorragend, denn dann fehlt nämlich die Scheuchwirkung des Bootes, das beim Schleppen ansonsten mehrfach über sie hinweg fahren würde.
Problematisch ist jedoch immer wieder der Umstand, dass diese Tiere so außerordentlich neugierig sind. Zu gerne folgen sie ihren gedrillten Artgenossen! Das tun sie so rege, dass wir des Öfteren nach nur wenigen Fischen aufgeben mussten: Am Einstand war nämlich kein Barsch mehr, alle hatten sich um unser Boot versammelt! Mit ihren großen Brustflossen fächernd scheinen sie uns dort anzugrinsen. Denn an den Haken bekommt man diese Nachläufer nicht mehr. Aber ist das bei unseren Flussbarschen nicht manchmal ebenso?
Rückgang der Fänge beim Angeln am Nassersee
Schade ist, dass wir heute viel weniger fangen als früher. Noch sind echte Barschriesen da, allerdings scheint der Bestand insgesamt viel dünner geworden zu sein. Über die genauen Ursachen kann man nur spekulieren, immerhin ist dieser See mit seiner gewaltigen Ausdehnung ein sehr komplexes Biotop, das nicht einfach zu verstehen ist.
Dass die Fänge zurückgegangen sind, ist jedoch leider ein unübersehbarer Fakt – ebenso, wie das allmähliche Verschwinden der Krokodilriesen, die ich anlässlich meiner ersten Touren an den Nil so bewundert habe. Ihnen ist die Wilderei zum Verhängnis geworden, so wie die rege Jagd, die die Familie von Mubarak und einige hohe Militärs auf sie ausgeübt haben. Der Nassersee reiht sich damit leider in die Reihe all jener Biotope ein, deren natürlicher Reichtum schwindet. Noch besuche ich diesen See sehr gern, aber wer weiß, ob das für meine Kinder noch interessant sein wird…
Barsche und Beifänge
Hauptfutterfisch der Nilbarsche sind Tilapias, eine Buntbarschart. Daneben können Vundu- und Clarias-Welse an den Naturköder gehen. Tigerfische mit ihrem respekterregenden Gebiss sind ebenfalls mit von der Partie. Ein putziger Zeitgenosse ist der Nil-Kugelfisch, immerhin die zweitgrößte Kugelfischart der Welt, die im Süßwasser lebt. Vorsicht: Diese Kugelfische sehen zwar niedlich aus, haben brutale „Papageischnäbel“ mit je zwei messerscharfen „Nage“-Zähnen in Ober- und Unterkiefer.
Mögliche Beifänge sind:
Verstand einschalten!
Die Sahara ist kein Spielplatz! So traumhaft schön die Natur dort ist, so tödlich gefährlich kann sie sein. Nilkrokodile sind die eine Gefahr, giftige Schlagen wie die Wüstenhornviper und Avicennaviper die andere. Der dritte gefährliche Wüstenbewohner ist der Sahara-Dickschwanz-Skorpion, der als der weltweit giftigste Skorpion überhaupt gilt. Er wird jährlich für mehrere Todesfälle verantwortlich gemacht. Daher sollte man sich nicht unvorsichtig in gefährliche Situationen begeben. Insbesondere gilt das für das Berühren potentiell giftiger oder gefährlicher Tiere.