Mit dem Ausspruch „Das ist ja ein toller Hecht“ beurteilt man heutzutage eine außergewöhnliche Begabung, Schönheit, ein soziales oder draufgängerisches, mutiges Engagement eines Menschen. Etwas, das positiv aus dem Rahmen fällt. Das war aber nicht immer so. Im Mittelalter, und bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein, hatte dieser Spruch eher eine negative Bedeutung – zumindest in Bezug zu einer Person. Der Hecht war schon zu dieser Zeit als effektiver, erbarmungsloser, gieriger Räuber bekannt. Dieser Ausdruck machte damals also eher auf einen räuberischen, andere Leute ausplündernden Menschen aufmerksam. Was verrät uns ein Tauchgang in unsere heimische Unterwasserwelt über das Wesen des Raubfischs Hecht?
Bild: P. Rieger
Der Hecht war schon in früheren Zeiten ein beliebter, symbolträchtiger Speisefisch.
Männchen fürchten nach dem Liebesakt um ihr Leben!
Für Sie als Angler, oder für mich als Taucher, hat der Spruch „Ein toller Hecht“ natürlich noch eine ganz andere Bedeutung. Er steht für die Begegnungen mit einem großartigen, imposanten Fisch. Gerade im zeitigen Frühjahr stehen die Chancen für mich gegen Ende der Laichzeit gut, bei einem Tauchgang gleich mehrere Exemplare auf engerem Raum anzutreffen. Die meist stattlicheren Weibchen werden oft von mehreren kleineren Männchen umworben.
Nach dem Laichen sind diese in Gefahr, von ihr gefressen zu werden. Sie sollten sich also schnell aus dem Staub machen. Hechte sind Kannibalen, sogar die Geschwister und der eigene Nachwuchs sind gefährdet. Der Räuber fängt seine Beute dank eines ausgeprägten Schnappreflexes und seiner enormen Sprintfähigkeit. Die mächtige Schwanzflosse ermöglicht ihm dabei blitzschnelle Attacken. Alles, was satt macht, wird gefressen. Dabei kann es vorkommen, dass Esox das Maul zu voll nimmt. Dann kann er ersticken, denn wegen seiner rückwärtigen Zahnstellung kann er eine zu große Beute nicht auswürgen.
Bild: P. Rieger
Hechte sind anpassungsfähige Räuber – der Autor beobachtet schon einen Esox, der aufgrund Nahrungsknappheit in seinem Gewässer nach Libellen sprang.
Tauchgang zum gut getarnten Fleischfresser
Zur Beute der jüngeren Hechte werden hauptsächlich Fische. Im fortgeschrittenen Alter fressen sie auch Frösche, kleinere Wasservögel, Krebse, schwimmende Ratten oder junge Nutrias werden ebenfalls nicht verschmäht. Hauptsache Fleisch. In einem Quelltopf im Oberrheingraben habe ich einmal einen mittleren Hecht dabei beobachtet, wie er – einer Forelle gleich – sogar nach Libellen sprang. Es gab dort definitiv nicht viel für ihn zu fressen, das Revier zu wechseln war nicht möglich und Not macht bekanntlich erfinderisch.
Den meisten Hechten geht es aber besser. Wie ein Chamäleon passen sich die Hechte oft ihrer Umgebung an. Als noch jüngere Fische stehen sie meist mit Tarnanzug zwischen Pflanzen, bzw. liegen auf Grund. Später stehen sie auch gerne bei versunkenen Bäumen oder zwischen Seerosen. Im fortgeschrittenen Alter wird ihre Körperzeichnung dann auch meist monotoner. Ein- oder zweimal traf ich auch einen stattlichen Hecht im Freiwasser – ohne Sichtkontakt zu Ufer oder Boden – an, ganz unifarben in graugrün. Er stand lauernd auf der Wanderroute eines größeren Flussbarschschwarmes, welcher regelmäßig auf zirka 3 m Tiefe am Ufer entlang patrouillierte.
Bild: P. Rieger
Ein Flossenschlag genügt: Mithilfe ihrer großen Schwanzflosse können Hechte aus dem Stand blitzschnell angreifen. Richtig schnell sind sie jedoch nur auf der Kurzstrecke. Größere Hechte sind zudem selbstbewusst und gegenüber Tauchern meist nicht besonders scheu.
Je größer, desto selbstbewusster wird der Hecht
Treffe ich bei einem Tauchgang auf noch kleinere Hechte, fixiert man sich gegenseitig mit den Augen. Auch wenn ich mich ganz ruhig verhalte – spätestens nach etwa einer halben Minute machen sie ohne Hektik einen Standortwechsel. Oft ist das noch nicht einmal 1 m, aber die Situation, beobachtet zu werden, kommt ihnen anscheinend suspekt vor. Bei großen Hechten sieht das anders aus. Die sind sehr selbstbewusst, oft drehen sie sich mit Hilfe der Brustflossen nur auf der Stelle, um den Taucher besser beobachten zu können – oder sie bleiben ruhig am Boden liegen, dann könnte ich sie sogar berühren.
So verstreichen Minuten, ohne dass sich was tut. Nur gegenseitiges Abschätzen. Ich versuche ihn zu fotografieren – er denkt sich eventuell: „Oh, was für ein langweiliger Typ“ und gähnt manchmal. Bei der Atmung des Fisches entsteht übrigens durch das Öffnen und Schließen des Kiemendeckels ein leichter Vorschub. Deshalb wird man keinen frei im Wasser stehenden Hecht finden, welcher nicht damit beschäftigt ist, durch Fächeln mit seinen Brustflossen diesen Vorschub auszugleichen. Nur so kann er seine Position halten.
Bild: P. Rieger
Erst im fortgeschrittenen Alter wird die Färbung der Hechte monotoner. Dann sind sie auch vermehrt im Freiwasser zu finden.
Ein Tauchgang zeigt: Hechte sind Krebsliebhaber!
Anfang Juni 2022 trafen wir in 4 m Tiefe im Uferbereich eines Baggersees auf ein sehr dominantes Hechtweibchen. Es hatte keine Angst vor uns, wir drei beobachteten uns nur gegenseitig. Da entdeckte mein Tauchpartner Thomas auf dem Boden einen gut getarnten Krebs, kam diesem mit dem Finger immer näher. Als er ihm zu nah kam, hob der Kamberkrebs reflexartig zu seiner Verteidigung die Scheren an und bewegte sich wenige Millimeter rückwärts.
Sofort wurde der Hecht auf ihn aufmerksam, seine Konzentration und Körperanspannung stieg sichtbar an, er nahm den Krebs ins Visier. Nur weil mein Tauchpartner den Krebs schützte, wurde dieser nicht verschlungen. Als wir weiter tauchten, begleitete uns der große Hecht freiwillig über Minuten entlang des Uferbereiches – er spekulierte wohl darauf, dass wir Taucher noch weitere Tiere aufscheuchten und er so Beute machen könnte. Ganz schön clever. Da sich aber offensichtlich nichts für ihn auftat, drehte er dann um und schwamm zurück.
Bild: P. Rieger
Selbst Hechte, die aufgrund einer verkrümmten Wirbelsäule eingeschränkt sind und deshalb ihre Jagdstrategien ändern müssen, können zu kapitalen Exemplaren heranwachsen.
Der Hecht geht auswärts aufs Klo
Dass ein Hecht generell ganz schön clever sein kann, beweisen auch meine Begegnungen mit Hechten, welche verkrümmte Wirbelsäulen haben. Nicht nur, dass sie sich in ihrer Jugend vor vielen Fressfeinden zu verstecken wussten – sie müssen auch erfolgreiche Jagdstrategien entwickelt haben, ansonsten wären sie mit dieser Beeinträchtigung nicht so groß geworden.
Übrigens: Hechte gehen aus gutem Grund auch auswärts aufs Klo. Außer Stichlingen und Elritzen gibt es bestimmt noch einige Fischarten, welche Schreckstoffe in ihrer Haut produzieren. Werden sie zum Beispiel von einem Hecht gepackt, scheiden sie die Schreckstoffe sofort aus und später dann – nach der Verdauung der Beute – werden diese Stoffe durch den Jäger mit seinen Exkrementen erneut ins Wasser abgegeben. Die anderen Fische werden also zweimal gewarnt: Vorsicht, hier lauert ein Jäger.
Deshalb entleeren Hechte ihren Darm zumindest nicht im Hotspot ihres eigenen Reviers – wenn möglich, schwimmen sie dafür sogar aus ihrem Revier heraus. Mich lehren meine Tauchgänge immer wieder: Die Unterwasserwelt ist unglaublich!
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