Auch vom Strand
Der so zum Päckchen verschnürte Krabbenköder verträgt selbst relativ brutale Weitwürfe, weshalb diese Anköderung auch beim Brandungsangeln bevorzugt wird. Jawohl, beim Brandungsangeln! Vor allem in den felsigen Küstenabschnitten um England gilt die Peelercrab – die geschälte Krabbe – als Topköder. Allerdings ist es dort nicht die Wollhand-, sondern die Strandkrabbe, die den begehrten Köder liefert. Beschafft werden die Strandkrabben wie die Wollhandkrabbe – nur dass man dafür bei Ebbe ins trockengefallene Watt muss. Strandkrabben meiden nämlich das Süßwasser.
Wer in Deutschland Strandkrabben in grosser Zahl sammeln will, tut dies am besten im Wattenmeer und legt dort ebenfalls Dachschindeln und ähnliches als Versteckmöglichkeiten aus. Andernfalls muss man die Ritzen in der Steinverkleidung der Deiche absuchen. Neben der Strandkrabbe gibt es im deutschen Wattenmeer noch die Schwimmkrabbe und den Taschenkrebs. Beide Arten spielen aber praktisch keine Rolle, da sie für den Angler kaum in großer Zahl als Köder beschaffbar sind.
Wollhandkrabben als Delikatesse
Viel schwungvoller aber verläuft seit geraumer Zeit der Handel mit harten erwachsenen Krabben: Chinesische und taiwanesische Landsleute legen schon mal 16 € für 1 kg Krabben auf den Tisch. Fischer Panz verkauft im Jahr 3 bis 4 Tonnen der Krabbler und wundert sich nicht über Fischer Wolfgang Schröder weiter elbauf an der Havelmündung, der die eigenen Krabbenfänge durch Zukäufe von Kollegen im letzten Jahr auf 10 Tonnen erhöhte. „Davor hatten wir weit bessere Jahre, es gab schon mal 20 Tonnen der großen, pro Stück über 80 g schweren Tiere“. Fischer Reemt Endjer aus Ostfriesland kann über so kleine Wollhänder nur lachen: „Bei uns gibt’s die 200-g-Klasse“, erzählt er und beschreibt ein Tier, vor dem man sich wirklich fürchten kann.
In Deutschland sind es vor allem asiatische Restaurantbetreiber, die Schlange stehen, um an die begehrte Ware zu kommen. Und hier beginnt eine Geschichte, die man wirklich als Treppenwitz bezeichnen kann: Ein Teil der deutschen Wollhandkrabben gelangt nämlich mit Frachtflugzeugen nach China. Dort sind die Wollhandkrabben höchst begehrt, aber ausgerechnet dort, von wo sie her kommen, wegen der enormen Wasserverschmutzung vom Aussterben bedroht!
„Angler, fängst du statt Aale Krabben, nimm sie mit!“ Das rät Fischer Harald Lasner aus Bad Bederkesa. Bei den Chinesen hat er sich abgeschaut, wie man aus den Krabblern Delikatessen macht:
- Die gesäuberten, möglichst großen Krabben werden in siedendem Wasser getötet und eine Viertelstunde gegart.
- Den Panzer abheben und mit Pfeffer, scharfen, fein gehackten Zwiebeln, Kräutern der Saison und etwas Knoblauchsalz würzen und das Fleisch ausschlürfen.
- Die Beine kann man aufbrechen und die Scheren mit einem Nussknacker knacken, um an das Fleisch zu gelangen.
Fakten zu den Wollhandkrabben
- Vorkommen: Kurz vor der Häutung stehende oder bereits gehäutete weiche Wollhandkrabben werden in den Unterläufen der Richtung Nordsee entwässernden Flüsse gesammelt, wo sie in großer Zahl vorkommen. Vor der Häutung stehende oder bereits gehäutete weiche Strandkrabben bekommt man im Frühjahr/Frühsommer im Wattenmeer der Nordsee, wo bei Ebbe ebenfalls ausgelegte oder vorhandene Versteckmöglichkeiten und die Ritzen der Steinverbauung von Deichen nach ihnen abgesucht werden.
- Aufbewahren: Im Kühlschrank, in einer fest schließenden, luftdurchlässigen Schachtel, die mit etwas feuchtem Papier oder feuchten Stoff-Fetzen ausgelegt ist. Weiche Krabben, die nicht sofort verbraucht werden, können auch eingefroren werden.
- Verbessern: Das Verbessern eines Krabbenköders ist nicht nötig. Im Meer können Peelercrabs aber mit bunten Lockperlen auf dem Vorfach auffällig angeboten werden. Für harte Weitwürfe umwickelt und verschnürt man den Krabbenköder mit speziellen, superdünnen Ködergummis, die es im Fachhandel gibt. Andernfalls fliegt das Krabbenfleisch vom Haken.
- Zielfische: Im Süßwasser fängt man mit Wollhandkrabbe vorrangig Aal. Aber auch große Barsche und Zander, kapitale Weißfische, Quappen und Karpfen nehmen den Köder. Im Salzwasser sind Krabbenköder erstklassig auf Dorsch, Wolfsbarsch und Wittling sowie kapitale Plattfische. Wenn sie am Angelplatz vorkommen, beißen aber praktisch alle grundorientiert lebenden Salzwasserfische bis hin zu Hai- und Rochenarten auf Krabbenfleisch.
Wollhandkrabben können Beinspannweiten bis zu 30 Zentimeter erreichen. Sie fressen alles, sogar Gummifische, und sie kommen überall hin. Denn sie können sich an Land so gut bewegen wie im Wasser. Dazu kommt eine Aggressivität gegen Angreifer, die man bei unseren einheimischen Krebstieren vergeblich sucht. Jeder Flusskrebs, jede Strandkrabbe geht in Deckung, wenn man sie greifen will. Die Wollhandkrabbe aber stellt sich dem Gegner: Mit weit gespreizten Scherenhänden, aus denen die Zangen wie bleiche Knochen schimmern, drohen sie jeden an, der ihnen zu nahe kommt.
Den Fischern fressen sie die Fische aus Reusen und Netzen, dem Angler knipsen sie kurzerhand den Haken mit Köder von der Schnur. Deichbauer fürchten die Krabbe, die durch ihre Wühlarbeit Uferbefestigungen untergräbt. Aber auch die einheimische Wasserwelt profitiert nicht unbedingt von Wollhandkrabben, wie wohl sie begehrte Beute bei Fischen sind.
Vor allem Aale verschlingen kleine Krabben im Ganzen. Aber auch Barsche und große Weißfische wie Alande oder Döbel machen gezielt Jagd auf sie, und Welse verschmähen sie auch nicht.Man schätzt, dass sich Jahr für Jahr alleine an der großen Elbstaustufe bei Geesthacht eine gute Milliarde kleiner Wollhandkrabben sammelt auf ihrem Weg flussauf. Sie kommen aus dem Mündungsgebiet der Elbe, wo sich im Jahr davor die Elterntiere gepaart haben. Die Männchen sterben nach der Paarung, und die Weibchen verbringen den Winter im Wattenmeer. Im Frühjahr kehren sie zurück in den Brackwasserbereich der Flussmündungen, wo sie die Eier, die sie über dem Winter unter ihrem nach vorne eingeklappten Schwanz getragen haben, abgeben und dann ebenfalls sterben. Nach vier bis fünf Jahren sind die Jungkrabben geschlechtsreif.