Frerk Petersen: Vom Journalisten zum Manager
Blinker: Moin Frerk, wie lange bist du Angler bzw. in der Angelindustrie tätig?
Frerk Petersen: In meinem Leben hat sich eigentlich immer alles um das Thema „Fisch“ gedreht. Zum Angeln kam ich durch unseren Nachbarn im Grundschulalter. Nach dem Studium der Fischereibiologie begann ich meine Karriere als Angeljournalist im Alter von 27 Jahren bei Eurem Mitbewerber „Fisch & Fang“. Mit 35 Jahren wechselte ich dann in die Angelgeräteindustrie zu Zebco Sports Deutschland, so hieß das Unternehmen damals.
Wie sah deine Ausbildung aus? Als Volontär bist du gleich zum Chefredakteur der „Fisch & Fang“ aufgestiegen. Wie kam das?
Nein, so schnell ging das nun doch nicht. Ich kam Anfang der 90er zu „Fisch & Fang“, als es dem Magazin schlecht ging und es an guten Redakteuren und Autoren mangelte. In diesem Umfeld konnte ich mich super entfalten und schnell weiterentwickeln. Ich reiste um die ganze Welt und lernte unzählige berühmte Angler kennen. Mit dem Chefredakteur Thomas Wendt verstand ich mich prächtig, er war der Strippenzieher im Hintergrund und ich so was wie der Mann „draußen“.
Als der Verleger den Redaktionssitz von Hamburg in den Raum Koblenz nach Singhofen verlegen wollte, war Thomas ortsgebunden und rutschte ins zweite Glied und verblieb in der Außenstelle Hamburg, während ich mich als Chefredakteur beweisen konnte – was unserem guten persönlichen Verhältnis übrigens keinerlei Abbruch tat.
Dann plötzlich wechseltest du vom Angeljournalist zum Gerätehersteller und wurdest unter der Ägide vom damaligen Geschäftsführer Peter Delwes Marketingleiter von Zebco Deutschland. Als dieser in Rente ging, wurdest du Geschäftsführer und Prokurist. Was reizte dich an dieser Aufgabe? Weg vom Journalismus in die Welt der Zahlen?
Oups, viele Fragen auf einmal. Der Reihe nach: Singhofen war für eine norddeutsche Eiche, wie mich mein damaliger Geschäftsführer nannte, nicht die Erfüllung und so hatte ich eine Rückkehr in den Norden früher oder später im Auge, trotz der fraglos reizvollen Aufgabe als Chefredakteur. Als es diese Möglichkeit einer solchen Rückkehr durch eine Stelle bei Zebco Sports Deutschland gab, habe ich mich nicht zweimal bitten lassen. Dort habe ich dann jahrelang bei Peter Delwes in Tostedt das europaweite Marketing und die Produktentwicklung verantwortet, was inhaltlich noch relativ dicht am Journalismus und der Angelei selbst war.
Mit der Erfahrung im Unternehmen wuchs indes die Verantwortung und die Prokura erhielt ich noch deutlich bevor Peter Delwes in Rente ging. Meine Tätigkeit rutschte nach und nach mehr in Richtung der eigentlichen Geschäftsführung, die ich schließlich nach dem Ausscheiden von Delwes auch übernahm. Dass mich die Zahlen nun genauso sehr reizen wie die Produkte oder das Marketing, würde ich nicht behaupten wollen. Nur: Ein positives Betriebsergebnis gehört nun mal dazu, so ein Unternehmen wird nicht nur zum Spaß betrieben.
Was mich als Geschäftsführer richtig angespornt hat, war das Leiten des Führungsteams. Zuvor war ich einer der Abteilungsleiter des Unternehmens gewesen und hatte stets vehement für meine eigenen Überzeugungen gekämpft. Als Geschäftsführer musste ich dann aber die unterschiedlichsten Interessen und Ideen aller Abteilungsleiter unter einen Hut bringen und aus den divergierenden Auffassungen das Beste für das Unternehmen herausholen. Das hat mir bis zuletzt großen Spaß gemacht.
Freks Zeit bei Zebco
In 2001 waren die Zebco Marken (Brands), die in Amerika und Asien operierten, von W.C. Bradley Co. gekauft worden, 2011 dann auch Zebco Europe. Was wollte man mit dem Zusammenziehen der Marken erreichen?
Im Jahr 2000 hat die Brunswick Corporation, eine milliardenschwere Unternehmensgruppe aus den USA, wozu damals sowohl Zebco US als auch Zebco Sports Deutschland gehörten, seine Freizeitsparte zum Verkauf gestellt. Für Zebco US fand sich mit dem Südstaaten-Unternehmen WC Bradley schnell ein Käufer, für den europäischen Teil Zebco Sports Deutschland aber nicht. Nach viel Hängen und Würgen gelang Peter Delwes schließlich mit Hilfe des Unternehmens, das uns damals mangels potenten Kaufinteressenten eigentlich schließen sollte (obwohl wir profitabel waren!), ein Management-Buy-Out.
2011 verkaufte er das Unternehmen schließlich an WC Bradley, so dass die Marken Zebco, Quantum und Rhino von da an auch wieder global unter einem Dach waren. Dieser Schritt ermöglichte ein besseres Management der Marken weltweit und letztlich mehr Durchschlagskraft in den einzelnen Ländern. Dieser Schritt war, wenn man so will, eine logische Wiedervereinigung der Marken.
2012 eröffnete Zebco eine Niederlassung in Polen und sicherte sich zusätzliche Marktanteile. Das Geschäft in Europa boomte. Waren das die „ goldenen‘‘ Jahre der Firma?
Die Eröffnung der polnischen Niederlassung war mehr ein formaljuristischer und steuerrechtlicher Akt. Die gleichen Gründen, weshalb wir schon eine SAS in Frankreich und eine Ltd. in England hatten. Natürlich war Polen damals ein wichtiger Wachstumsmarkt. Allerdings würde ich die goldenen Jahre nicht auf den genannten Zeitraum fixiert sehen. Von 2011 an wuchsen wir kontinuierlich, mit Ausnahme von 2016, als die Einführung von SAP im Unternehmen holperig verlief. Die bedeutensten Umsatzerfolge und größten Gewinne erzielten wir in den Jahren 2019 bis 2021. Das waren für mich die eigentlichen goldenen Jahre, in Verbindung mit der Arbeit mit der Führungs-Mannschaft zu der Zeit.
Dann hast du riesige Auslieferungslager bauen lassen, um ganz Europa von der kleinen Ortschaft Tostedt bei Hamburg beliefern zu können.
Ich habe es nicht bauen lassen. Aber es war so, dass wir 2015 aus allen Nähten platzten, wir hatten zunehmend Probleme im Lager in Tostedt, dass Mitarbeiter über die Kartons fielen, weil die Gänge zu voll gestellt werden mussten. Der Plan war ursprünglich, auf dem Nachbargrundstück groß zu bauen – das ließ sich aber nicht realisieren.
Wir haben dann kurzerhand in einem Logistikpark im nahe gelegenen Rade direkt an der Autobahn A1 ein größeres Hallensegment gemietet. Daraufhin haben wir unser Lager in Tostedt zu einer reinen Kommissionier- und Versandeinheit umgebaut und die eigentliche Bevorratung nach Rade ausgelagert, was unsere Auslieferkapazität enorm gesteigert hat. Wir haben die Aufträge an bis zu 10 Packtischen parallel versandfertig gemacht und wurden in der Folge vom Handel für unsere exzellente Logistik gerühmt.
Du hattest mit vielen Unternehmen auch in China zu tun. Kann man von einer Abhängigkeit der Geräteindustrie vom chinesischen Markt sprechen?
Klar schaut sich die Industrie immer um, wo sonst die Waren eingekauft werden können. Und es gibt Möglichkeiten. Boilies und Futter kommen meist ohnehin aus Europa. Auch beim Zubehör gibt es europäische Hersteller, wie für Schnur, Blei, Posen oder Gerätekästen – um nur einige Beispiele zu nennen. Die überragende Mehrheit der Produkte im Handel kommt aber nach wie vor aus China. Übrigens, wenn nach Alternativen zu China als Ursprungsland geschielt wird, oft nicht nur, um der möglicherweise fragilen Abhängigkeit durch die politischen Verhältnisse zu entgehen.
Auch in so einem vermeintlichen Billiglohnland wie China steigen die Lohnkosten. Und dazu auch die Preise für die Rohmaterialien als auch die benötige Energie. Um die Preispunkte im Markt halten zu können, kommt immer wieder die Frage auf, ob es nicht doch irgendwo billiger geht. Da aber oft auch die ganzen Hersteller der Vorprodukte und Komponenten in China sitzen, ist eine Auslagerung z.B. der Rutenproduktion in ein anderes Land nicht so einfach und geht mit zusätzlichen logistischen Herausforderungen einher.
Frerk Petersen über die Zukunft des Angelns
Rollen und Ruten haben mittlerweile eine Präzision erreicht wie niemals zuvor. Kann man das noch steigern und wie sieht das Angelgerät der Zukunft aus?
Es ist wahr, heute kann ich problemlos mit einer 50€-Rolle vergnüglich fischen, vor 20 Jahren war die Performance der Produkte in dem gleichen Preissegment eine ganz andere, und zwar deutlich schlechtere. Und auch für eine gut fischbare Rute müssen keine Unsummen mehr ausgegeben werden. Ich persönlich erwarte nicht, dass sich Ruten und Rollen quantensprungmäßig weiter entwickeln. Natürlich wird an immer spezialisierterem Gerät gearbeitet. Dem High-End-Angler werden auch in Zukunft atemberaubende Produkte angeboten. Und der Normalangler wird es genießen können, auf welch hohem technischen Niveau sich ordentliches Gebrauchsgerät befinden wird.
Wie werden sich die Preise beim Angelgerät entwickeln?
Der allgemeinen Preissteigerung folgend in vielen Fällen nach oben. Nehmen wir das Beispiel der Futtermittel oder Boilies. Die Ausgangsprodukte sowie deren Transport sind in den letzten Jahren dramatisch teurer geworden. So muss der Endverbraucher für das fertige Produkt schlicht tiefer in die Tasche greifen. Zumal bei Boilies auch noch der energieaufwändige Koch- und Trocknungsprozess hinzu kommt. Die Frage ist nur, wie viel merkt der Kunde letztlich davon. Die Industrie weiß ja, dass auch beim Angler das Geld nicht an den Bäumen wächst, und kaschiert die Preiserhöhungen gerne dadurch, dass der Inhalt modifiziert wird.
Im Falle der Boilies z.B. durch den Ersatz teurer Rohprodukte durch preisgünstigere. Im Bereich Ruten oder Rollen sind wir Angler meist ohnehin kaum in der Lage, die Serien anhand der Spezifikationen eindeutig einem Preisbereich zuzuordnen. Dann wird als Nachfolger einer Rutenserie beispielsweise eine vormals günstigere Serie im neuen Gewand angeboten. Die Preiserhöhung ist somit indirekt. Der Kunde zahlt zwar nicht mehr, bekommt aber nicht mehr exakt die gleiche Leistung wie noch zuvor.
Frerk, als Angler kennen wir Dich in der Öffentlichkeit hauptsächlich als Schleppangel-Fan auf der Ostsee. Wir steht es um Deine eigene Angelei?
Ich habe das Trolling recht exzessiv über viele Jahre betrieben, aber meine Rolle als Geschäftsführer hat es lange nicht mehr zugelassen, diese Leidenschaft auszuleben. Und die Fischbestände der Ostsee sind aufgrund des Allgemeinzustandes dieses Binnenmeeres leider auch nur noch ein Schatten derer, wie wir sie vor 20 Jahren kannten. Mal entspannt einen halben Tag rausfahren und ein paar Dorsche für die Pfanne fangen, ist heute weder möglich noch zugelassen. Aber die Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt.
Meine zweite Passion ist das Friedfischangeln im englischen Stil. Dazu habe ich in den letzten Jahren – meist abseits der Öffentlichkeit – doch immer mal wieder Zeit gefunden. Ein gemütlicher Ansitz lässt sich leichter in den Alltag integrieren. Und auch genießen: Im Zuge des Zulaufs, den die Raub- und Spinnfischangelei im letzten Jahrzehnt erfahren hat, habe ich als Friedfisch-Fan am Wasser mittlerweile gefühlt deutlich weniger „Konkurrenz“ und finde die Entspannung, die ich suche.
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