Vorurteile und Klischees: Aus dem Leben einer Anglerin

Sissi Lanz und Julia Firneis sind wettkampferprobte Anglerinnen. Sie haben mit Vorurteilen zu kämpfen, weil sie Frauen sind – doch jetzt reicht es ihnen.

Zwei Anglerinnen an einer Spundwand

Bild: H. Siefken

Sissi Lanz und Julia Firneis. Die beiden Anglerinnen zeigen: Frauen haben einen festen Platz im Angelsport.

von Heiner Siefken

Mittleres Alter, männlich und sagenhaftes Timing. Ausgerechnet im Gespräch über seltsame Situationen, die angelnde Frauen am Wasser erleben, stellt er sich neben Sissi Lanz an die Spundwand. Eifrig wischt er mit den Fingern über das Display seines Smartphone und zeigt ihr Bilder seiner Wahnsinnsfänge. Er redet über die Methoden, die im Duisburger Eisenbahnhafen für Bisse sorgen. Die Anglerin nickt freundlich. Der „tolle Hecht“ verschwindet schließlich in den Samstagabend. Er lächelt zufrieden. Ein Regisseur hätte es nicht besser inszenieren können. Passiert es oft, dass Männer der 40-Jährigen die Angelwelt erklären wollen? „Wirklich ständig – und in der Regel ungefragt. Einige Typen lassen kein Klischee aus“, sagt Lanz.

Anglerinnen am Wasser

Bild: H. Siefken

Als Mutter-Tochter-Team sind die beiden auch regelmäßig bei Angelwettkämpfen wie der National Predator League dabei und stellen dort ihr Können unter Beweis.

Unterirdische Kommentare

Arrogante Sprüche bekommt auch ihre Tochter zu hören. Julia Firneis angelt seit sie sieben Jahre alt ist, die 18-Jährige hat in ihrem Angelleben schon beachtliche Räuber gelandet. Einen 87er Zander, einen 83er Hecht, einen 42er Barsch. Wenn sie die Fänge auf ihrem Instagram-Kanal (unter julia_fishing2015) zeigt, sind einige der Kommentare schon richtig unterirdisch. „Ich werde gefragt, wer für mich die Fische tötet, die ich gefangen habe.“ Andere Follower raten ihr, dass sie sich einen Sport suchen soll, der besser zu Mädchen passt. Und aus den Tiefen der Niveau-Katakomben: „Ich mach dich glücklicher als dein Hobby.“

Firneis war irgendwann so genervt, dass sie die übelsten Sprüche aufgelistet und der Instagram-Community in einem kurzen Video, einem „Reel“, präsentiert hat. Andere Anglerinnen haben den Beitrag geliked und kommentiert: „Kennen wir.“ Immerhin, auch Männer machen ihr Mut: „Mein Beileid, dass du solche Kommentare bekommen hast. Ignoriere die. Es ist dein Hobby, das du liebst! Egal ob du Mädchen, Junge oder divers bist. Bleib so, wie du bist!“

Nagellack und Angelrute

Bild: H. Siefken

Nagellack und Angelrute, das passt anscheinend nach wie vor für viele Männer nicht zusammen.

Selbstkritik: Bei Anglerinnen keine Ausnahme

Und noch etwas verdeutlichen die Kommentare unter dem Reel: Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist unter Anglerinnen stark ausgeprägt. Eine Followerin, der ein schonender Umgang mit Tieren wichtig ist, schreibt: „Mir persönlich passieren leider noch Fehler in der Aufregung, einen Fisch zu landen. Aber ich glaube, das ist geschlechterunspezifisch.“ Da könnte die Anglerin mit dem Instagram-Namen „fishing_lady“ recht haben. Und andererseits: Wie oft ist so viel Ehrlichkeit in der Betrachtung der eigenen Fachkunde von Männern zu hören?

Ob der nette Herr mit dem Smartphone dazu in der Lage wäre? Sissi Lanz und Julia Firneis sind im vergangenen April in den Ruhrpott gezogen, sie stammen aus dem Oberfränkischen. Die Mutter ist Kauffrau für Büromanagement und arbeitet in einem Autohaus in Essen. Die Tochter ist Schülerin. In ihrer Freizeit fahren sie regelmäßig in die Niederlande und stellen sich dort der Angelkonkurrenz in der National Predator League. Perchcup. Zandercup. Pikecup. Was reizt sie an den Wettkämpfen? „Es geht ums Sehen und ums Gesehenwerden. Man trifft alte Bekannte und bekannte Gesichter der Angelszene. Das ist toll!“, sagt Lanz.

Anglerin zwischen Wasser und Social Media

Die sozialen Medien spielen im Leben der beiden Frauen eine wichtige Rolle. Es sind mehr als 500 Kilometer bis zu ihrem alten Wohnort, nach ihrem Umzug haben sie Freunde (und Angelfreunde) über die Netzwerke gefunden. „Ich hatte befürchtet, dass es mir schwerer fallen wird, aber ich habe mich schnell eingelebt“, sagt Firneis. Das Angeln gefällt ihr in ihrer neuen Heimat sogar besser – einmal pro Woche steht die Anglerin mindestens an einem Ufer der Region. „Die Ruhrpott-Gewässer liegen mir.“

Anglerinnen Sissi und Julia

Bild: H. Siefken

„Fakt ist… Angeln ist geil“ steht, neben einem Barsch, tätowiert auf Sissis Arm – mehr braucht man dazu eigentlich nicht sagen. Wie ihre Mutter ist auch Julia begeisterte Raubfischanglerin – beide sind auch in den sozialen Medien aktiv.

Der neue Freund von Sissi Lanz ist über Instagram in ihr Leben getreten – wieder war das Angeln der erste Anknüpfungspunkt. Eine Zeit lang hatten die beiden keinen Kontakt, dann haben sie sich auf einer Angelmesse in Berlin wiedergetroffen und es hat gefunkt. Heute bestreitet sie die Turniere abwechselnd mit ihrer Tochter und mit dem Mann an ihrer Seite. Während der Wettkämpfe streamt sie vor allem über das Netzwerk TikTok (unter sissi_fishing_sbd_ baits). „Bei Turnieren zeige ich gerne, was ich kann, das weckt meinen Ehrgeiz.“ Auch im Wettkampf, sagt Lanz, würden Frauen unterschätzt. Das zeigt auch die beste Platzierung des Mutter-Tochter-Duos: Platz 9 von 43 Teams.

Erlebnisse im Angelladen

Zu den Orten für schräge Erlebnisse im Leben von Anglerinnen zählen ebenfalls die Angelläden der Republik. Der Ansturm könne noch so groß sein und vor ihnen seien zehn Männer in das Geschäft gegangen, kaum betreten Lanz und Firneis den Laden, stehen zwei Berater neben ihnen. Ein typischer Dialog beginnt: Verkäufer: „Braucht ihr Hilfe?“ Sissi Lanz: „Nein, danke, wir kennen uns aus.“ Verkäufer: „Sucht Ihr etwas für Euren Freund?“ Julia Firneis (energischer): „Nein, wir angeln selbst.“ Verkäufer (überrascht): „Echt?“ Ja, echt.

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