Heutzutage ist Englisch beim Angeln nicht nur allgegenwärtig, sondern meiner Meinung nach zu einer regelrechten Krankheit geworden. Glauben Sie nicht? Wie wär’s hiermit:
Neulich habe ich einen Killer bestellt. Das ging einfacher, als Sie denken: Eine E-Mail, schon kam er ins Haus. Begleitet von einem Totengräber, einem Terminator und einem Sensenmann. Noch einen Moment, bevor Sie mich verpfeifen: Vielleicht beherbergen Sie die gleichen Gangster! Sie meinen, das kann nicht sein? Ganz sicher? Mein Quartett des Grauens reiste in einem Postpaket an, verschickt von einem Gerätehändler. Schauen Sie mal nach, wie Ihre Kunstköder heißen – und übersetzen Sie die englischen Namen! Ich wette, dass mindestens ein „Killer“ unter dem Dach Ihrer Köderkiste haust.
Im schlimmsten Fall werden Sie noch dazu einen „Ghost“ (Geist), einen Grave-Digger („Totengräber“) oder einen Grim Reaper Lure („Sensenmann-Köder“) ans Licht fördern. Aber nicht nur die Kunstköder, sondern das komplette Angelzubehör wird mittlerweile mit englischen Begriffen bezeichnet.
Braucht man Dolmetscher für Angelzeitschriften?
Dank dem Englisch beim Angeln weiß ich endlich, was ein „Anglist“ ist: Das ist jemand, der Englisch studiert, bevor er sich zum Angeln traut. Damit er sich nicht mit seiner deutschen Sprache im Geräteladen blamiert. Und damit er seine Angelzeitschrift noch ohne Simultan-Dolmetscher lesen kann.
Englisch beim Angeln: Wer versteht diesen Käse noch?
Der Nicht-Anglist ist arm dran! Woher soll er wissen, dass ein „1 Man Dome Bivvy“ einfach nur ein Karpfenzelt ist? Dass eine „Paddle and Curl Tail Combo Pack“ nichts weiter als zwei Gummifische mit wackelnder Flosse sind? Oder dass es sich bei „Braided Loops“ einfach nur um Schlaufenverbinder zwischen Fliegenschnur und Vorfach handelt? Verzweifelt eilte der Nicht-Anglist zur nächsten Ecke des Fachgeschäftes. Dort steht er vor einem „Twisting Tail“, daneben wartet ein „Duckfin Bug“, flankiert von einer „Hiroshi Crab“ – merkwürdige Gummiköder, natürlich bestens fürs „Dropshot-Rig“ geeignet.
Tja, was tut man da ohne Englisch-Studium? Eine Möglichkeit wäre, diesen ganzen Käse so lange liegen zu lassen, bis er endlich mit deutschen Begriffen bezeichnet wird. Aber dann bleibt der Einkaufskorb womöglich leer, da sich das Englisch beim Angeln mittlerweile etabliert hat. Denn sogar in der bodenständigsten Ecke des Geräteladens, beim Zubehör für den Forellenteich, dominiert die englische Sprache: Auftreibende Eier werden hochstilisiert zu „Floating Eggs“, ein auftreibender Wurmersatz nennt sich „Fat Floting Trout Worm“, und angeblich süße Plastikwürmer trumpfen auf als „Honey Worms“.
„Aber eine Angelrute ist doch immer noch eine Angelrute!“, hofft der Nicht-Anglist – bis er vorm Rutenständer steht. Auch dort stößt er auf Englisch beim Angeln, denn die Karpfenrute nennt sich „Carp Rod“, die Länge wird oft in Feet angegeben, und das Wurfgewicht in englischen Pfund, also lbs. Der moderne Angler sollte in der TV-Show „Wer wird Angelmillionär?“ auf Anhieb wissen, dass zwei lbs einem empfohlenen Wurfgewicht von 45,40 Gramm entsprechen – und wehe, die Kommastelle stimmt nicht!
Löschtaste für das Englisch beim Angeln
Wehmütig denke ich an meine beiden journalistischen Lehrmeister zurück: Karl Koch, den Henri Nannen des Angeljournalismus, und Richard Lütticken, den besten Sprachkenner weit und breit. Beide beherrschten ausgezeichnet Englisch. Aber wer als Redakteur den BLINKER-Chefs einen Anglizismus in sein Manuskript schrieb, lernte Karl Kochs legendären Rotstift oder Richard Lüttickens flinke Löschtaste kennen.
Ein Hechtansitz ist eben keine „Pike Session“. Wer eine Angeltasche als „Stalking Bag“ bezeichnet, könnte völlig missverstanden werden (und von der Polizei verfolgt). Und dass ein schwimmender Reifen als „Bellyboat Outcast Fish Cat“ daherkommt, hängt womöglich damit zusammen, dass sich ein so einfaches Konstrukt unter diesem wichtigtuerischen Begriff für mehr Kohle verkaufen lässt. Muss man Angelgeräte so bezeichnen? Nein. Muss man solche Begriffe aus dem Englisch beim Angeln nachplappern? Erst recht nicht.
Schwemme von Anglizismen
Aber woher kommt die Anglizismen-Schwemme? Seit Jahren beobachte ich, wer die Sprachumwelt mit englischen Begriffen verschmutzt: vor allem jene Zeitgenossen, die selbst nur sehr bescheiden Englisch können. Manchmal habe ich den Eindruck, sie kommen sich einfach weltmännischer vor, wenn sie nicht zum Karpfenangeln an den Graben fahren, sondern zu einer „Freshwater-Carphunting-Session“ aufbrechen.
Und vielleicht denken Angelfirmen: Was englisch klingt, kommt bei Käufern besser an. Ich aber bin sicher: je verständlicher, desto besser. Nichts berührt Menschen so tief wie ihre Muttersprache, in der sie ihr erstes Wort gebrabbelt, ihr erstes Buch gelesen und ihre erste Liebeserklärung gehaucht haben.
Und falls Sie selbst als „Product Manager“ in einer „Tackle-Company“ beschäftigt sind und mir ein kritisches „Feedback“ zu meinem frechen Artikel geben wollen: Eine „Rückmeldung“ reicht völlig. Und Sie dürfen als „Produktchef einer Gerätefirma“ unterzeichnen. Dann verstehen wir uns.
Englisch beim Angeln: Wir bringen Licht ins Dunkel!
„Mit dem Jerkbait alle Hotspots abgesucht!“
„Ich bin kein Angler, sondern Specimen Hunter!“
Haben Sie noch Anglerlatein (oder eher „Anglisch“), das in der Liste fehlt? Schreiben Sie Ihr Kauderwelsch gerne in die Kommentare! |