Wenn wir schlecht fangen, suchen wir nach Erklärungen. Hat sich der Luftdruck beim Angeln irgendwie verändert, machen wir ihn gerne dafür verantwortlich, dass wir erfolglos waren. Aber hat der Luftdruck wirklich Auswirkungen auf das Beißverhalten der Fische? Wir essen schließlich auch nicht weniger, wenn sich der Luftdruck ändert. Wieso sollte das bei den Fischen der Fall sein, wo sie doch viel stärker dem Wasser- als dem Luftdruck ausgesetzt sind? In diesem Bericht will ich Euch ein paar Fakten und Beispiele geben, wie sich der Luftdruck auf das Verhalten der Fische auswirkt.
Luftdruck beim Angeln – Hohe und niedrige Überlebenschancen
Auf die Fische wirkt neben dem Luftdruck auch ein Wasserdruck. Je tiefer die Fische stehen, umso höher ist der Druck. Fangen wir einen Hecht in sehr tiefem Wasser, bemerken wir, dass während des Drills Gasbläschen aufsteigen. Durch das Aufsteigen in höhere Wasserschichten entspannen sich die Gase und Flüssigkeiten im Körper der Fische. Diese Druckänderungen können die Fische über die Schwimmblase steuern.
Fisch unter DruckAlle Objekte unter Wasser sind einem gewissen Umgebungsdruck ausgesetzt. Dieser setzt sich aus 1 bar atmosphärischem Druck (Gewicht der Luft) und je 10 Meter Wassertiefe aus 1 bar hydrostatischem Druck (Gewicht des Wassers) zusammen. Ein Fisch, der in einer Tiefe von 50 Metern schwimmt, ist also einem Gesamtdruck von 6 bar ausgesetzt. |
Die Schwimmblase hat bei einigen Fischen, wie dem Hecht und dem Wels, eine Verbindung zum Darm, wodurch sich der Druckausgleich viel schneller vollzieht als bei Fischen, die keine Verbindungen haben. Zu diesen Fischen zählen Zander und Barsche. Diese Fischarten müssen den Druckausgleich über eine Gasdrüse aus der Blutbahn bewerkstelligen. Verständlicherweise wird bei diesem Prozess viel mehr Zeit benötigt, wodurch diese Fischarten nach einem Drill aus tieferen Gewässerregionen oftmals keine Überlebenschancen haben.
Das Gewicht der Luft
Der Luftdruck ist als die Gewichtskraft der Luft zu beschreiben. Das heißt vereinfacht, dass die Fische das Gewicht und die Gewichtsschwankungen der Luft spüren. Sie spüren die Gewichtskraft der Luft aber nur indirekt, denn die Luft lastet auf dem Wasser. Der Luftdruck wirkt also neben der Wassersäule als eine zusätzliche Last auf den Fischen. Ein steigender Luftdruck bewirkt eine Erhöhung der Gesamtlast. Ein rasch aufziehendes Hochdruckgebiet also vergleichbar mit einem zügigen Abtauchen des Fisches in die Tiefe.
Ein Fisch in 7 Meter Wassertiefe erfährt die Gewichtskraft, die durch eine 7 Meter starke aufliegende Wassersäule erzeugt wird. Zusätzlich kommt die Last der Luftdrucksäule hinzu. Luftdruck wird in der Meteorologie in der Einheit Pascal angegeben. Der Mittelwert beträgt in Deutschland etwa 1013 Hektopascal (hPa). Dieser Wert lässt sich in einen Wert der Wassersäule umrechnen. Dabei üben 1013 hPa so viel Kraft aus wie eine 10 Meter starke Wassersäule.
Welche Luftdruckschwankungen beim Angeln sind nun eigentlich möglich? Und was üben sie für einen Druck auf den Fisch aus?
Gehen wir von den extremsten Bedingungen aus, also den höchsten und niedrigsten Luftdruckwerten, die je in Deutschland gemessen wurden. Im Jahr 1907 wurde mit 1060 hPa auf Rügen der bislang höchste Luftdruck in Deutschland gemessen. Und im Jahr 1983 verzeichnete man mit 955 hPa in Emden den niedrigsten Luftdruck aller Zeiten. Zwischen diesen beiden Extremwerten liegt umgerechnet eine Wassersäule von etwa 1 Meter. Wahrlich nicht viel.
Tatsächlich bewegen sich die Schwankungen bei einem Wetterwechsel in einem Bereich von nur 10 bis 20 hPa. Das wiederum bedeutet, in unserer Wassersäule ausgedrückt, lediglich 10 bis 20 Zentimeter. Die Unlust der Fische zu fressen soll besonders bei nachlassendem Luftdruck auftreten. Ich persönlich empfinde nachlassenden Druck unter Wasser ja auch als etwas unangenehmer.
Taucht man im Schwimmbad aus 3 Metern Tiefe auf, knackt es bereits sehr unangenehm in den Ohren. Einen Tiefenunterschied von nur 20 Zentimetern empfinde ich allerdings nicht als schlimm. Und es fällt schwer zu glauben, dass es den Bewohnern des Wassers sonderlich viel ausmacht, wo sie doch mühelos 20 Zentimeter auf oder ab schwimmen können.
Die Fische im Tiden-Bereich der Flüsse müssen tagtäglich sogar noch mit ganz andere Druckänderungen fertig werden. Der Tidenhub der Elbe beträgt bei St. Pauli immerhin rund 3,8 Meter. Auf einen Zander, der sich die ganze Zeit in Bodennähe aufhält, wirkt also einen Druckunterschied von 380 hPa. Das ist das 25-fache der Änderung zwischen Hoch- und Tiefdruckgebiet!
Tiefstehende Zander, die nachts zum Jagen in Flachwasserregionen aufsteigen, bewerkstelligen diesen Druckausgleich ohne jede Mühe. Aus Studien ist bekannt, dass Welse beim Verfolgen ihrer Beute ohne Probleme mehrere Meter Tiefenunterschied in kürzester Zeit bewerkstelligen. Sie bewegen sich also innerhalb von Sekunden zwischen Luftdruckunterschieden, die größer sind als alles, was je auf der Erde gemessen wurde.
Luftdruck und Sauerstoffgehalt
Immer wieder wird auf die Verbindung und Abhängigkeit von Luftdruck beim Angeln und Sauerstoffgehalt des Wassers hingewiesen. Eine Änderung des Sauerstoffgehalts soll sich dabei negativ auf das Fressverhalten auswirken. Verfolgen wir die Linien des Luftdrucks auf Grafik 2, dann zeigt sich, dass hoher Luftdruck tatsächlich eine höhere Sauerstofflöslichkeit bewirkt. Es ist aber auch zu erkennen, dass die Sauerstofflöslichkeit nicht nur vom Luftdruck, sondern noch viel mehr von der Temperatur abhängig ist.
Gehen wir von einem Wetterwechsel aus, der eine Druckdifferenz von 20 hPa bewirkt. Dies würde einer maximalen Sauerstoffzu- oder abnahme um 0,2 mg/l entsprechen. Dieselbe Sauerstoffveränderung würde man unter konstanten Luftdruckbedingungen erhalten, wenn sich die Wassertemperatur um nur 1 Grad verändert. Vor allem in flachen Gewässern stehen solche Änderungen auf der Tagesordnung. Die Fische müssten also an solche Veränderungen gewöhnt sein.
Schauen wir genau auf die Fakten der üblichen Luftdruckveränderungen, dann erscheinen ihre Auswirkungen auf die Wasserbewohner nicht sonderlich dramatisch. Fische erfahren schon bei Schwimmbewegungen um einige Zentimeter auf- oder abwärts mehr Druckunterschied. Deshalb nehme ich nicht an, dass Fische durch den Druckausgleich gestresst werden. Dafür üben Luftdruckschwankungen zu wenig Druck auf den Fisch bzw. seine Luftblase aus. Die Fische müssen tagtäglich mit Druckdifferenzen und Sauerstoffschwankungen fertig werden.
Luftdruck beim Angeln – Fazit
Der Luftdruck beim Angeln bleibt aber sicher ein interessantes Thema für Petrijünger. Wenn sie nichts fangen, wird weiterhin überprüft, ob sich der Luftdruck verändert hat, und dabei eine mögliche Erklärung gefunden. Aber wir sollten vielleicht auch einmal den Luftdruck beim Angeln beachten, wenn wir gut gefangen haben. Gibt es nicht auch Tage, an denen die Fische trotz Luftdruckveränderung gut beißen? Schließlich spielen noch viele andere Faktoren ins Beißverhalten hinein. Der Luftdruck kann da unter Umständen untergeordnete Bedeutung haben.