Sauerstoff im Wasser: Das sollten Angler wissen!

In den letzten Jahren scheint es immer mehr Fischsterben in den Sommermonaten zu geben. Woran liegt das und was kann ich als Angler tun? Die Antwort dreht sich um den Sauerstoff – wir liefern Fakten zum wichtigsten Atemgas im Wasser und an Land.

Wasser und Sauerstoff: Das sind die beiden wichtigsten Stoffe für das Leben auf unserem Planeten – auch für Fische!

Bild: Bastian Gierth

Wasser und Sauerstoff: Das sind die beiden wichtigsten Stoffe für das Leben auf unserem Planeten – auch für Fische!

Es ist ein heißer Sommertag, die Temperatur liegt oberhalb der 30-Grad-Marke und auch das Wasser hat sich in den letzten Wochen ordentlich aufgeheizt. Trotz der hohen Temperaturen taucht die Raubfischpose schließlich ab – Hecht! Da der Fisch untermaßig ist, muss er allerdings zurück. Nach dem Hakenlösen setzen Sie also den Hecht wieder in sein nasses Element. Doch anstatt wegzuschwimmen, taumelt er nur ein wenig hin und her und sinkt schließlich sterbend auf den Grund des Sees. Warum das besonders im Sommer häufig passiert und warum es gerade dann zu Fischsterben kommt, hängt mit dem Sauerstoff im Wasser zusammen. In diesem Artikel beantwortet Biologe und AngelWoche-Redakteur Thomas Pruß die wichtigsten Fragen für Angler.

Woher kommt der Sauerstoff?

Die Luft besteht aktuell zu etwa 21% aus Sauerstoff, doch das war überraschenderweise nicht immer so. Denn in ihren Anfängen war die Erde nahezu sauerstofffrei. Das damals entstehende Leben musste seine Energie zum Wachsen und Fortpflanzen aus anderen Quellen schöpfen. Und dann, vor etwa 2,4 Milliarden Jahren, geschah eine Umweltkatastrophe ungeheuren Ausmaßes: Innerhalb relativ kurzer Zeit (wir sprechen hier von einigen, wenigen Millionen Jahren) erschien der Sauerstoff in der Atmosphäre. Die Wissenschaft nennt das die „Große Sauerstoffkatastrophe“ (Great Oxidation Event, oder GOE). Die Ursache waren Organismen, welche die Fotosynthese zur Energiegewinnung nutzten. Dabei wird – wer im Bio-Unterricht aufgepasst hat, erinnert sich – aus Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser schließlich Sauerstoff.

Wasserpflanzen sind für Fische nicht nur gute Standplätze, sondern produzieren ganz nebenbei lebenswichtigen Sauerstoff.

Bild: Florian Pippardt

Wasserpflanzen sind für Fische nicht nur gute Standplätze, sondern produzieren ganz nebenbei lebenswichtigen Sauerstoff.

Sauerstoff war und ist also letztlich ein Abfallprodukt aus der Energiegewinnung durch Fotosynthese. Damals setzte ein Massenaussterben ein, denn für die meisten Lebewesen aus dieser frühen Erdgeschichte war der Sauerstoff schlichtweg giftig. Alle, die sich nicht an das neue Gas in der Atmosphäre anpassen konnten, starben aus. Mit steigenden Sauerstoffwerten in der Atmosphäre entwickelten sich schließlich Lebewesen, die den Sauerstoff zur Energiegewinnung nutzen, sprich „atmen“ konnten.

Dummerweise wurde die Evolution dann durch eine komplette Vereisung des Planeten („Großer Schneeball“) für mehr als 500 Millionen Jahre ausgebremst. Treibhausgase führten jedoch dazu, dass die Erde wieder auftaute. So konnte das Leben nach dieser Zwangspause förmlich explodieren: Innerhalb von nur 5 bis 10 Millionen Jahren entstanden zu dieser Zeit alle heutigen Tierstämme. Und so wurde das „Umweltgift“ Sauerstoff zum größten Antriebsmotor des Lebens auf der Erde!

Wie löslich ist Sauerstoff im Wasser?

Sauerstoff kann sich im Wasser lösen – logisch, nur so können die Fische unter Wasser atmen. Sauerstoff löst sich zum Beispiel aus der Luft im Wasser, wenn fließendes Wasser einen Fels umströmt und so Luft unter Wasser gedrückt wird.

Der Punkt, an dem die größtmögliche Menge an Sauerstoff im Wasser gelöst ist, nennt man Sättigungszustand. Es kann nie mehr als diese Menge an Sauerstoff im Wasser vorhanden sein, zumindest nicht über längere Zeit. Wann dieser Sättigungszustand erreicht ist, das heißt, wie viel Sauerstoff das Wasser aufnehmen kann, hängt zum Beispiel vom Umgebungsdruck und den gelösten Stoffen, wie etwa Salzen ab.

Die Löslichkeit von Sauerstoff sinkt mit steigender Temperatur. Bei 30° kann Wasser nur etwa die Hälfte aufnehmen, wie es bei 1°C der Fall ist.

Bild: Blinker

Die Löslichkeit von Sauerstoff sinkt mit steigender Temperatur. Bei 30° kann Wasser nur etwa die Hälfte aufnehmen, wie es bei 1°C der Fall ist.

Eine Hauptrolle spielt dabei auch die Temperatur. Denn: Die Löslichkeit des Sauerstoffs nimmt mit steigender Temperatur ab. Das bedeutet: Kaltes Wasser kann mehr Sauerstoff aufnehmen als warmes Wasser. So kann Wasser bei 1°C 14,2 mg Sauerstoff pro Liter aufnehmen, bei 30°C sind es nur noch 7,5 mg/l – also nur etwa die Hälfte. Genau dieser Effekt spielt auch im Sommer bei den Fischen eine entscheidende Rolle.

Wie viel Sauerstoff ist im Wasser?

In Gewässern finden sauerstofferzeugende Prozesse (z.B. Fotosynthese-Aktivität von Wasserpflanzen) und sauerstoffverbrauchende Prozesse (z.B. Fäulnisprozesse und Atmung von Fischen) statt. Da Sauerstoffproduktion und -verbrauch von vielen Faktoren abhängen, wie Lichteinstrahlung, Gewässertrübung, Temperatur und Nährstoffmenge, ist der Sauerstoffgehalt von Gewässer zu Gewässer verschieden.

Schwankungen im Laufe des Tages

Er schwankt sogar innerhalb desselben Gewässers im Tagesverlauf. Während am Tag grüne Pflanzen und Algen im Wasser durch Fotosynthese Sauerstoff erzeugen, steigt der Gehalt für gewöhnlich an. Teils wird sogar so viel Sauerstoff produziert, dass das Wasser diesen nicht mehr lösen kann (Sättigungszustand, Sie erinnern sich?), und er sichtbar als Bläschen von den Pflanzenblättern aufsteigt.

Tatsächlich wird, global betrachtet, ein Großteil des Sauerstoffs nicht an Land, sondern unter Wasser produziert. Eigentlich wäre es also treffender, von der „Blauen Lunge des Planeten“ zu sprechen. Über die Nacht laufen im Gewässer dann ausschließlich sauerstoffzehrende Prozesse ab. Die Pflanzen selbst verbrauchen in der Dunkelheit ebenfalls Sauerstoff, sodass der Sauerstoffgehalt über Nacht sinkt. Wir wissen: Die Temperatur bestimmt, wie viel Sauerstoff das Wasser theoretisch aufnehmen kann.

Verschiedene Gewässer haben unterschiedlich viel Sauerstoff

Wie viel des Gases dann aber am Ende vorliegt, das ergibt sich aus der Differenz aus Sauerstoffverbrauch und -produktion. Und in der Natur liegt die vorhandene Sauerstoffmenge eigentlich immer deutlich unter dem Sättigungszustand. In klare Gewässer dringt viel Licht vor (viel Fotosynthese von Pflanzen = viel Sauerstoffproduktion), dazu sind weniger organische Stoffe vorhanden (wenige Abbauprozesse = wenig Sauerstoffverbrauch). Stehende Gewässer sind in der Regel wärmer und können daher von vornherein weniger Sauerstoff speichern. In Fließgewässern, in denen das Wasser stark verwirbelt wird, es plätschert und rauscht, löst sich zudem mehr Sauerstoff aus der Luft im Wasser. Daher hat der typische Forellenbach einen höheren Sauerstoffgehalt als der braune Karpfenteich.

Wie auch wir Menschen, gehen es auch die meisten Fische im heißen Sommer eher ruhiger an. Wir Angler sollten sie dann nicht unnötig stressen – das tut schon der Sauerstoffmangel.

Bild: Bastian Gierth

Wie auch wir Menschen, gehen es auch die meisten Fische im heißen Sommer eher ruhiger an. Wir Angler sollten sie dann nicht unnötig stressen – das tut schon der Sauerstoffmangel.

Wie viel Sauerstoff brauchen Fische?

Aus der Fischerprüfung wissen wir, dass man den Fluss in verschiedene Regionen einteilen kann: Forellenregion, Äschenregion, Barbenregion, Brassenregion und zuletzt Kaulbarsch-Flunder-Region. Jede Fischart hat andere Ansprüche an ihren Lebensraum. Der Sauerstoffbedarf von Fischen unterscheidet sich von Art zu Art und ist zudem abhängig von der Wassertemperatur und Alter bzw. Größe der Fische.

Wie viel Sauerstoff Fische benötigen, kann man also nicht pauschal beantworten. Doch gibt es für jede Fischart bestimmte Grenzwerte, also Minimal-Sauerstoffkonzentrationen, unterhalb denen die Fische nicht überleben können. Forellen, die typischerweise kalte, sauerstoffreiche Bäche und Flüsse bewohnen, brauchen zum Beispiel etwa doppelt so viel Sauerstoff wie Schleien, die an ein Leben in meist deutlich wärmeren und sauerstoffärmeren Seen angepasst sind.

Manche Fischarten, wie zum Beispiel der Schlammpeitzger, können Sauerstoff über die Luft aufnehmen.

Bild: AngelWoche

Manche Fischarten, wie zum Beispiel der Schlammpeitzger, können Sauerstoff über die Luft aufnehmen.

Dann gibt es noch Spezialisten wie den Schlammpeitzger, der sogar in fast sauerstofffreiem Wasser überleben kann, indem er atmosphärischen Sauerstoff aus der Luft aufnimmt. Durch Stress, etwa während eines anstrengenden, langen Drills oder bei einem „Landgang“, wie beim Hakenlösen oder Fotografieren, steigt der Sauerstoffbedarf von Fischen an. Der eingangs erwähnte Hecht, der noch genug Sauerstoff zur Verfügung hatte, gerät durch den Drill und das Abhaken also in Atemnot. An Catch & Release ist jetzt nicht mehr zu denken.

Wie verändern sich Gewässer im Klimawandel?

In Deutschland freut man sich jedes Jahr auf den Sommer, und fast könnte man meinen, der Klimawandel wäre eine gute Sache. Wärmere Sommer mit weniger Niederschlag klingen eigentlich doch sogar ganz angenehm, oder? Aber trockenere, heißere Sommer sorgen auch für niedrigere Wasserstände, weniger Wasseraustausch und höhere Temperaturen in den Gewässern.

Diese Faktoren begünstigen niedrige Sauerstoffwerte im Wasser. Durch die Niedrigwasserstände wird sich außerdem der Anteil der Abwässer in den Gewässern erhöhen. Im späten Frühjahr und im Sommer, eben zu den Niedrigwasserzeiten, treiben in fast allen Flüssen zwischen 10 und 20 Prozent Abwässer. In der Nähe von Städten liegt der Anteil noch höher. Flüsse wie der Neckar, Nieder- und Mittelrhein oder die Ems füllen sich im Sommer sogar zu über 50 Prozent mit Abwasser. Zwar handelt es sich um gut geklärte Abwässer, dennoch tragen sie zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch bei.

Forellen, die in kühlen Gebirgsbächen leben, haben einen höheren Sauerstoffbedarf als beispielsweise Schleien.

Bild: Olivier Portrat

Forellen, die in kühlen Gebirgsbächen leben, haben einen höheren Sauerstoffbedarf als beispielsweise Schleien.

Wie kommt es zu Fischsterben?

Mittlerweile dürfte klar sein, wie Fischsterben und der Sauerstoffgehalt zusammenhängen: Sinken die Sauerstoffwerte unter einen bestimmten, fischartenspezifischen Wert, ersticken die Fische – es kommt zum Fischsterben. Ist ein Gewässer stark organisch belastet, finden viele sauerstoffzehrende Abbauprozesse statt. Ist das Wasser beispielsweise während einer Hitzeperiode im Sommer sehr warm, ist ohnehin wenig Sauerstoff im Wasser gespeichert. Der wenige vorhandene Sauerstoff wird durch Abbauprozesse aufgezehrt und so droht den Fischen der Erstickungstod.

Hinzu kommt noch, dass in stark belasteten Gewässern den Algen und Wasserpflanzen die Fotosynthese erschwert wird. Durch trübes Wasser dringt kaum Licht, Pflanzen produzieren also nur wenig Sauerstoff. Zusätzlich zu den genannten Problemen können Schwebstoffe die Kiemen der Fische buchstäblich verstopfen. Genau so ein Fall tritt fast jedes Jahr in der Elbe um Hamburg herum auf.

Welche Rolle spielt Gewässerverbauung?

Der Rhein beispielsweise ist komplett zu einer „Rennbahn“ für die Frachtschifffahrt geworden: begradigt, kanalisiert, die schier zahllosen Seitenarme zugeschüttet. Aber auch kleinere Flüsse sind begradigt und/oder aufgestaut. Durch die Begradigung erhöht sich die Fließgeschwindigkeit, andererseits führen die Stauhaltungen zu einer Verschlammung des Grundes, es drohen vermehrt sauerstoffzehrende Prozesse in Bodennähe.

Begradigten Flussabschnitten fehlen ausgedehnte Flachwasserzonen. Dort produzieren Wasserpflanzen normalerweise eine große Menge an Sauerstoff.

Bild: Florian Pippardt / Johannes Radtke

Begradigten Flussabschnitten fehlen ausgedehnte Flachwasserzonen. Dort produzieren Wasserpflanzen normalerweise eine große Menge an Sauerstoff.

Ein natürlicher Fluss besitzt Mäander, Felsen, Untiefen und andere Hindernisse, welche die Strömung brechen – so entstehen Verwirbelungen, und es gelangt mehr Sauerstoff aus der Luft ins Wasser. Gibt man den Flüssen wieder mehr Platz, erhöhen sich auch automatisch die Flächen, in denen Sauerstoff produziert und Schadstoffe abgebaut werden können.

In den flachen Seitenarmen wachsen Wasserpflanzen aller Art, die Sauerstoff produzieren. Das Wasser fließt dort streckenweise relativ schnell, was ebenfalls den Sauerstoffeintrag fördert und das sauerstoffreiche Wasser weiter trägt. Bäume beschatten die Wasseroberfläche, das kühlt das Wasser im Sommer und erhöht seine Bereitschaft, Sauerstoff aufzunehmen.

Wenig Sauerstoff im Wasser: Was kann ich als Angler tun?

Wie Sie nun wissen, haben Fischsterben im Sommer zum großen Teil mit Sauerstoff bzw. Sauerstoffmangel zu tun. Das gilt sowohl im kleinen Maßstab, wie am Beispiel des Hechts, der das Zurücksetzen an einem heißen Tag nicht überlebt, als auch im großen Maßstab, wenn ganze Gewässer betroffen sind. Wir als Angler können unseren Teil beitragen und mit dem richtigen Verhalten unseren geliebten Flossenträgern entgegenkommen.

Bei hohen Temperaturen sollten Angler den Fisch möglichst kurz drillen und schnell zurücksetzen.

Bild: Sander Boer

Bei hohen Temperaturen sollten Angler den Fisch möglichst kurz drillen und schnell zurücksetzen.

  • Angeln in Zeiten, wenn die Temperaturen niedriger sind ( z.B. nach Regenfällen).
  • Den Drill möglichst kurz halten, nicht mit zu leichtem Gerät fischen.
  • Das Zurücksetzen der Fische an heißen Tagen schnell und möglichst ohne den Fisch aus dem Wasser zu heben erledigen.
  • Auf ausgiebige Foto-Sessions außerhalb des Wassers verzichten.
  • Bei hohen Wassertemperaturen Futter maßvoll einsetzen, denn nicht gefressenes Futter führt zu einer vermehrten Sauerstoffzehrung am Grund.
  • Maßnahmen zu Gewässerrenaturierung unterstützen – naturbelassene Gewässer sind weniger anfällig für Sauerstoffmangel.
  • Gefangene, maßige Fische bei hohen Temperaturen entnehmen, gezieltes Catch & Release nur bei Wassertemperaturen von höchstens 18°C (Forelle, Äsche), bzw. 23°C (andere Fischarten), da die Sterberate nach dem Zurücksetzen sonst massiv ansteigt.


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