Wahrheit oder Mythos? Unter Anglern kursieren zahlreiche Geschichten, denen man sich bedienen kann, um Erfolg oder Misserfolg am Wasser zu begründen. Wir klären einige der meistgehörten Angelmythen auf.
Angelmythos 1: Hechte sind Einzelgänger und haben ihr festes Revier
Wenn man sich beispielsweise den Esox lucius ansieht, also den Europäischen Hecht, heißt es in vielen Werken häufig: „Ein Hecht kommt immer allein“! Diesem Lehrspruch folgen viele Angler und sobald sie einen einen Hecht gefangen haben, wechseln sie daher oft die Stelle, um woanders einen weiteren zu erwischen. Doch häufig ist genau das ein Fehler.
Hechte folgen ihrer Beute
Ich erinnere mich an eines meiner Vereinsgewässer, in denen sich die Weißfische im Winter immer wieder in eine bestimmte Bucht zurückziehen. Und die Hechte folgen ihnen. Oft kann man hier gleich mehrere Fische beim Rauben in die Rotaugenschwärme beobachten. Und an guten Tagen fängt man oft sogar zwei Fische hintereinander. Hier zeigen die Räuber keine Spur von Revierverhalten. Ebenso ergeht es den Freiwasserhechten in großen Natur- und Stauseen. Hier folgen die Hechte den Maränen und verlassen sich nicht darauf, dass ein Maränenschwarm an ihrem Einstand vorbeischwimmt. Sie sind aktive Jäger ohne Revier und folgen ihren Futterfischen.
Angelmythos 2: Hechte beißen nur tagsüber im Hellen
Der Hecht ist ein Augenjäger. Er beobachtet seine Beute und schießt dann aus seiner Deckung, um sie zu schnappen. Und um seinen Appetit zu stillen, braucht er Licht. Das ist aber nachts nicht vorhanden und deshalb holen viele Kollegen ihre Hechtrute ein, sobald es dämmert. Doch Hechte haben auch ein Seitenlinienorgan, mit dem sie ihre Beute orten können. Diese Sinneszellen entlang der Seitenlinie nehmen jede Vibration im Wasser wahr und führen den Hecht sicher zum Beutefisch. Meist sind es Aal- oder Zanderangler, die nachts von immer mehr Hechten als Beifang berichten und sich nicht ans Lehrbuch halten. Seitdem versuchen einige, gezielt Hechte auch nachts zu beangeln und siehe da: Es wurden enorme Fänge gemacht!
Angelmythos 3: Hechte beißen bevorzugt auf XXL-Köder
Für manche Angler gilt die Regel: Große Köder, große Hechte! Doch trifft das immer zu? Wissenschaftliche Studien zum Fressverhalten des Hechts haben ergeben, dass der durchschnittliche Hecht sich bevorzugt von Beutefischen zwischen 10 und 20 Zentimetern ernährt. Zwar werden häufiger auch größere Köder attackiert, dann jedoch wieder fallen gelassen. Für einen Meterhecht darf man schon einen schönen Brocken anbieten, aber die Frage bleibt, ob der Fisch nicht auch auf einen kleineren Gummifisch gebissen hätte? Außerdem geht das Werfen großer Köder ganz schön an die Substanz, und wer den ganzen Nachmittag Big-Baits wirft, braucht sich über einen kräftigen Muskelkater in den Armen am nächsten Tag nicht zu wundern.
Ein weiteres Argument für gedrosselte Ködergrößen: Es gibt Gräben mit verbuttetem Weißfischbestand, in denen Hechte mit Vorliebe Fische zwischen 7 und 10 Zentimeter fressen – und auch von dieser kleinen Kost wachsen sie bis zu kapitalen Größen heran. Sie müssen dann nur mehr von den kleinen Fischen fressen, um ihren Energiebedarf zu decken.
Angelmythos 4: Das Wetter spielt beim Angeln keine Rolle
Zum Thema Wetter pflegte schon ein etwas betagterer Kollege gern zu sagen: „Fische beißen dann, wenn ich am Wasser bin“. Ist es demnach also egal, bei welchem Wetter ich am Wasser bin? Meine ehrliche Meinung? Ich glaube, nein. Einige Fische sind wetterempfindlich und ich muss beispielsweise wissen, dass Karpfen erst ab einer Wassertemperatur von zehn Grad anfangen, gut zu fressen. Wenn ich allerdings den Erfolg erzwingen will, und bei nur fünf Grad kaltem Wasser angeln gehe, muss ich mich nicht wundern, wenn ich als Schneider wieder nach Hause komme.
Fische spüren Wetterumschwünge schon vorher
Manchmal spüren Fische auch schon einen Tag vor einem Wetterumschwung, dass die Temperaturen fallen werden, und ihre Mäuler bleiben geschlossen. Das erlebte ich mit meinem Kollegen Michael Werner. Am frühen Nachmittag konnte ich noch drei Karpfen fangen, am Spätnachmittag, als Michael zu mir stieß, bekamen wir beide keinen einzigen Zupfer mehr. Auf der Rückfahrt vom Wasser konnte ich dann an der Temperaturanzeige im Auto sehen, dass die Grade von 22 auf knapp 15 Grad gefallen waren, und das in nur drei Stunden. Noch schlimmer reagieren Zander auf einen Temperaturabfall. Meist brauchen sie mehrere Tage, um sich auf kältere Temperaturen einzustellen.
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Angelmythos 5: Kapitale Barsche stehen im Winter immer im tiefen Wasser
Im Winter zieht es die Barsche gern in die tiefen Regionen des Sees, oftmals wo möglich sogar jenseits von zehn Metern. Doch wenn man einen Barsch gehakt hat, und ihn zu schnell nach oben drillt, erleidet er die Trommelsucht, weil seine Schwimmblase den Druckausgleich zwischen dem tiefen und dem Oberflächenwasser nicht so schnell bewältigen kann. Häufig kommt dem Fisch dann der Magensack aus dem Maul.
Wie aber sieht es mit den großen Fischen jenseits der 40 Zentimeter aus? Diese versammeln sich vor der Laichzeit meist in relativ flachem Wasser bis maximal drei Meter Tiefe. Hier fressen sie vor allem Krebse und lassen sich hier mit Krebsimitaten bestens fangen. In so flachem Wasser brauchen sie keinen Überdruck in ihrer Schwimmblase zu befürchten. Also sollte man erst im Flachen starten, bevor man sich den Tiefenbarschen zuwendet.
Angelmythos 6: Es gibt ihn, den einen wahren Superlockstoff
Gerade Friedfischangler sind beständig auf der Suche nach dem einen „Superlockstoff“. Dieser geheimnisvolle Stoff X soll ihnen Schneidertage ersparen. Doch gibt es wirklich einen solchen Super-Stoff? Vor einigen Jahren bepinselten viele Matchangler ihre Köder mit Polvitamo, einem flüssigem Beißverstärker für Maden und Würmer, der ihnen bei Hegefischen einen guten Erfolg sichern sollte. Zuerst schienen ihre Fänge denen der Konkurrenz überlegen zu sein, doch je mehr Angler diesen Lockstoff verwendeten, desto mehr schien seine Attraktivität bei den Fischen nachzulassen.
Mittlerweile gibt es die Magie aus der Flasche nur noch in wenigen spezialisierten Läden für Stippfischer. Dieses Schicksal teilte Polvitamo mit Scopex, Monster Crab und anderen Flavours aus der Karpfenangelei, die alle ihre Zeiten hatten, dann aber (oft zu Unrecht) irgendwie in Vergessenheit gerieten.
Angelmythos 7: Leitungswasser zum Anmischen von Futter
Noch vor einigen Jahren war es bei Match- und Stippanglern verpönt, sein Futter mit Leitungswasser anzumachen. Angeblich enthielt dieses zu viele Chloride und Nitrate, die später das Beißen der Fische negativ beeinflussen würden. Doch das Trinkwasser ist in den letzten zwei Jahrzehnten durch noch bessere Kläranlagen sauberer geworden und müsste eine wesentlich höhere Menge an Chloriden und Natrium enthalten, um aktuell einen Einfluss auf die Fische zu haben.
Daher mische ich mir mein Futter bereits am Vorabend des Angelns an und kann es dann zwischen den Befeuchtungs-Phasen immer wieder ziehen lassen, damit auch alles Wasser gut absorbiert wird. Vor allem im Winter, bei morgendlichen Minusgraden, weiß ich ein bereits fertiges Futter sehr zu schätzen und muss mir nicht am Wasser die Hände abfrieren.
Angelmythos 8: Hanf macht Fische abhängig
Hanf ist einer der besten Lockstoffe für Friedfische. Doch der Grund liegt nicht darin, dass die Hanfkörner die Fische abhängig machen, und er enthält auch keine berauschenden Substanzen. Vielmehr scheinen Karpfen, Schleien und Co. die nussige Qualität vom Hanf zu schätzen. Außerdem sorgt das Hanföl für eine attraktive Geruchsspur. Und die Körner ähneln kleinen Wasserschnecken, welche die Schuppenträger zum Fressen gern haben.
Hanf regt den Stoffwechsel an
Ein weiterer Grund: Die schwarzen Körner regen den Stoffwechsel der Fische an. Und deshalb müssen sie mehr fressen. Wer allerdings ausschließlich mit Hanf füttert, schafft es, dass die Fische sich auf diesen spezialisieren und einen Köder manchmal links liegen lassen.
Angelmythos 9: Fische vergessen negative Erfahrungen schnell
Manche Angler glauben, dass Fische ein Kurzzeitgedächtnis von nur wenigen Sekunden haben, doch das ist nicht wahr. Denn haben Fische bereits negative Erfahrungen mit Haken gemacht, werden diese nicht so schnell vergessen.
An einem Gewässer, dem Wye in England, wurden in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts am Nachmittag bis zu 40 Fische gefangen. Das berichtete John Bailey. Doch mit steigendem Angeldruck blieben die Mäuler der Fische immer mehr geschlossen. Dann wurde der Flussabschnitt für ein Jahr geschlossen. Manche sagten schon einen neuen Barben-Run voraus. Doch dieser blieb aus. Die Fische waren noch genau so vorsichtig wie vor der Sperrung. Die Fische hatten einfach ein gutes Gedächtnis!
Angelmythos 10: Die Farbe Rot ist im Wasser schlecht zu sehen
Forscher haben angeblich herausgefunden, dass je tiefer man einen Köder fischt, die Farbe Rot als eheste unsichtbar wird. Trotzdem scheinen viele Fischarten genau diese Farbe Rot zu ihrer Lieblingsfarbe erkoren zu haben. Warum also lieben Karpfen rote Köder? Eine mögliche Erklärung wäre, dass sie sich wahrscheinlich von Zuckmückenlarven ernähren. Rote Kunstmaden oder sogar Kunst-Zuckis stehen also ganz oben auf ihrem Speiseplan. Und Hechtangler befestigen rote Bait-Flags an ihren toten Köderfischen, um den Räubern noch einen Extra-Reiz zu bieten. Rote Farbe kommt beispielsweise auch bei der Forellenangelei zum Einsatz. So verführt die „Red Tag“-Fliege die Fische gerade durch ihr rotes Schwänzchen. Rot liegt also bei den Fischen voll im Trend.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Blinker 01/2022 – hier geht es zur aktuellen Ausgabe!