Unbekannte Größen

Mit der leichten Spinnrute am Galten See. BLINKER

Nach Norwegen fährt man wegen der Meeresangelei. Oder wegen der riesigen Lachse. Karl Koch aber reiste ­wegen der Renken in die südnorwegische Provinz ­Hedmark. Denn da gibt es die großen und schmack­haften ­Fische, die kaum einer erwartet und erst recht keiner befischt, so häufig wie bei uns Rotaugen.

Die Fülle an Angelgewässern über­­wältigt. 700 glasklare, natur­belassene Seen, Flüsse und Bäche bietet die Gemeinde Engerdal in Südostnorwegen nahe der schwedischen Grenze. Der Preis für den dafür erforderlichen Angelschein beträgt 350 norwegische Kronen (ca. 42 Euro) pro Jahr. Das reicht Ihnen noch nicht? Dann nden Sie 200 weitere private ­Gewässer, für die es ebenfalls Erlaubnisscheine gibt. Wer aus dem platten Norddeutschland kommt, den treibt die überwältigend norwegische Landschaft an den Rand der Tränen. Hinter jeder Wegbiegung blinkt ein See oder ein Bach schäumt über Felsbrocken. Zwischen den stämmigen nordischen Kiefern schimmert irisches Moos, mächtige Bergrücken säumen den Horizont. Ähnlich aufregend wie die Landschaft sind die Fische. Ich bin der Renken (Coregonus lavaretus) wegen hierher gekommen, die gibt es in Engerdal, buchstäblich, wie bei uns Rotaugen. Zuhause habe ich in über 50 Anglerjahren nur eine einzige Renke gefangen;hier wimmeln Flüsse und Seen von ihnen. Nur ein Beispiel: Im 60 Kilometer langen Femund-See, dem zweitgrößten See Norwegens, fangen Berufsscher in der Saison mit nur einem einzigen stationären Netz 20 Tonnen. Rotaugen gibt es hier nur im Drevsjö und Vurrusjö, erzählt mir der Waldaufseher Björnar, in allen anderen Gewässern nehmen die Renken ihren Platz ein. Die beiden genannten Seen entwässern ostwärts nach Schweden, von dorther sind die Rotaugen zugewandert. Alle anderen Gewässer schicken ihr Wasser Richtung Westen ins Land der Renken. Die Frage, was ich lieber fange (und esse), Rotaugen oder Renken, erübrigt sich wohl, zumal die Renken bis 10 Pfund schwer werden. Wenn ich auch einräumen muss: Ganz so einfach wie Rotaugen lassen sich die Renken nicht fangen. Der richtige Standort im Lande der Renken ist der Bauernhof Galten Gard am Galten See. Der norwegische Renken-Rekord mit der Fliege von 8 Pfund 150 g stammt von hier. 2003 biss im nahen Isterfossen ein 7-Pfünder auf die Trockeniege, diesen Sommer ng ­Erik, der elfjährige Sohn des Besitzers, auf Spinner einen Fisch von fast vier Pfund.

Eine schöne Renke. Wie schwer sie wohl ist? BLINKER

Eine schöne Renke. Wie schwer sie wohl ist? BLINKER

Der Hof liegt wenige Meter vom 80 Hektar großen, bis 4 Meter tiefen See entfernt. Am anderen Seeufer bildet das Massiv des 1.755 Meter hohen Berges Sölen, wegen seiner zwei Buckel von uns Kamel-Berg genannt, den wuchtigen Hintergrund. Hausherr Per Roar Aarnes (39) betreibt den Hof mit seiner Frau Gertrud und seinen Schwiegereltern. Gäste wohnen in zünftigen Blockhäusern oder in Zimmern im Haupthaus. Es gibt ganz einfache Hütten ohne Strom und Wasser, oder aber Hütten mit allem Komfort. Wer will, verpegt sich selbst, aber auch Halb- und Vollpension sind möglich. Per Roar, hager, lang aufgeschossen und ständig gut gelaunt, ist lei­den­schaft­licher Fliegen­scher. Rolf Carsten aus Bot­trop, seit 10 Jahren regelmäßiger Gast, nennt Per im Scherz Mister Trocken­iege, denn er liebt nichts mehr, als wenn ein Fisch nach seiner Trocken­­­iege steigt. Wer will es ihm verdenken. Im Gegenzug verpasste Per Rolf den Spitznamen Mister Nym­phe. Am 26. August 2005 abends traten Per und ich am Isterfossen mit der Trockeniege zum Duell an gegen Mr. Nymphe, der natürlich seine gewohnten Waffen wähl­­te. Fossen heißt genau übersetzt Wasserfall. Allerdings ist der Ister­fossen eher eine reißende Strom­schnelle. Zügig strömt das Wasser aus dem See Isteren unter einer Brücke hindurch und tost und schäumt über Findlinge in den Einlauf des Galten Sees. Stromauf der Brücke darf nur mit der ­Fliege gescht werden. Das gleiche gilt für den Galt-Strömmen, eine 500 Meter lange Strecke im Zuuss des Galten Sees. Dies sind die beiden einzigen Stellen in En­gerdal, die für ­Fliegenscher re­ser­viert sind. Überall sonst sind sämtliche Angelmethoden erlaubt. Als Per und ich zum Duell gegen Mr. Nymphe antreten, bekomme ich einen Eindruck von dem überquellenden Fischreichtum. Wenn ich sage Hunderte von Fischen stiegen in der zügigen Strömung, ist das eher eine Untertreibung.

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