Er ist Angler in der niedersächsischen Provinz, aber sein Sehnsuchtsland ist Marokko. Seit mehr als 40 Jahren bereist Folkert Waldeck das nordwestafrikanische Land, mittlerweile auch mit der Angel. Vor jeder seiner Flugreisen stellt er sich dieselben Fragen: Welche Rute? Welches Wurfgewicht? Und vor allem: Welches Packmaß darf die Ausrüstung haben? Aktuell hat er sich für eine Reiserute mit 2,70 m Länge entschieden. 40 bis 90 g. Fünfteilig. „Meine alte Reiserute musste ich als Sondergepäck aufgeben – und das geht ins Geld. Die Neue passt in den Koffer.“ Eine gute Wahl?
Die Reiserute punktet beim Packmaß
Christian Weckesser ist seit 1985 Rutenbauer. Gleich zu Beginn des Gesprächs in seiner Werkstatt im unterfränkischen Veitshöchheim gibt der Experte das Mantra seiner Branche zum Besten: „Jeder Schnittpunkt ist ein Schwachpunkt.“ Anders ausgedrückt: Umso kleinteiliger eine Rute ist, desto mehr Stellen hat sie, an denen sie brechen kann. Theoretisch sind einteilige Ruten optimal. Doch praktisch sind sie ungünstig zu transportieren.
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Folkert Waldeck testet seine neue Reiserute, bevor es wieder nach Marokko geht.
Und noch ein weiteres Argument, sagt Weckesser, spreche für Reiseruten und ihr kleines Packmaß: „Eine zweiteilige Rute kann ich nur als Sportgepäck transportieren, es wird separat gehändelt – und muss nicht unbedingt dort landen, wo man selbst gelandet ist. Es kommt nicht immer an.“ Als der Rutenbauer mit dem bekannten Sportangler und Angelreisenden Olivier Portrat vor vier Jahren in die Mongolei geflogen ist, blieb ein Gepäckrohr mit Ruten zunächst auf der Strecke. Folge: Ein Mitglied der Angelgesellschaft musste am Flughafen von Ulan Bator auf das Sondergepäck warten, die anderen sind vorgefahren. Nicht gerade der Optimalfall für eine Angelreise, die einiges an Kosten und Planung verschlingt.
Angelurlaub: Große Koffer lohnen sich!
Folkert Waldeck ist nicht zuerst wegen des Angelns nach Marokko geflogen, er hat das Königreich mit seiner Lebensgefährtin bereist und nebenbei gefischt, wenn sich die Gelegenheit ergab. In Binnenseen konnte er mit 12 g-Spinnern schöne Schwarzbarsche fangen: „Echte Kämpfer, mit der Reiserute war das schon ziemlich perfekt.“ Am Meer hat der Marokko-Reisende Pilker bis 60 g geworfen. Und dafür, sagt Waldeck, müsse die Rute „Wumms“ haben: „Da es geht um Weite, dann zeigt sich, was die Rute kann. Ich bin zufrieden.“
In solchen Fällen könne der Kauf einer Reiserute tatsächlich eine gute Idee sein, meint Weckesser. Sein Tipp: die Anschaffung eines maximal großen Koffers. „Das zahlt sich aus. Bei einer Angel mit einer Länge von sieben Fuß (ca. 2,10 m) sind drei Teile möglich, die etwas länger als 70 Zentimeter sind. Diagonal passt das so gerade noch in das normale Reisegepäck.“ Bei acht oder neun Fuß, also 2,40 m bis 2,70 m Länge, müssen es vier Teile sein, die kurz genug für den Koffer sind.
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Weckessers Custom-Angelruten werden mit solchen Bolzen perfekt ausbalanciert.
Wo die Reiserute keinen Sinn macht
Der Sportangler Nick Hammond lebt in der Nähe von Frankfurt und ist aus beruflichen Gründen viel unterwegs. Doch er reist auch in seiner Freizeit – dann selbstverständlich zum Angeln. Bei der Wahl seines Angelgepäcks unterscheidet er, ob ihn sein Arbeitgeber in die entlegenen Winkel der Welt schickt oder ob er selbst aufwändige Angelreisen organisiert. „Wenn nicht klar ist, ob ich nach der Arbeit Zeit zum Angeln finden werde, ist eine universelle Reiserute cool und flexibel.“ Aber eben auch ein Kompromiss. Denn letztlich stelle sich vor jeder Reise die Frage: Welchen Zielfisch habe ich im Auge? „Es kann eine teure Entscheidung sein, bei den Gepäckkosten zu sparen.“
Hammond geht gerne auf Thunfische und den GT (Giant Trevally oder zu Deutsch: Dickkopf-Stachelmakrele) angeln. Kürzlich hatte er im Golf von Oman einen langen Drill mit einem Gelbflossen-Thun (auf Instagram zu sehen unter @nhsuper7). Das Problem, vor dem jeder Hochseefischer steht: Thunas kämpfen vertikal, sie kommen nach oben, tauchen wieder ab und kommen wieder hoch. „Es ist unheimlich schwierig, solche Fische mit einer langen Spinnrute zu kontrollieren, wenn sie direkt vor oder unter dem Boot sind. Normalerweise ist das ein Fall für eine spezielle, kurze Hochseerute“, sagt Hammond.
Seine Empfehlung bei besonders schweren und starken Zielfischen: „Besorgen Sie sich eine Spezialrute für den jeweiligen Zielfisch, selbst, wenn sie nicht drei- oder vierfach geteilt ist. Bezahlen Sie das Sondergepäck.“ Kompromisslösungen, wie eine Universal-Reiserute, können sonst Fischverlust bedeuten.
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Rutenbau-Profi Christian Weckesser in seiner Werkstatt: Seit über 40 Jahren ist er im Geschäft.
Telerute als Alternative im Angelurlaub?
Beim Stichwort „Teleskopangel“ winkt Weckesser ab: „Du kriegst am ganzen Markt keine vernünftige Teleskoprute, zumindest nicht nach meiner Definition.“ Der Rutenbauer bezeichnet sich selbst als „intensiven, verrückten Angler. Als Freak“. Und auch seine Kunden seien Freaks, die gutes Handwerkszeug bevorzugen. Handlich, hochwertig, ausbalanciert: „Ich könnte in meiner Werkstatt auch mit einem billigen Schraubenzieher arbeiten, Spaß hätte ich damit nicht.“ Ein spezielles Thema seien die Ringe, zahlreiche Anbieter würden es mit der Qualität nicht genau nehmen. „Da gibt es riesige Unterschiede“, sagt Weckesser. Die Knackpunkte aus seiner Sicht: Schlechte Verarbeitung, minderwertiges Material und Ringeinlagen, die aus den Rahmen fallen.
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Bei Ruten von der Stange sind günstige Ringe häufig das größte Problem, sagt Christian.
Wieso bricht eine Reiserute?
Warum und in welchen Situationen brechen Angeln am häufigsten? Wenn sich eine Rute über die ganze Länge biege, könne sie ein hohes Gewicht abfedern, verdeutlicht der Rutenbauexperte: „Verändere ich den Winkel der Rute nach oben, biegt sich die Rute vor allem im oberen Teil und irgendwann nur noch in der Spitze. Da kann sie schon bei einem kleinen Fisch brechen. Die meisten Reiseruten werden geschrottet, wenn die Angel beim Anschlagen zu heftig hochgerissen wird. Die Spitze darf nicht zu weit in den Himmel zeigen.“ Auch heikel sind Bootsdrills – besonders, wenn der Fisch direkt unters Boot flüchtet.
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Rutenbauer Christian Weckesser und Kunde Nick Hammond begutachten einen gebrochenen Steckbolzen. Jede Teilung ist ein potenzieller Schwachpunkt.
Vorsicht beim Transport!
Der häufigste Fehler, der zu Rutenbrüchen führe, sei allerdings ein anderer: Schusseligkeit. Laut Weckesser ganz oben auf der Beliebtheitsskala: Das Einklemmen der Angel in der Heckklappe des Autos. Gleich dahinter: Angler, die ihre Ruten falsch ablegen und auf sie treten. Er kennt einen aktuellen Fall, in dem ein Sportangler drei Angeln in das Schiebedach eines Range Rovers gestellt und versehentlich die Zentralverriegelung des Autos aktiviert habe. „So schaffst Du drei auf einen Streich“, lacht der Rutenbauer.
Weckesser will bald nach Norwegen fliegen. Sein Gepäckplan: „Drei Ruten. Leicht, mittel, schwer. Drei- und vierteilig für den Hartschalenkoffer. Damit decke ich alles ab. Kein Zusatzgepäck.“ Hat er keine Angst davor, dass die Ruten im Koffer Schaden nehmen? Schließlich sind Flughafenmitarbeiter nicht dafür bekannt, besonders sensibel mit Gepäckstücken umzugehen. „Nein“, sagt Weckesser, „ich umwickele die Stofffutterale der Ruten mit Handtüchern – das genügt völlig.“
Bild: F. Weckesser
Passt die Reiserute in den Koffer, spart man sich das Sondergepäck.
Pro und Contra Reiserute
- + geringes Transportmaß
- + kein Übergepäck bei Flügen
- + einfacher Transport vor Ort
- – anfälliger (viele Schnittpunkte)
- – etwas schwerer (mehr Material)
- – häufig eher eine Universallösung als ein Spezialgerät
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