Woran erkenne ich eine gute Angelschnur?

Gute Angelschnur bringt mehr Fisch! Oder überhaupt Fisch – denn eine schlechte Leine lässt Dich im Stich. Wie man eine vernünftige Schnur zwischen der ganzen Werbung überhaupt erkennt, weiß Karsten Neumann. Er durfte bei einem großen Hersteller in die Produktion schauen!

Ein Aspekt, an dem Du eine vernünftige Angelschnur erkennen kannst, ist die angegebene Tragkraft. Eine 0,30er Mono trägt nie mehr als 9 Kilo; eine 0,40er schafft bis zu 14 Kilogramm. Viele Hersteller schummeln hier, um sich von der Konkurrenz abzuheben – Dir als Verbraucher nützt das aber wenig. Foto: K. Neumann

Bild: K. Neumann

Ein Aspekt, an dem Du eine vernünftige Angelschnur erkennen kannst, ist die angegebene Tragkraft. Eine 0,30er Mono trägt nie mehr als 9 Kilo; eine 0,40er schafft bis zu 14 Kilogramm. Viele Hersteller schummeln hier, um sich von der Konkurrenz abzuheben – Dir als Verbraucher nützt das aber wenig.

Achtung, der Satz tut weh: Deine Schnur ist bedeutend wichtiger als deine teure Rolle. Oder deine schöne Rute. Angelschnur ist kein emotionales Produkt, deshalb schenkt man ihr häufig zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei ist sie unsere direkte und einzige Verbindung zum Fisch! Ist sie minderwertig oder beschädigt, ist der Fisch weg.

Ich persönlich habe schon immer recht viel Wert auf meine Hauptschnur gelegt. Aber auch mir fiel es schwer, zwischen den ganzen Marken zu differenzieren – welche Schnur taugt etwas, welche nicht? Irgendwann wurde ich dann selbst Teamangler, bei der Firma Kryston. Das öffnete mir neue Möglichkeiten: Ich bekam direkte Einblicke in die Produktion und Produkteigenschaften von geflochtenen und monofilen Schnüren. So lernte ich, woran ich eine gute Leine überhaupt erkenne. Darauf kommen wir später zu sprechen, ich beginne zunächst ganz am Anfang: mit der Produktion.

Geflochtene Angelschnur

Was Dir bestimmt klar ist: Geflochtene wird aus einer gewissen Anzahl Einzelschnüre verflochten. Was Du vielleicht noch nicht weißt: Jeder dieser Einzelstränge besteht ebenfalls aus mehreren Einzelsträngen. Das nennt man übrigens „multifil“.

Geflochtene wird aus Dyneema hergestellt, man spricht auch von „hochmolekularen Polyethylen“ (kurz PE). Um einen Einzelstrang zu erhalten, wird PE-Granulat eingeschmolzen, multifil durch Düsen gedrückt, gestreckt und abgekühlt. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt, bevor die hauchdünnen Fäden letztlich miteinander verwoben werden.

Auch wenn es sich hier nicht um eine Angelschnur handelt: So wird ein Geflecht hergestellt! Einzelstränge aus Dyneema (PE) werden verwoben. PE selbst sinkt aber nicht, in einem sinkenden Geflecht befinden sich deshalb außerdem Teflon-, Polyester-, oder Fluorocarbonstränge. Foto: Ockert

Bild: Ockert

Auch wenn es sich hier nicht um eine Angelschnur handelt: So wird ein Geflecht hergestellt!
Einzelstränge aus Dyneema (PE) werden verwoben. PE selbst sinkt aber nicht, in einem sinkenden Geflecht befinden sich deshalb außerdem Teflon-, Polyester-, oder Fluorocarbonstränge.

Mehr als 70% Abriebfestigkeit geht nicht!

Interessant ist dabei, dass PE an sich immer schwimmt. Um eine sinkende Geflochtene zu erhalten, muss eine Materialmischung beim Verweben stattfinden. So werden z.B. bei einer achtfach Geflochtenen vier PE-Stränge mit vier Teflon-, Polyester- oder Fluorocarbonsträngen verwoben. Dadurch wird eine höhere Dichte als die des Wassers erreicht und die Schnur sinkt. Polyester wiederum hat jedoch die Eigenschaft, dass es keinerlei Tragkraft besitzt und generell steigt dadurch natürlich auch der Schnurdurchmesser an. Durch diese Kombination sowie Verdickung der Schnur, steigt dann allerdings auch die Abriebfestigkeit.

Grundsätzlich kann man also sagen: Eine sinkende Geflochtene ist abriebfester als eine schwimmende. Was aus Anglersicht auch Sinn macht, da die Sinkende ja mit Hindernissen am Gewässerboden viel eher in Kontakt kommt. Des Weiteren wird man bei einer Geflochtenen keine höhere Knotenfestigkeit als 70% (der angegebenen Tragkraft) erreichen können. Wobei dieser Wert schon wirklich hochklassig ist und mit Sicherheit von vielen Schnüren am Markt bei Weitem nicht erreicht wird. Aus diesem Grund solltest Du deinen Knoten eine besondere Aufmerksamkeit beim Binden schenken.

Auch solltest Du wissen, dass sehr eng geflochtene Angelschnüre weniger Tragkraft besitzen als lockerer geflochtene. Die Belastung auf die Einzelfäden ist hier einfach größer, da der Bewegungsspielraum nicht gegeben ist.

Weil sinkendes Geflecht nicht nur aus Dyneema besteht, ist es etwas dicker. Dadurch wird es aber auch abriebfester! Foto: K. Neumann

Bild: K. Neumann

Weil sinkendes Geflecht nicht nur aus Dyneema besteht, ist es etwas dicker. Dadurch wird es aber auch abriebfester!

So entsteht eine geflochtene Schnur

  1. Ausgangsgarn (PE/HMPE, bzw. Kevlar, etc.) wird auf passgenaue Klöppel gespult, anschließend in die Flechtmaschinen gesetzt
  2. Programmierung der Flechtmaschinen auf die Eigenschaften des entsprechenden Produkts
  3. Maschinen laufen sichtbar schnell, dennoch werden nur wenige Meter Schnur pro Tag fertig (je nach Flechtdichte und Material)
  4. Qualitätsprüfung des Rohgeflechts auf die vorgegebenen Anforderungen
  5. Schnur durchläuft ein komplexes Färbeverfahren (bei der Firma Climax ökologisch)
  6. Finale Prüfung des Geflechts (Durchmesser / Zugkraft / Farbechtheit) auf Längen von 5.000 Meter bis 50.000 Meter pro Großspule
  7. Konfektionierung: Längen zuschneiden, auf kleinere Spulen umspulen, etikettieren, verpacken

Monofile Angelschnur

Bei monofilen Angelschnüren wollen alle am liebsten immer die eierlegende Wollmilchsau. Abriebsfest soll sie sein; aber gleichzeitig nicht zu dick und dabei am besten kaum Dehnung und eine hohe Knotenfestigkeit besitzen. Jedoch schließt sich dies leider physikalisch aus.

Generell wird eine Mono ebenso extrudiert, wie ich es schon bei der Geflochtenen beschrieben habe. So eine Maschine kann dann auch schon mal 70 Meter lang sein, um die Fäden möglichst gleich­mäßig zu ziehen. Das Ausgangsmaterial ist jedoch ein anderes als bei Geflochtener. Monofile Angelschnüre bestehen zu 99 % aus Nylon, man spricht auch von „Polyamit“ (kurz PA). Um der Schnur letztlich ihre spezifischen Produkteigenschaften zu verleihen, bedient man sich einer Vielzahl möglicher Additive, die dem PA zugesetzt werden. So werden letztlich die genauen Dehnungseigenschaften, die Farben und die Steifigkeit aktiv beeinflusst.

Hier siehst Du den Ausgangsstoff für eine Monoschnur: PA-Granulat! Das Material wird eingeschmolzen und durch Düsen gedrückt. Foto: F. von Nolting

Bild: F. von Nolting

Hier siehst Du den Ausgangsstoff für eine Monoschnur: PA-Granulat! Das Material wird eingeschmolzen und durch Düsen gedrückt.

Je weicher, desto stärker

Grundsätzlich gilt: Je weicher eine Mono, desto höhere Knotentragkräfte besitzt sie. Aber desto mehr Dehnung muss man auch in Kauf nehmen! Eine Dehnung von 20-30% ist wohl als Standardwert zu betrachten. Eine hohe Abriebfestigkeit lässt sich in erster Linie nur über einen höheren Durchmesser erreichen, was wiederum zur Folge hat, dass die Schnur steifer wird und dadurch wiederum weniger Knotentragkraft und mehr Memoryeffekt besitzt.

Nachdem das flüssige Granulat durch die Düsen gedrückt wurde, entsteht eine dicke Schnur (1. Streckung). Diese wird mehrfach gestreckt und somit dünner gezogen, um den gewünschten Durchmesser zu erhalten. Foto: F. von Nolting

Bild: F. von Nolting

Nachdem das flüssige Granulat durch die Düsen gedrückt wurde, entsteht eine dicke Schnur (1. Streckung). Diese wird mehrfach gestreckt und somit dünner gezogen, um den gewünschten Durchmesser zu erhalten.

Dieser Memoryeffekt ist es auch, der es erforderlich macht, dass Du deine Mono regelmäßig austauschst. Durch das Einkurbeln und Ausbringen der Schnüre verdrallt sie mit der Zeit, da das PA sich in sich selbst verdreht. Wird der Effekt zu stark, liegt die Mono nicht mehr gerade gestreckt auf dem Grund, sondern kräuselt sich wie eine Spirale und springt auch ständig von der Spule.

Fluorocarbon

Besonders im Vorfachbereich setzen viele Angler auf Fluorocarbon. Letztlich auch ein monofiles Material, welches einen annähernd gleichen Lichtbrechungsfaktor wie Wasser besitzt und dadurch nahezu unsichtbar sein soll. Reines Fluorocarbon ist eine Kohlenstoffverbindung, die man kurz als „PVDF“ bezeichnet. Dieser Kohlenstoff ist es eben auch, der das Material beim Anzünden schwarz werden lässt. Wenn Du die Reinheit Deines Fluorocarbons testen möchtest, ist Anzünden die beste Möglichkeit. Leider haben viele Fluorocarbon-­Materialien das Problem, dass sie eine geringere Dehnung als Mono besitzen und dadurch wiederum die Tragkraft auch nur bei maximal 60–70% im Vergleich liegt.

Fluorocarbon ist eine Kohlenstoffverbindung und wird schwarz, wenn man es anbrennt. Mono dagegen bildet bloß eine Blase. Falls Du also wissen willst, ob Hersteller XY wirklich echtes Fluorocarbon verwendet: anbrennen! Foto: F. Pippardt

Bild: F. Pippardt

Fluorocarbon ist eine Kohlenstoffverbindung und wird schwarz, wenn man es
anbrennt. Mono dagegen bildet bloß eine Blase. Falls Du also wissen willst, ob Hersteller
XY wirklich echtes Fluorocarbon verwendet: anbrennen!

Abriebfest, aber reißt schnell

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sie unter Druck einfach verdammt schnell reißen. Ich habe dadurch schon einige ­Fische im Drill, und damit auch mein Vertrauen in dieses Material verloren. Denn gerade bei kurzen Stücken, wie wir sie beim Binden von Rigs verwenden, sprengt das Material schon häufig beim stärkeren Festziehen der Knoten von Hand. Da steht dann auch die um bis zu 50 % erhöhte Abriebfestigkeit für mich nicht mehr im Fokus.

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Wäre ich nicht Teamangler geworden, hätte ich FC wohl nie mehr als Vorfach benutzt. Aber das Incognito von Kryston hat mein Vertrauen zurückgeholt. Ich kann es euch empfehlen! Durch die Zusetzung bestimmter Additive wird das Fluo weicher, dehnt sich mehr und erhält dadurch eine höhere Knotenfestigkeit.

Karsten war überhaupt nicht zufrieden mit Fluorocarbon als Vorfach und hatte es schon aus der Box verbannt. Mittlerweile nutzt er es wieder: Das Incognito kann er Dir empfehlen! Foto: K. Neumann

Bild: K. Neumann

Karsten war überhaupt nicht zufrieden mit Fluorocarbon als Vorfach und hatte es schon
aus der Box verbannt. Mittlerweile nutzt er es wieder: Das Incognito kann er Dir
empfehlen!

Woran erkennt man eine gute Hauptschnur?

Es ist wirklich nicht leicht, eine schlechte von einer guten Angelschnur zu unterscheiden. Es gibt aber einige erkennbare Punkte, die gewisse Produkte ausschließen.

Ein Aspekt ist der Preis. Beeinflusst wird dieser vom Ausgangsmaterial, der Aufwendigkeit im Herstellungsprozess und den verwendeten Additiven. Gerade wegen dem aufwendigen Herstellungsprozess sind geflochtene Schnüre auch wesentlich teurer als Monofile. Auch wenn der Webstuhl den ganzen Tag arbeitet, kommen am Ende (je nach Dichte der Flechtung) nur wenige Meter heraus.

Der zweite Aspekt: das Verhältnis zwischen Durchmesser und Tragkraft – hier wird oft geschummelt. Bei einer 0,20er Mono sind mehr als 4 bis 5 Kilo Tragkraft nicht möglich. Eine 0,30er trägt maximal 8 bis 9 Kilo; 0,40er 13 bis 14 Kilo. Wenn diese Werte auf der Verpackung völlig abweichen und die Schnur zusätzlich günstig ist, solltest Du sie nicht kaufen. Außerdemkannst Du dich (irgendwann hoffentlich wieder) auf Messen direkt bei Herstellern informieren. Bis dahin solltest Du auf den Homepages recherchieren.

Noch ein Tipp: Kaufst Du beim lokalen Händler, achte auf eine saubere, glatte Oberfläche. Mach einen Probeknoten inklusive Zugtest und teste, ob die Dehnung für Dich passt.

So wird die Tragkraft hochwertiger Angelschnüre getestet: maschinell über geradlinigen Zug. Zugkräfte von 9 Kilo (maximale lineare Tragkraft einer 0,30er) treten im normalen Praxisgebrauch übrigens nie auf, vorher würde wahrscheinlich Deine Rute brechen. Reißt Dir also eine (hochwertige) Schnur im Drill, war sie beschädigt. Foto: Ockert

Bild: Ockert

So wird die Tragkraft hochwertiger Angelschnüre getestet: maschinell über geradlinigen Zug. Zugkräfte von 9 Kilo (maximale lineare Tragkraft einer 0,30er) treten im normalen Praxisgebrauch übrigens nie auf, vorher würde wahrscheinlich Deine Rute brechen. Reißt Dir also eine (hochwertige) Schnur im Drill, war sie beschädigt.

Diese Angelschnüre kann ich euch empfehlen

Ich für meinen Teil ­benutze Schnur von Kryston. Ich weiß, dass die Firma Erfahrung in der Produktion von Hauptschnüren besitzt, sie selbst produziert und nicht nur in Fernost dazukauft. Kryston (und ihre Schwesterfirma Climax) wurde schon mehrfach mit internationalen Preisen für ihre Produkte ausgezeichnet.

Im monofilen Bereich nutze ich vor allem folgende drei Schnüre: Die „Oblivion“ (höchst abriebfest, weich, etwas mehr Dehnung, hohe Knotentragkraft); die „Krystonite“ (Mischung verschiedener PAs, Fluorocarbon-beschichtet, sehr glatt (gut zum werfen), reduzierte Dehnung, abriebsfest); und die „Snyde“ (stark sinkend, vereint viele positive Aspekte der anderen beiden). Sehr begeistert bin ich auch vom neuen Geflecht: der Kryston Descent. Sie ist sehr schwer (sinkend), abriebfest und geschmeidig. Schau sie Dir mal an!

Vieles wird bei den Produzenten als Firmengeheimnis unter Verschluss gehalten, denn oft sind es Kleinigkeiten, die den Unterschied machen und somit auch den Wettbewerbsvorteil bringen. Darum freue ich mich darüber, dass die Firma Kryston uns diesen Einblick in ihre Produktion gewährt hat und sage „Danke“! Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht ins Dunkel bringen und mit einigen Halbwahrheiten zum Thema Angelschnur aufräumen.

 


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AngelWoche

AngelWoche ist die aktuellste und meist verkaufte Angelzeitung auf dem deutschen Markt. News aus der Industrie, aktuelles von den Angelgewässern, reich bebilderte, kurz und verständlich gehaltene Artikel, verbunden mit einer großen Themenvielfalt charakterisieren die AngelWoche.

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