Die Stepenitz in Brandenburg wird „Flusslandschaft der Jahre 2024/25“. Dies beschloss der gemeinsame Beirat für Gewässerökologie des Deutschen Angelfischerverbandes (DAFV) und der NaturFreunde Deutschlands (NFD). Die beiden Verbände rufen alle zwei Jahre eine gemeinsame Flusslandschaft aus, um die Bevölkerung für die ökologische, ökonomische und soziokulturelle Bedeutung der Flüsse und der von ihnen durchflossenen Landschaften zu sensibilisieren. Die offizielle Proklamation erfolgt traditionell rund um den Weltwassertag im März.
Einer der wenigen naturnahen Flüsse in Brandenburg
Die Stepenitz entspringt in der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs und mündet nach rund 84 Kilometern bei Wittenberge in die Elbe. Mit einem Einzugsgebiet von circa 870 Quadratkilometern bildet sie mit ihren fünf wichtigsten Nebenflüssen (die Sude, Dömnitz, Kümmernitz, Panke und dem Schlatbach) einen der wenigen verbliebenen naturnahen Flussläufe in Brandenburg. Ihre Einzigartigkeit und ihr hoher Schutzwert, wie auch die aktuellen Herausforderungen hinsichtlich der laufenden Projekte zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Wiederansiedlung seltener Tierarten haben den Ausschlag gegeben, die Stepenitz als „Flusslandschaft der Jahre 2024/25“ auszuzeichnen.
„Flüsse haben unsere Zivilisation mehr als jede Straße und jede Technologie geprägt“, betont Joachim Nibbe, Mitglied des NaturFreunde-Bundesvorstands die hohe Bedeutung von Flüssen für die Gesellschaft. „Der Schutz dieser Landschaftssysteme wird angesichts der immer schneller heraufziehenden Klimakrise immer wichtiger. Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürren setzen Flusslandschaften unter Druck, können von ihnen aber auch abgepuffert werden.“
„Lebensadern der Natur“
„Wie für uns Menschen sind Flüsse Lebensadern der Natur“, fügte Klaus-Dieter Mau, Präsident des Deutschen Angelfischerverbandes hinzu. „Wenn wir sie verstopfen und verschmutzen, stirbt der Organismus. Wir müssen diese wertvollen Lebensräume wiederherstellen und naturnah erhalten.“
Glücklicherweise blieb die Stepenitz zu DDR-Zeiten in großen Teilen unangetastet, was zu ihrem heutigen wertvollen Charakter beiträgt. Ihr natürliches Erscheinungsbild, die hohe Wasserqualität und Artenvielfalt sind ein Grund für die herausragende Schutzwürdigkeit unter den brandenburgischen Flüssen. Gleiches gilt auch für ihre Nebenflüsse, wie zum Beispiel die Dömnitz. Die Stepenitz wurde im Jahr 2009 im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) von der Flussgebietsgemeinschaft (FGG) Elbe als überregional bedeutsames Vorranggewässer für Langdistanz-Wanderfischarten wie zum Beispiel dem Atlantischen Lachs (Salmo salar) ausgewiesen. Die ökologische Durchgängigkeit spielt dabei eine besondere Rolle; zahlreiche Querverbauungen in der Stepenitz, vor allem aber in den Zuflüssen, stehen diesem Ziel bis heute im Wege.
Reichhaltiges Tier- und Pflanzenvorkommen
Aktuellen Angaben zufolge kommen in der Stepenitz 38 Fischarten vor. Neben allen drei Neunaugenarten verfügt die Stepenitz über einen sich selbst erhaltenden Bachforellenbestand. Ein geeigneter Lebensraum auch für den König der Fische – den Atlantischen Lachs, wobei die Wandersalmoniden (Lachs und Meerforelle (Salmo trutta)) in der Stepenitz seit den 1960er Jahren als verschollen galten. Historische Quellen aus dem 18. Jahrhundert aber belegen, dass diese Arten früher in der Stepenitz vorkamen.
Darüber hinaus kommen im Stepenitz-System weitere seltene oder geschützte Wirbeltiere vor, wie zum Beispiel Fischotter, Biber, Seeadler, Schwarzstorch, Eisvogel, Limikolen, Wasseramsel, Gebirgsstelze, Bachmuschel, Edelkrebs und weitere Wirbellose, die sich durch eine hohe Sensibilität hinsichtlich Strukturvielfalt und/oder Wasserqualität auszeichnen.
Lachse und Meerforellen werden wiederangesiedelt
Inspiriert von entsprechenden Bemühungen in anderen deutschen Bundesländern wurde 1998 das Programm zur Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle in Brandenburg gestartet. Initiiert vom Landesanglerverband Brandenburg (LAVB) sowie dem Institut für Binnenfischerei (IfB) verfolgt das Projekt als Ziel: Die Wiederherstellung sich selbst erhaltender Lachs- und Meerforellenbestände in ausgewählten Brandenburger Flüssen sowie die Schaffung von Fließgewässersystemen, die für Organismen durchgängig sind.
Am 1. April 1999 begann der erste Besatz mit jungen Lachsen und Meerforellen. Seitdem helfen jedes Frühjahr Mitglieder des Fario e.V. in Zusammenarbeit mit dem LAVB und IfB bei der Durchführung dieser Aufgabe. Jeden Herbst von Anfang Oktober bis Ende Dezember wird die Rückkehr erwachsener, laichender Wandersalmoniden mit Hilfe der Elektrofischerei überwacht. Seit vielen Jahren wird das Wiederansiedlungsprojekt vom Fliegenfischerverein Fario e.V. tatkräftig unterstützt. Der Verein betreibt seit 2013 in Eigenregie ein Bruthaus zur Aufzucht von Lachsen und Meerforellen.
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