Nach dem Fischsterben in der Oder, das auf deutscher Seite in der letzten Woche begonnen hat, waren die Nachrichten voll von Bildern toter Fische, Erklärungsversuchen und Schuldzuweisungen bei der Kommunikation. Eine wichtige Frage gab besonders große Rätsel auf: Was ist passiert? Die Umweltbehörde konnte die Substanz, die das Fischsterben ausgelöst hat, nicht sofort identifizieren. Auch jetzt ist noch nicht eindeutig geklärt, was im Raum Breslau in den Fluss eingeleitet wurde. Man weiß inzwischen jedoch, dass sich eine große Menge an giftigen Algen in der Oder befinden.
Leibniz-Institut wies giftige Algen in der Oder nach
Wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mitteilte, konnte man die Mikroalge „Prymnesium parvum“ identifizieren. Die Art sei bekannt dafür, dass sie regelmäßig Fischsterben auslöse. Allerdings lebt die giftige Alge im Brackwasser, also dort, wo sich Süß- und Salzwasser vermischen – in Flussmündungen. Unter normalen Bedingungen hätte sie sich in der Oder nicht vermehren können.
Dennoch kam es in der Oder zu einer extremen Algenblüte. Das Institut wies eine Konzentration von 200 Mikrogramm pro Liter nach, was mehr als 100.000 Zellen pro Milliliter Wasser entspricht. Durch den Zufluss der Warte waren diese Werte allerdings bereits verdünnt.
Menschliches Eingreifen ermöglichte Algenblüte
Die Alge gedeiht in Gewässern mit hohem pH-Wert – wie aber konnte die Oder ihn erreichen? Für den Algenforscher Dr. Jan Köhler vom IGB besteht ein starker Verdacht auf menschliches Einwirken. „Im oberen Teil der Oder und ihren Nebenflüssen befinden sich viele Staustufen, wo es gerade unter den aktuellen Niedrigwasserbedingungen kaum Wasseraustausch gibt“, sagte er. „Sollte in diesen Stauhaltungen aufgrund von industriellen Einleitungen stark salzhaltiges, warmes und nährstoffreiches Wasser längere Verweilzeiten gehabt haben, käme das einem Bioreaktor für die Zucht von Brackwasseralgen gleich.“ Es gilt also als wahrscheinlich, dass salzhaltiges Wasser in die Oder eingeleitet worden ist. Damit wäre die Ursache für das massive Algenwachstum gefunden.
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Algen in der Oder: Endgültige Ursache steht noch nicht fest
Dennoch handelt es sich bei den Erkenntnissen um einen Zwischenstand, die endgültige Ursache steht noch nicht fest. Das IGB geht davon aus, dass mehrere Faktoren zusammengekommen sind. Dazu gehört der menschgemachte Klimawandel, der Dürrephasen und hohen Wassertemperaturen häufiger werden lasse. Toxische Algenblüten und chemische Verunreinigungen könnten „schnell ganze Ökosysteme in Gewässern vernichten“, so Dr. Tobias Goldhammer, der zu Stoffkreisläufen forscht.
Ein weiteres Problem sind Ausbaumaßnahmen für Schiffe. Mit dem Ausbau der Oder werden nicht nur Sedimente und Nährstoffe aufgewirbelt, sondern auch Metalle wie Quecksilber, das man zwischenzeitlich als Ursache vermutet hatte. Das IGB plädiert daher dafür, die Arbeiten sofort zu stoppen.
Außerdem sollen die Flüsse allgemein widerstandsfähiger gegen Belastungen gemacht werden. Der beste Weg dafür sei eine Renaturierung der Gewässer, womit sich „zumindest Präventionsarbeit leisten“, wenn man schon nicht jeden Unfall verhindern könne.
20.000 tote Jungstöre in Aufzuchtstation
Für die Fischbestände der Oder ist diese Umweltkatastrophe durch Algen in der Oder ein harter Schlag. Insgesamt sind über 100 Tonnen toter Fische auf polnischer Seite geborgen worden, hier in Deutschland sind 36 Tonnen gemeldet. Tragisch ist das Fischsterben auch für die Wiederansiedelung des Baltischen Störs. In Aufzuchtanlagen sind rund 20.000 junge Störe verendet, man meldete mehrere Totfunde großer Exemplare in der Oder. Dabei handelte es sich um „Tiere, die bereits 90 Zentimeter groß und damit wichtig beim Aufbau eines sich selbsterhaltenden Bestands waren“, erklärt IGB-Wissenschaftler Dr. Jörn Geßner. Seit 1996 setzt er sich für die Wiederansiedlung der Störe in der Oder ein. Um die Fischart zu retten, müsse das Nahrungsnetz im Ökosystem wiederhergestellt werden – und zwar schnell. Störe sind die am stärksten vom Aussterben bedrohte Tiergruppe der Welt.
Quellen: IGB, Tagesschau
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