Für unsere Vorfahren waren die Meere endlos und unerschöpflich. Wann immer man das Netz auswarf, zog man es voller Fisch wieder heraus. Spätestens seit dem Aufkommen der industriellen Fischerei wissen wir jedoch längst, dass auch das Meer seine Grenzen hat. Und obwohl es Beschlüsse gibt, um Überfischung einzugrenzen, macht man weiter – bis irgendwann nichts mehr da ist. So jedenfalls könnte es bald um mehrere Fischbestände im Nordatlantik geschehen sein, wenn sich nichts ändert.
25 Fischbestände im Nordatlantik sind überfischt
Die Meeresschutzorganisation Oceana hat vor kurzem einen umfangreichen Bericht veröffentlicht, in dem sie den Zustand einiger Fischbestände im Atlantik aufzeigt (hier einsehbar, auf Englisch). Die Daten sind erschreckend. 25 Bestände sind so stark durch Überfischung und schlechtes Fischereimanagement beeinträchtigt, dass sie ganz verschwinden könnten. Der Mensch hat in diese Fischbestände im Nordatlantik so stark eingegriffen, dass sie sich nicht aus eigener Kraft erholen können. Ihre Fortpflanzungsfähigkeit ist durch den starken Druck der Fischerei eingeschränkt, dass nicht genügend Nachwuchs bereitsteht, um die abgefischte Generation zu ersetzen.
Die 25 Fischbestände teilen sich auf 12 Arten auf. Diese sind: Sardelle, Blauleng, Dorsch, Aal, Hering, Stöcker, Kaisergranat, Granatbarsch, Tiefenrotbarsch, Sandaal, Sardine und Wittling. Pro Art befindet sich mindestens eine Population in diesem kritischen Zustand. Besonders der Dorsch sticht bei den Daten hervor. Insgesamt 9 seiner Fischbestände im Nordatlantik sind vom Verschwinden bedroht.
In der Grafik sind die 10 am meisten betroffenen Bestände aufgeführt. Die Zahl neben dem Namen gibt die Rangfolge an; der Wittling in der Irischen See ist also am stärksten überfischt. Dorsche nehmen mit 6 Beständen den mit Abstand größten Teil der Fischmasse ein.
Oceana ruft EU und Großbritannien zum Handeln auf
Vera Coelho, Senior Director Advocacy bei Oceana, sieht die zuständigen Kommissionen in der Pflicht, diesem Trend entgegenzuwirken – hat aber wenig Hoffnung. „Die Entscheidungsträger in der EU und im Vereinten Königreich scheinen ein Management der erschöpften Fischpopulationen aufgegeben zu haben“, sagte sie in einer Pressemitteilung. Um die Fischbestände im Nordatlantik zu schützen, seien große Anstrengungen in der Politik und Praxis nötig. Neben der Fischerei sind auch der Zerstörung von Lebensraum und der Klimawandel für den Rückggang der Populationen verantwortlich. Trotz gemeinsamer Ziele der Staaten, die Bestände auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen, passiert: nichts.
Für Hugo Tagholm, Direktor von Oceana in Großbritannien, steht vor allem auch sein eigenes Land in der Verantwortung. „In unserem Bericht wurde festgestellt, dass 7 von 10 der am stärksten erschöpften Fischbestände im Nordatlantik in britischen Gewässern liegen“, berichtete er. „Großbritanniens geliebter Dorsch steht vor dem Zusammenbruch seiner Population, wenn nicht schnellstens Maßnahmen zur Befolgung der wissenschaftlichen Empfehlungen ergriffen werden, damit sich die Populationen erholen und wieder gedeihen können. Unsere Meere werden sich erst erholen, wenn sich die Länder zusammentun und unter Beachtung nachhaltiger Grenzmengen fischen, Lebensräume im Meer schützen und verhindern, dass große Trawler und industrielle Fischmethoden den lokalen Fischfang verdrängen und zerstören.“
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Forderungen, um Fischbestände im Nordatlantik zu retten
Um die Fischbestände im Nordatlantik noch zu retten, fordert Oceana die Mitgliedstaaten der EU und auch Großbritannien zu folgenden Maßnahmen auf:
- Verabschiedung mehrjähriger Bewirtschaftungsstrategien zur Bestandserholung
- Einhaltung wissenschaftlicher Empfehlungen bei der Festlegung von Fangbeschränkungen
- Priorisierung von Bestandserholung bei gemischten Fischereien
- Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Reduzierung der Beifänge und
- Verbot menschlicher Aktivitäten, die sich negativ auf erschöpfte Bestände auswirken
Die meisten der 25 genannten Fischbestände gehen als Mischfänge ins Netz. Die Fischerei zielt vor allem auf produktive Bestände ab, während die erschöpften Populationen als Beifänge in die Netze gehen – in großer Zahl. Hinzu kommt, dass immer noch Fische zurückgeworfen werden, obwohl die Praxis illegal ist. Stattdessen müssen die Trawler sie an Bord behalten und als Fang melden. Aber dass in der Fischerei oftmals Regeln missachtet werden und manches nur verzerrt an die Öffentlichkeit gerät, ist leider nichts Neues.
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