Angler in Schleswig-Holstein setzen 1 Million junge Aale aus

Vor Kurzem hat der Landesangelverband Schleswig-Holstein (LAV) seinen jährlichen Besatz mit Glasaalen durchgeführt. Wie sinnvoll ist diese Maßnahme?

(1) Einige Glasaale beginnen bereits mit der Pigmentierung. Die Durchsichtigkeit schützt sie vor Fressfeinden, solange sie im Freiwasser durch das Meer schwimmen. Anschließend passt sich ihre Färbung an ein Leben am Gewässergrund an.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

Einige Glasaale beginnen bereits mit der Pigmentierung. Die Durchsichtigkeit schützt sie vor Fressfeinden, solange sie im Freiwasser durch das Meer schwimmen. Anschließend passt sich ihre Färbung an ein Leben am Gewässergrund an.

Vor wenigen Tagen führte der Landesangelverband Schleswig-Holstein (LAV) den diesjährigen Besatz mit Glasaalen durch. Dabei haben die Angler über 330 Kilogramm der faszinierenden Fische in Seen, Kanälen und Flüssen im ganzen Land verteilt. Der Aalbesatz wird in Schleswig-Holstein durch EU-Mittel, die Fischereiabgabe Schleswig-Holsteins sowie einem Eigenanteil von den Fischereitreibenden finanziert. Die Besatzstrategie steht auf zwei Beinen. Jährlich werden die offenen Gewässer im Land sowohl mit vorgestreckten Aalen als auch mit Glasaalen besetzt. Durch diese Kombination sollen das Risiko minimiert und hohe Überlebenschancen für die Fische des Jahrgangs erreicht werden.

Glasaal im Frühjahr

Der Glasaalbesatz findet stets zur Ankunftszeit der Jungfische in Frankreich statt – jetzt, im zeitigen Frühjahr. In diesem Jahr wurden die jungen Aale mit dem Flugzeug nach Kiel geflogen, dann nach Rade gebracht. Wie in den vergangenen Jahren nutzte der LAV die Fischerei Brauer am Nord-Ostsee-Kanal als zentrale Verteilstation. Dort war auch die Fischereibehörde des Landes dabei, um Liefer- und Besatzmengen sowie die Qualität der Glasaale zu überprüfen. Die nur 0,3 Gramm schweren Fische waren von exzellenter Qualität, gesund und sehr agil.  Da auch die Mengen vom Lieferanten eher großzügig bemessen waren, gab es nichts zu beanstanden und der Besatz konnte beginnen.

(2) Felix Kunde von der Kanalfischerei Rade beim Multitasking: Boot langsam entlang der Schilfkante steuern und gleichzeitig Stück für Stück die jungen Aale in die Schilfgürtel der Eiderseen (NOK-Bereich) entlassen.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

Felix Kunde von der Kanalfischerei Rade beim Multitasking: Boot langsam entlang der Schilfkante steuern und gleichzeitig Stück für Stück die jungen Aale in die Schilfgürtel der Eiderseen (NOK-Bereich) entlassen.

Rade am NOK als Verteilstation

Unter Mithilfe der Kanalfischer Thomas Phillipson und Felix Kunde wurden die Fische entsprechend der Besatzmengen der einzelnen Gewässer portioniert. Dann ging es an die Verteilung. Hierfür ist eine detaillierte Planung vonnöten, die ein rasches Aussetzen garantiert. Wie üblich sorgten die LAV-Biologen Mattias Hempel und Rüdiger Neukamm mit ihrem Verteilungsplan für einen reibungslosen Ablauf.

So konnten im Lauf des Tages insgesamt über 330 Kilogramm Glasaale besetzt werden. Das mag angesichts der Landesfläche Schleswig-Holsteins nicht viel erscheinen, doch bei nur 0,3 Gramm Einzelgewicht ergibt sich eine Menge von einer Million Fische – und nur geeignete Gewässer kommen für den Aalbesatz überhaupt in Frage.

(3) Die Glasaale sind binnen Sekunden in der Steinpackung verschwunden. Steinschüttungen stellen einen idealen Lebensraum dar.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

Die Glasaale sind binnen Sekunden in der Steinpackung verschwunden. Steinschüttungen stellen einen idealen Lebensraum dar.

Allein das Gewässersystem des Nord-Ostsee-Kanals (mit den angeschlossenen Seen wie z. B. dem Westensee) wurden mit über 110 Kilogramm besetzt, in den Elbe-Lübeck-Kanal kamen mehr als 20 Kilogramm und in die Elbe fast 40 Kilogramm. Im Sommer werden die vorgestreckten Aale hinzukommen, die zwar in geringerer Menge, doch mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit besetzt werden. So baut der LAV den Aalbestand in Schleswig-Holsteins Gewässern Stück für Stück wieder auf. Die Verbandsbiologen gehen davon aus, dass Jahr für Jahr mehr Blankaale aus Schleswig-Holstein abwandern und am Laichgeschäft im Atlantik teilnehmen können.

Warum überhaupt Besatz mit Glasaalen?

Doch ist ein Besatz mit Aalen überhaupt zielführend für die Bestandssicherung? Es gibt nicht wenige Stimmen, die fordern, die Glasaale einfach dort zu belassen, wo sie natürlicherweise ankommen, anstatt sie für Besatzzwecke zu fangen.

(4)LAV-Biologe Rüdiger Neukamm (l.) und Fischereiberater Marius Behrens beim Aussetzen der jungen Aale am Westensee.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

LAV-Biologe Rüdiger Neukamm (l.) und Fischereiberater Marius Behrens beim Aussetzen der jungen Aale am Westensee.

Es gibt jedoch gute Gründe, die für einen Besatz in anderen Regionen sprechen:

1. Geringe Sterblichkeit

Entgegen Behauptungen, dass Aalbesatz stets mit einer hohen Sterblichkeit unter gefangenen Tieren verbunden ist, führen optimierter Fang und Transport zu sehr geringen Ausfällen bei den Satzaalen. In den letzten Jahren ist die Sterblichkeit vom Fang bis zum Besatz als Glasaal von durchschnittlich 42 Prozent auf 7,2 Prozent gesunken.

2. Ohne Besatz keine Aale

Ohne Aalbesatz gäbe es kaum noch Aal in unseren Gewässern. Zahlreiche Untersuchungen – auch LAV-eigene– zeigen, dass der Besatz mit Aal funktioniert und bis zu über 95 Prozent des schleswig-holsteinischen Aalbestandes auf Besatz beruhen

3. Ein wichtiger Raubfisch

Der Aal erfüllt in den Gewässern wichtige ökologische Funktionen. Beispielsweise ist keine andere Art derart darauf spezialisiert, im Lückenraum zwischen Steinen Beute zu machen. Hier halten Aale unter anderem invasive Arten wie Schwarzmundgrundel, Wollhandkrabbe und Kamberkrebs in Schach.

(5) Sofort nach dem Besatz suchen die Fische nach Lücken und Verstecken im Gewässergrund.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

Sofort nach dem Besatz suchen die Fische nach Lücken und Verstecken im Gewässergrund.

4. Weniger Risiken

Durch das Verbringen der Aale kann Risiko gestreut werden. Kommt es zum Beispiel in einer Glasaal-Ankunftsregion Frankreichs oder Spaniens zu einer schweren Umweltkatastrophe, könnten große Teile des dortigen Aalbestandes verschwinden. Nennenswerte Bestände weitab dieser Massen-Ankunftsgebiete können daher wie eine Versicherung für die Blankaal-Abwanderung wirken.

5. Besatz umgeht gefährliche Gewässer

Die natürlichen Ankunftsgewässer nicht automatisch optimale Aal-Lebensräume. Schleswig-Holsteins Glasaal stammt zumeist aus dem Mündungsbereich der Gironde in Frankreich. Wären sie nicht als Besatzmaterial gefangen worden, wären diese Fische höchstwahrscheinlich in die Flüsse Garonne und Dordogne aufgestiegen. Im Gewässersystem befinden sich viele Wasserkraftwerke und zwei Atomkraftwerke mit Kühlwasserentnahmen, die Massen von Jungaalen ansaugen und töten.

In Teilen von Dordogne und Garonne wurde im Jahr 2011 der Aalfang mit anschließendem Verzehr aufgrund einer Belastung mit PCB verboten. Als wäre dies noch nicht genug, verursacht dort ein extrem angewachsener Bestand an Welsen sehr wahrscheinlich hohe Verluste bei Gelb- und Blankaalen. Zudem wurden bei den Glasaalen in den Bereichen der französischen Flussmündungen sehr hohe natürliche Sterblichkeiten in den ersten Lebenswochen festgestellt. Die Frage, ob die Aale nicht etwa im Nord-Ostsee-Kanal besser aufgehoben sind und mehr zum Bestandserhalt beitragen können, drängt sich geradezu auf.

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6. Ein wichtiger Fisch für Angler

Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist, dass der Aal eine hohe Bedeutung für die Fischerei und die Angler im Norden Deutschlands hat. Würde diese Fischart durch ausbleibenden Besatz fast gänzlich verschwinden, müssten viele der wenigen noch vorhandenen Fischereibetriebe schließen. Ohne Aal würde auch der Angelei im Norden eine der wichtigsten Fischarten fehlen – die Selbstversorgung mit geangeltem Aal hat Tradition und verbindet eine erholsame Passion mit sinnvollem, nachhaltigem Nahrungserwerb. Übrigens fordert auch der europäische „Green Deal“ genau solche Formen der Lebensmittelbeschaffung.

(6) In der Draufsicht sind Wirbelsäule und Organe der Glasaale gut erkennbar. Binnen kurzer Zeit im Süßwasser beginnt jedoch die Pigmentierung.

Bild: J. Radtke / LAV-SH

In der Draufsicht sind Wirbelsäule und Organe der Glasaale gut erkennbar. Binnen kurzer Zeit im Süßwasser beginnt jedoch die Pigmentierung.

Glasaalbesatz in Schleswig-Holstein trägt Früchte

Damit es im Norden auch weiterhin gute Aalbestände gibt, kommt man im Moment um den Besatz nicht herum. Dabei hat der Aalbesatz in den letzten Jahren zu einer sehr stetigen und soliden Bestandszunahme geführt. Auch die Fischereibehörden im Norden erkennen diese positive Entwicklung und wollen an der bisherigen Besatzstrategie festhalten. Ziel ist es, zukünftig eine Blankaal-Abwanderung aus den Binnengewässern in Richtung der Laichgebiete zu ermöglichen, die mindestens 40 Prozent der ursprünglichen Abwanderung vor dem Rückgang der Aalbestände entspricht. Angesichts der Bestandssituation und positiver Bestandstrends in vielen Gewässern, sind Schleswig-Holsteins Aale auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Aale geben immer noch Rätsel auf

Kritiker des Aalbesatzes führen ins Feld, dass besetzte Aale unter Umständen Schwierigkeiten haben, den Weg in ihre Laichgründe zu finden. Dies lässt sich weder bestätigen noch widerlegen – denn für die Laichwanderung beim Aal gilt auch nach Jahrzehnten der Forschung: Man weiß eigentlich fast gar nichts. Spätestens nach dem Verlassen der Nordsee verliert sich die Spur der Aale in den Tiefen des Atlantiks. Gesichert ist, dass die in Schleswig-Holstein besetzten Aale den Weg ins Meer zuverlässig finden und das besetzte Aale im Meer auch die richtige Richtung zum Laichgebiet einschlagen.

Was dann passiert, liegt im Dunkeln – ebenso wie bei Aalen, die aus Frankreich oder Nordafrika abwandern. Einige Forscher werfen sogar die Frage auf, ob das Laichgebiet nicht vielleicht auch im Bereich des Mittelatlantischen Rückens liegt. Damit stellen sie vermeintliches Wissen infrage, dass inzwischen 100 Jahre alt ist und nach der das Laichgebiet in der Sargassosee liegt. Tatsächlich hat noch keine der ungezählten Forschungsreisen in den letzten 100 Jahren einen laichenden Aal oder Aaleier ans Tageslicht gefördert.

Es ist den jetzt ausgesetzten Glasaalen jedenfalls zu wünschen, dass viele von ihnen in ungefähr zehn bis zwanzig Jahren den Weg in ihre immer noch unbekannten Laichgewässer finden. Und wenn in der Zwischenzeit der eine oder andere von ihnen an eine Angel der Angler im Land geht, dann hat auch er eine wichtige Funktion erfüllt.

-Mitteilung des LAV-SH-


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