Ostern ist schon lange vorbei – daher ist es wohl kein Wunder, dass die Eier im Osterpaket, das der Bundesrat am 8. Juli angenommen hat, zum Himmel stinken. Der Ausbau erneuerbarer Energien mag auf den ersten Blick gut klingen, doch es gibt einen Haken. Und dieser Haken heißt Wasserkraft. Es ist der Ausbau kleiner Wasserkraft, um genau zu sein. Erst vor kurzem haben wir darüber berichtet, dass kleine Kraftwerke mehr Schaden anrichten, als dass sie nutzen. Doch statt eines Rückbaus muss man jetzt damit rechnen, dass es bald noch viel mehr von diesen Todesfallen geben wird.
Beim Ausbau kleiner Wasserkraft zahlt die Natur die Rechnung
Kleine Wasserkraftwerke sind ab jetzt von „überragendem öffentlichem Interesse“. Heißt im Klartext: Man wird ihren Ausbau nicht nur dulden, sondern sogar noch fördern. Obwohl längst erwiesen ist, dass sie der Natur enormen Schaden zufügen, gelten sie als nachhaltig. Auf den ersten Blick mag das auch sinnig sein: Wasserkraft erzeugt keine Emissionen, und alles, was den CO2-Ausstoß senkt, ist zunächst eine gute Sache. Aber sie kommt mit ihren ganz eigenen Problemen, und am Ende ist es wieder die Natur, die die Rechnung dafür zahlen muss.
So stirbt selbst beim Passieren „fischfreundlicher“, moderner Turbinen etwa jeder zweite Fisch. Hinzu kommt, dass die Anlagen Hindernisse im Gewässer darstellen, die Wanderfische nicht überwinden können. Je mehr von diesen Todesfallen es in unseren Flüssen gibt, desto mehr wird die Artenvielfalt leiden. Außerdem verstößt die Regelung gegen Vorgaben der EU. Erinnert sich noch jemand an die Wasserrahmenrichtlinie? Richtig, das ist die klare Ansage, dass die Mitglieder der EU ihre Gewässer in einen guten Zustand bringen sollen. Deutschland ist von diesem Ziel noch meilenweit entfernt, und es wird sich ab jetzt wohl noch weiter ins Abseits befördern. „Das Osterpaket war im ersten Entwurf ambitioniert, am Ende enthielt es faule Eier“, bringt es Klaus-Dieter Mau, Präsident des Deutschen Angelfischerverbands, auf den Punkt. Er sieht voraus, dass der Ausbau der Wasserkraft „empfindliche Vertragsstrafen für Deutschland“ nach sich ziehen wird. Mehr dazu in der Mitteilung des DAFV.
Problem ist dem EU-Umweltausschuss bereits bekannt
Denn es ist nicht so, dass man auf EU-Ebene nicht längst weiß, dass erneuerbare Energien nicht auf Kosten der Artenvielfalt gehen dürfen. Der Umweltausschuss stellte im Mai 2022 fest, dass „energiebedingte Belastungen und Wasserkraftanlagen“ die größte Bedrohung für Gewässer darstellen. Seit 1970 seien wandernde Fischarten um 93 Prozent zurückgegangen. Bis zur 100 fehlt da nicht mehr viel. Es gibt daher bereits Anträge im EU-Parlament, die „Nachhaltigkeitskriterien für Wasserkraftwerke“ zu ändern. Alles, was weniger als 10.000 kW erzeugt, würde nicht mehr neu gebaut oder gefördert werden dürfen. Ein kleiner Lichtblick, immerhin.
Wie hat der Ausbau kleiner Wasserkraft es ins Paket geschafft?
Dabei hätte es nicht dazu kommen müssen. Erst sah es sogar ganz danach aus, als ob kleine Wasserkraftwerke demnächst ihre Förderung verlieren. Das sah jedenfalls der Plan der Ampel-Koalition zum Osterpaket vor. Alle Anlagen, die weniger als 500 kW erzeugen, hätten die EEG-Förderung und auch den Status von „überragendem öffentlichen Interesse“ verloren (als einzige erneuerbare Energiequelle). Das hätte weitreichende Folgen für die Wasserkraft gehabt; zum Beispiel einen Rückbau der Anlagen und wieder mehr Raum für Natur- und Gewässerschutz. Doch wie hat es dieser – man muss es ja sagen – Schwachsinn dann doch wieder in das Paket geschafft?
CSU protestierte gegen ersten Entwurf des Osterpakets
Klarer (Haupt-)Schuldiger ist dabei die CSU. Sie hat nach vehementen Protesten dafür gesorgt, dass auch kleine Wasserkraftwerke wieder in die Förderung aufgenommen werden. Selbst, wenn eine Anlage die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes nicht erfüllt (also Mindestwasser, Durchgängigkeit und Fischschutz), bekommt der Betreiber weiterhin Geld dafür. Und schlimmer noch: Bis 2030 soll es noch einmal deutlich mehr kleine Wasserkraftwerke geben. Studien veranschlagen teils die dreifache Menge der bereits 8.000 installierten Anlagen. Dunkle Aussichten für alle Gewässerschützer – und erst recht die Bewohner unserer Flüsse. Aber Hauptsache, die Betreiber verdienen mit ihrem „sauberen“ Strom.
Wie eingangs gesagt: Es ist längst klar, dass kleine Wasserkraftwerke nur einen winzigen Teil zur Energieversorgung beitragen. Gemessen an der gesamten Stromerzeugung nehmen sie nur 0,5 Prozent ein. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Anlagen veraltet ist. Und selbst moderne Anlagen haben noch eine hohe Sterblichkeit von Fischen zu verzeichnen: Auch bei neuen Kraftwerken starben zum Teil über 80 Prozent der Fische, im Mittel trug jeder zweite Fisch Schäden davon.
Kleine #Wasserkraft richtet großen Schaden an. Können wir uns ein Promille Strom nicht sparen? 🧐
☀️Überragendes Öffentliches Interesse nur für das, was es auch tatsächlich ist – Wind und Sonne (2/2) pic.twitter.com/F9ueyjor3u
— Klima WWF (@KlimaWWF) July 5, 2022
Der Ausbau kleiner Wasserkraft ist ein Armutszeugnis
Ohne Zweifel ist der Ausbau von erneuerbaren Energien von „überragendem öffentlichem Interesse“ – da könnte man sich sogar die Anführungszeichen sparen. Mit Blick auf die zahlreichen Krisenherde, die die Menschheit derzeit beschäftigen, wäre doch zumindest die Aussicht auf eine Zukunft mit sauberem Strom ein Hoffnungsschimmer. Und es ist ja nicht so, dass es keine anderen Ansätze gibt, die nicht (oder weniger) zu Lasten der Natur gehen.
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Wie kann man Windkraft verteufeln, aber Wasserkraft verteidigen?
Dass man ausgerechnet in Bayern (beziehungsweise bei der CSU) nur bis auf die Wasseroberfläche schaut, ist da nicht nur kurzsichtig, sondern dumm. Wie kann man den Ausbau von kleiner Wasserkraft fördern, wo sie doch so große Schäden anrichtet? Das sind übrigens dieselben Leute, der man auch die 10H-Regel verdankt, die den Ausbau von Windkraft lange Zeit beschränkt hat. Wenn doch nur alle genauso schnell Gewässerschützer werden würden, wie sie damals zu Vogelschützern geworden sind. Aber das bleibt wohl Wunschdenken. Fische sieht man ja nur im Kühlregal – oder tot an der Wasseroberfläche, wenn’s zu spät ist.