Fast eine Million Fische – einfach weg. Weil die Kapazität ihres Bootes ausgelastet war, warf die Besatzung ein ganzes Netz voller Atlantischer Menhaden zurück ins Meer. Trotz der enormen Menge von insgesamt 900.000 Fischen sprach die zuständige Behörde dabei von einem „unwichtigen“ Verlust. Dieses Beispiel zeigt deutlich, was mit der industriellen Fischerei nicht stimmt.
Eine Million Fische sind „unwichtig“ – und dabei kaum vorstellbar
Wer in solchen Dimensionen denkt, hat jeden Bezug zur Natur verloren. Für die Industrie hat der Fisch längst seinen Status als Lebewesen verloren. Auf dem Papier mögen eine Million Menhaden (Verwandte des Herings) nicht viel sein, wenn man im Jahr ein Vielfaches davon fängt. Doch in der Realität kann man sich so eine Menge an Fisch kaum vorstellen.
Man könnte noch argumentieren, dass Raubfische und Vögel die Menhaden verwerten – und zum Teil ist das auch sicherlich wahr. Doch die Fischer waren so klug, den „Müll“ gleich mit dem Rest ihres Netzes ins Wasser zu werfen. In den Maschen werden sich noch weitere Tiere verfangen. Die Dunkelziffer getöteter Fische dürfte demnach noch einmal deutlich über den 900.000 Menhaden selbst liegen. Vom langfristigen Schaden, den ein solches Netz anrichten kann, ganz zu schweigen.
Die industrielle Fischerei richtet extreme Schäden an
„Das ist nur ein einziges Beispiel“, könnte man jetzt sagen. Doch das stimmt leider nicht – natürlich nicht. Fakt ist: Die industrielle Fischerei zerstört eines der wichtigsten Ökosysteme der Welt. Trawler ziehen jährlich Millionen von Tonnen aus dem Meer. Die Fabrikschiffe holen alles an Bord, was schwimmt – und hinten kommen Fischstäbchen raus. Was sie nicht gebrauchen können, geht als Beifang über Bord. Das sind neben Fischen zum Beispiel auch Seevögel, Säugetiere und Schildkröten.
Durch diese Praxis zerstört die Fischerei Lebensräume und unterbricht Nahrungsketten. Die Bevölkerung kleiner Inselnationen können ihre ursprüngliche Lebensweise nicht fortführen. Dazu töten die Fischernetze Millionen von Tieren und setzen Mikroplastik frei, das die Umwelt zusätzlich belastet. (Und am Ende landet es wieder auf unseren Tellern, nebenbei gesagt.)
Nicht nur in großen Weltmeeren findet diese Praxis statt. Auch vor unserer Haustür, in Nord- und Ostsee, sind die Bestände belastet. Aktuelles Beispiel dafür ist der extreme Rückgang der Dorschpopulationen.
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Nachhaltige Fischerei ist kein Mythos
Dabei ist eine nachhaltige Fischerei tatsächlich möglich. Natürlich nicht auf demselben Level, auf dem der Raubbau an unseren Meeren betrieben wird. Doch wer sucht, der kann gute Alternativen finden. Regionale Fischer, die täglich mit ihren Kuttern ausfahren und verkaufen, was sie frisch gefangen haben, sind gute Beispiele. Viele von ihnen fangen dabei Fischarten, die (noch) nicht überfischt sind – zum Beispiel Plattfische. Wer die Möglichkeit hat, sollte daher versuchen, regional einzukaufen. Oder, ganz heißer Tipp vom Angelmagazin: Selbst ans Wasser gehen! Denn kein Fisch ist nachhaltiger als der, den man selbst gefangen hat.
Daran kann sich die Industrie nur ein Beispiel nehmen. Die Direktive muss sein, stets genug übrig zu lassen, dass sich die Bestände regenerieren können. Denn ansonsten schneidet sich die Fischerei ins eigene Fleisch.
So lange, bis nichts mehr da ist
Jährlich entnimmt die Hochseefischerei in Deutschland knapp 200.000 Tonnen Fisch. Die Binnenfischer kommen dagegen nur auf 2.300 Tonnen, und aus Aquakulturen stammen weitere 32.000 Tonnen Fisch. Zusammen sind das fast 240.000 Tonnen – und doch nur ein Bruchteil des jährlichen Verbrauchs in Deutschland. Regional gefangen bzw. produziert werden nämlich nur 20 Prozent. Die übrigen 80 Prozent sind Importe aus internationaler Fischererei und Aquakulturen. Der heilige Pangasius lässt grüßen.
Bei diesen insgesamt 1.175.000 Tonnen Fisch (Stand 2020) wirken die 900.000 Menhaden mit einem Gewicht von ca. 225 Tonnen wirklich nicht mehr wie viel. Wie groß kann die Gier der Industrie noch werden, bis der kritische Punkt erreicht ist? Es ist wie mit allem, was nur begrenzt zur Verfügung steht: Man nimmt so lange, bis nichts mehr da ist. Und dann noch etwas mehr.