Fischsterben in der Oder: Was war die Ursache?

Die Sachlage zum Fischsterben in der Oder ist nach wie vor unklar – und die Suche nach der Ursache liefert kein eindeutiges Ergebnis. Sogar von „Fake News“ war zwischendurch die Rede.

Das Fischsterben in der Oder kostete zahllose Tiere das Leben. Die Ursache ist nach wie vor nicht klar. Foto: Forum Natur Brandenburg

Bild: Forum Natur Brandenburg

Das Fischsterben in der Oder kostete zahllose Tiere das Leben. Die Ursache ist nach wie vor nicht klar.

Das große Fischsterben in der Oder liegt nun bereits einige Wochen zurück, doch noch immer sind viele Fragen zur Ursache nicht geklärt. Zwar konnten Forscher des Instituts für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow bei einer Elektrobefischung nachweisen, dass die Oder nicht völlig tot ist. Doch trotzdem sind insgesamt weit über 100 Tonnen verendeter Fische aus dem Fluss geborgen worden, davon der Großteil auf polnischer Seite.

Was genau zu dem Fischsterben geführt hat, ist weiterhin unklar. War es nun eine massive Algenblüte oder lag es an eingeleiteten Schadstoffen aus der Landwirtschaft? Auch von Quecksilber war zunächst die Rede. Am Ende hängt womöglich alles zusammen – oder passierte gleichzeitig.

Fischsterben in der Oder: Die Ursache bleibt unklar

Die unklare Sachlage ist irreführend und ärgerlich. Hätten die Behörden bessere Informationen bekommen, könnten sie zielgenauer nach der Ursache forschen. Wäre die Ursache bekannt gewesen, hätten Institutionen und freiwillige Helfer das Risiko besser abschätzen und sich vorbereiten können. Ganz zu schweigen davon, dass man auf deutscher Seite womöglich schon hätte reagieren können, wenn der Informationsfluss aus Polen schnell und unkompliziert gewesen wäre. Hätte, wäre – wir sprechen im Konjunktiv II, denn es ist alles nicht passiert.

Wie kam es zur Algenblüte?

Aber was ist denn nun in der Oder passiert? Nach aktuellem Kenntnisstand lässt sich sicher sagen, dass es zu einer massiven Algenblüte der Mikroalge „Prymnesium parvum“ gekommen ist. Das konnten Forscher des Leibniz Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei nachweisen. Diese Alge sondert für Fische giftige Stoffe ab. Allerdings pflanzt sie unter natürlichen Umständen nur im Brackwasser fort. Es muss also etwas passiert sein, dass die enorme Vermehrung der Algen erklärt.

Große Mengen einer Essigsäure im Wasser

Ein weiterer Faktor für das Fischsterben in der Oder ist womöglich die Einleitung einer Essigsäure. Das Landeslabor Berlin/Brandenburg wies stark erhöhte Werte von 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure nach (kurz 2,4-D). Sie kommt in der Landwirtschaft als Unkrautvernichter zum Einsatz. Mit 9,14 Mikrogramm pro Liter, gemessen am 8. August in Frankfurt, lag die Konzentration fast neunmal über dem zulässigen Grenzwert. In dieser Konzentration ist die Säure aber nicht toxisch. Sie war allerdings höchstwahrscheinlich bereits verdünnt, im Oberlauf der Oder muss der Wert deutlich höher gelegen haben.

Die Säure allein führte nicht notwendigerweise zur Algenblüte, sondern könnte parallel dazu passiert sein. In dem Fall wäre das Fischsterben in der Oder ein „multikausales Ereignis“ mit mehr als einer Ursache, wie die Experten aus Brandenburg sagten. Algenblüte, Säureeinleitung und weitere Faktoren wie hohen Temperaturen, aufgewirbeltem Sediment (Stichwort Quecksilber) hätten demnach gleichzeitig stattgefunden.

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Polnische Umweltministerin sprach von „Fake News“

Die Ergebnisse zur Essigsäure lenken den Verdacht auf polnische Landwirte. Das kritisierte auch die Umweltministerin Polens, Anna Moskwa. Sie bezeichnete die Werte an 2,4-D, die das Landeslabor Berlin/Brandenburg ermittelt hatte, sogar als „Fake News“.

Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass das Mittel im Wasser nachgewiesen worden ist. Im Jahr 2004 fand man nordöstlich von Breslau stark erhöhte Werte von 2,4-D. Sie lagen deutlich über dem, was aktuell gemessen wurde. Mit 2,157 Milligramm pro Liter lag die Konzentration 235-mal über den heutigen Werten. Man stellte von deutscher Seite Strafanzeige gegen Unbekannt. Sie verlief – wer hätte das gedacht – im Sande. Was der Fall aber zeigt: Es hat sich wenig im Umgang mit den Einleitungen geändert.

Äußerungen „nur schwer zu ertragen“

Ein starkes Stück, angesichts dieser Tatsachen von „Fake News“ sprechen zu wollen. Die Äußerungen Moskwas seien „nur schwer zu ertragen“, sagte Dr. Sabine Buder, Geschäftsführerin beim Forum Natur Brandenburg. „Die Messergebnisse und die deutliche Überschreitung des Grenzwerts sind Fakten.“ Es sei die Aufgabe der Umweltministerin, die Ursprünge ermitteln zu lassen. Die Einleitungen der Essigsäure in die Oder müsse gestoppt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Dem schließt sich auch Andreas Koppetzki an. Der Hauptgeschäftsführer des Landesanglerverbands Brandenburg (LAVB) und Vizepräsident des Landesfischereiverbands Brandenburg/Berlin merkte an, dass es selbst nach vier Wochen kaum greifbare Ergebnisse zum Fischsterben in der Oder gibt. „Das Ablassen eines Sammelbeckens mit salzhaltigen Abwässern in die Oder und der wiederholte Nachweis der Substanz 2,4-D deutlich oberhalb des Grenzwerts sind wahrscheinlich nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs“, sagte er.

LAVB fordert ein Oder-Kataster

Um solche Unklarheiten in Zukunft zu vermeiden, fordert der LAVB ein öffentlich einsehbares Kataster. Alle anliegenden Staaten müssten darin klar offenlegen, welche Abwässer sie in die Oder einleiten. Die genehmigten Einleitungen sollen dort eingetragen und für jeden sichtbar sein. Ohne Frage wäre ein solches Kataster enorm wertvoll, um ein Fischsterben in der Oder in Zukunft zu vermeiden oder direkt zu sehen, welche Ursache es hatte.

Dass es „die Landwirte“ gewesen sein sollen, will auch Hendrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, nicht stehen lassen. „Die Landwirtschaft darf nicht wieder als diffuse Quelle von industriellen Schadstoffen deklariert werden“, sagte er.

Die Verursacher für dieses Fischsterben müssen gefunden und in die Verantwortung gezwungen werden. Es wäre eine Schande, wenn dieser Fall in Vergessenheit geriete – ganz unabhängig davon, wer am Ende die Schuld trägt.

Quelle: Forum Natur Brandenburg, Tagesspiegel


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