Flache Seen im Stress: Diese Faktoren wirken auf Gewässer ein

Pestizide, Nitrat und Klimaerwärmung nehmen großen Einfluss auf Seen und ihre Bewohner. Doch wie groß? Forscher aus Frankreich und Deutschland haben die Zusammenhänge untersucht.

Wasserpflanzen sind wichtig, um den Klarwasserzustand von flachen Seen zu stabilisieren. Foto: IGB / Solvin Zankl

Bild: IGB / Solvin Zankl

Wasserpflanzen sind wichtig, um den Klarwasserzustand von flachen Seen zu stabilisieren.

Verschiedene Pestizide, Nitrat und Klimaerwärmung – viele Stressfaktoren für Seen und ihre Lebewesen. Ein französisch-deutsches Forschungsteam unter der Leitung von Elisabeth Gross von der französischen Université de Lorraine mit Beteiligung des IGB hat die individuellen und kombinierten Wirkungen dieser Stressoren auf das Nahrungsnetz aus Pflanzen, Algen und Kleinstlebewesen in flachen Seen untersucht. Davon hängt maßgeblich die ökologische Gewässerqualität ab. Ein Ergebnis: In Kombination nehmen die negativen Effekte dieser Stressoren auf die Gewässerqualität deutlich zu und können ein „Kippen“ eines klaren Sees in einen trüben Zustand fördern.

Flache Seen sind die häufigsten Gewässer der Welt

Flache, kleine Seen sind weltweit der am häufigsten vorkommende Gewässertyp. Charakteristisch sind viele Wasserpflanzen, die den Klarwasserzustand stabilisieren. Äußere Einflüsse aus der Atmosphäre und dem umgebenden Land können einen abrupten Wechsel in einen trüben, von Phytoplankton (Algen) dominierten Zustand auslösen.

So beispielsweise der Abfluss von landwirtschaftlichen Flächen, der Nitrat und verschiedene Pestizide ins Wasser spült. Und natürlich der Klimawandel mit wärmeren Temperaturen. Das Forschungsteam untersuchte in Mikrokosmos-Experimenten die individuellen und kombinierten Auswirkungen der Stressoren – Pestizide, Nitrat und Klimaerwärmung – auf die Nahrungsnetze von Wasserpflanzen, Mikroalgen und Kleinstlebewesen wie Wasserflöhe, Schnecken und Muscheln. „In Mikrokosmos-Experimenten holt man einen Ausschnitt aus der Umwelt ins Labor. Der Vorteil ist, dass man Veränderungen in kleinem Maßstab ziemlich wirklichkeitsgetreu nachstellen kann. So konnten wir erstmals erforschen, ob die Kombination dieser Stressoren einen Einfluss auf die Nahrungsnetze und damit auch auf den Zustand der Gewässer hat“, erläutert Vinita Vijayaraj, Erstautorin der Studie von der französischen Université de Lorraine.

Abfluss von landwirtschaftlichen Flächen hemmt Wachstum von Wasserpflanzen

In den Versuchen reduzierten umweltrelevante Mengen an Pestiziden in Kombination mit Nitrat das Wachstum der Wasserpflanzen um etwa die Hälfte und beschleunigten die Entwicklung von Phytoplankton, insbesondere von Grünalgen. „Unsere Vermutung hat sich bestätigt, dass der Abfluss von landwirtschaftlichen Flächen mit Pestiziden und hoher Nitratbelastung den Zustand von kleinen Flachwasserseen verschlechtert, indem statt Wasserpflanzen  mehr Algen wachsen“, sagt IGB-Forscherin Sabine Hilt, eine Autorin der Studie „Der Effekt war deutlich stärker als von den einzelnen Stressoren allein“, ergänzt sie.

Höheres Algenwachstum auch, weil es durch Pestizide weniger Schnecken und Wasserflöhe gibt

Durch Pestizide gab es auch weniger Schnecken und Wasserflöhe, was mit Insektiziden, Fungiziden oder Metallen wie Kupfer im Pestizidgemisch zusammenhängen kann. Weil diese Lebewesen fehlten, wurde das Algenwachstum weniger durch Fraß in Schach gehalten.

Pestizide und Nitrat allein hatten in den getesteten Konzentrationen meist nur geringe Auswirkungen auf die Wasserpflanzen, zeigten gemeinsam jedoch synergistische Effekte. „Wir betonen, wie wichtig es ist, sowohl den Nitrat- als auch den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft zu reduzieren. Die Verringerung nur eines dieser chemischen Stressoren ist möglicherweise nicht ausreichend“, sagt daher IGB-Forscher Franz Hölker, ebenfalls ein Autor der Studie.

Klimawandel kommt als Stressor noch dazu

Die Situation wird noch komplexer, wenn zu diesen Stressoren noch die Erwärmung hinzukommt. „Man nimmt gemeinhin an, dass die globale Erwärmung das Wachstum von Wasserpflanzen in gemäßigten und arktischen Regionen antreibt, es sei denn, kritische Schwellenwerte für die Nährstoffbelastung, die zu einer Dominanz des Phytoplanktons führen, werden überschritten“, erläutert Sabine Hilt. In dem Experiment modulierte die Erwärmung die Wirkung der landwirtschaftlichen Abflüsse. Letztendlich führte der Mehrfachstress im Versuch ebenfalls zu einer deutlichen Hemmung des Wasserpflanzenwachstums und zu einer verstärkten Algenentwicklung, im Gegensatz zu der erwarteten Wirkung, die sich aus der Addition der Reaktionen auf die einzelnen Stressoren ergeben würde. „Die Studie zeigt, dass solche komplexen Experimente notwendig sind, da die Auswirkungen mehrerer Stressoren auf Ökosysteme nicht aus den Auswirkungen der einzelnen Stressoren vorhergesagt werden können“, erklärt die Leiterin der Studie, Elisabeth Gross.

Quelle: IGB


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