Was Anton Roth Anfang Juli beim Zanderangeln erleben musste, ist nicht weniger als ein Albtraum. Die friedliche Idylle am Weiher wurde jäh durchbrochen, als ein Unbekannter sich ihm näherte und grundlos bedrohte. Trotz anfänglicher Versuche, den Fremden zu beschwichtigen und die Situation zu entschärfen, blieb der Angreifer unbeirrbar – und gefährlich. Hätte Roth kein Messer bei sich getragen, um dem Fremden zu drohen, hätte die Begegnung anders ausgehen können. Nach dem Erlebnis kam Herr Roth auf die BLINKER-Redaktion zu, um darüber zu berichten und reflektiert darüber zu sprechen. Gewalt gegen Angler ist nämlich alles andere als ein Einzelfall, sondern geschieht ebenso häufig wie überraschend.
Gewalt gegen Angler: Angriff beim nächtlichen Zanderangeln
Blinker: Herr Roth, Sie wurden beinahe Opfer einer Gewalttat. Was genau ist Ihnen passiert?
Roth: Ich war Anfang Juli auf Zander angeln und habe mir dafür ein dunkles Eck am Vereinsweiher gesucht. Der Weiher ist von meiner Wohnung nur 5 Gehminuten entfernt und daher für mich optimal, um dort in den Morgenstunden oder am Abend zu angeln.
Als es bereits dunkel war (kurz nach 23 Uhr), stand plötzlich unvermittelt ein Mann ca. 3m hinter mir und hat mich ohne Grund angepöbelt, dass er mich ins Wasser werfen wird. Auf meine Antwort „Das ist ja lustig, gehen Sie bitte weiter“ habe ich unvermittelt zu hören bekommen, dass er mich töten wird. Mein Versuch, mit einlenkenden und beschwichtigenden Worten zu deeskalieren führten eher zum Gegenteil und schaukelten die Situation noch weiter hoch.
Die Situation eskalierte grundlos
Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde mir klar, dass die Situation sich stetig aufschaukelt, egal was ich mache, sage oder auch nicht sage. Mein Gegenüber steht anscheinend unter Drogen und ist nur darauf aus, Gewalt zu suchen und hat in mir ein geeignetes Opfer gefunden. Durch die zunehmende Aggressivität in der Stimme, Gestik und Mimik fühlte ich mich tatsächlich derartig bedroht, dass ich um mein Leben fürchtete. Um das Kräfteverhältnis zu meinen Gunsten zu verändern, habe ich daher letztendlich zum Messer gegriffen.
Selbst das hat am Anfang mein Gegenüber nicht eingeschüchtert, sondern er kam bedrohlich nahe. Erst als ich das Messer in seinen Sichtbereich gehalten habe, um ihn darauf aufmerksam zu machen, hat der Aggressor von mir abgelassen und ist abgezogen. Ich habe daraufhin sofort meine Sachen mehr notdürftig als sicher gepackt, auf die Terrasse geworfen, mich in meine Wohnung geflüchtet und sofort die Polizei angerufen. Nach einer Stunde kam die Nachricht von der Streife, dass sie den Täter gefasst haben.
Der Angler blieb unverletzt, doch das Erlebnis hatte Folgen
Blinker: Welche Folgen hatte das für Sie? Beschäftigt Sie der Vorfall noch immer?
Roth: Obwohl ich körperlich unversehrt geblieben bin, habe ich seitdem psychische Probleme bis hin Panikanfällen und Angstzuständen. Obwohl ich immer gerne im Dunkeln an entlegenen Stellen geangelt habe, fühle ich mich dazu nicht mehr in der Lage. Ich habe regelrechte Angstzustände, alleine im Dunklen aus dem Haus zu gehen. Seit dem Vorfall habe ich in der Dämmerung meine vier Wände nicht mehr verlassen. Selbst das Angeln am helllichten Tag wenige Tage nach dem Vorfall ist mir schwergefallen und hat anfangs nur in Begleitung funktioniert.
Blinker: Sind Ihnen andere Vorfälle dieser Art bekannt? Kommt es vermehrt zu Gewalt gegen Angler?
Roth: Direkt in dieser Art und Ausprägung nicht. Im Zuge der Verarbeitung habe ich im Internet recherchiert, um herauszufinden, wie häufig solche Angriffe stattfinden. Ich war schockiert darüber, wie oft davon berichtet und mit welcher Brutalität gegen Angler vorgegangen wird. Die Motivation der Angreifer ist dabei oft unterschiedlich.
Ich habe meinen Angelschein 1990 gemacht und von 2005 bis 2020 eine Pause eingelegt. Ich war zuerst überrascht über die unglaubliche Weiterentwicklung im Angelsport über die letzten 15 Jahre, aber jetzt leider auch über die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf Gewalt gegen Angler. Auch wenn es in den 90ern noch kein Internet und damit die heutige Transparenz gegeben hat, so ist mir in den 15 Jahren nie persönlich, im Verein oder im weiten Bekanntenkreis ein Vorfall bekannt, in dem ein Angler angegriffen worden ist.
Gewalt gegen Angler darf nicht mit Gewalt beantwortet werden
Blinker: Im Internet liest man von Anglern, die sich das nicht gefallen lassen wollen. Manche reden davon, bewaffnet ans Wasser zu gehen. Was halten Sie davon?
Roth: Ich halte davon sehr wenig. Grundsätzlich pflege ich den Grundsatz, dass Gewalt zu mehr Gewalt führt. In meinem persönlichen Fall hätte es auch anders ausgehen können. Mein Gegenüber hätte mir das Messer aus der Hand schlagen oder selbst ein Messer bei sich getragen haben können. Auch hätte er resistent gegen meine Drohung sein können. Für mich war dies meine letzte Chance, die Situation zu bewältigen, jedoch hätte auch dies anders ausgehen können.
Bei „bewaffneten“ Anglern sehe ich die Gefahr, dass die Grenzen für einen Einsatz der Waffe schwinden. Es könnte dann häufiger zu einem vorschnellen Einsatz der Waffe kommen, ohne dass es notwendig gewesen wäre. Bei gewaltbereiten Gruppen sehe ich zudem die Gefahr, dass diese sich zwar zuerst von einer Waffe beeindrucken lassen, aber dann eventuell selber bewaffnet wieder zurückkehren.
Wie sollte man sich am Wasser verhalten?
Blinker: Welchen Rat können Sie anderen Anglern geben? Wie sollte man sich verhalten?
Roth: Für mich ist die einzige gangbare Lösung, niemals alleine an ein Gewässer zu gehen, oder zumindest in Rufweite zu einem benachbarten Angler zu angeln. Das werde ich für mich ab jetzt einhalten. Alles andere ist sicherlich von der Situation abhängig. Da kann selbst ein Einlenken und Beschwichtigen dazu führen, dass man sein Gegenüber noch mehr anstachelt und Gewalt hervorruft.
Herr Roth, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Berichte von Gewalttaten am Wasser
Herr Roths Schicksal ist definitiv kein Einzelfall. Meldungen über Gewalt gegen Angler sind zwar selten, doch sie kommen immer wieder vor. So kam es im Jahr 2008 am Mainufer zu einem Überfall, infolgedessen ein Rentner ins Koma fiel. Vor Stralsund wurde 2018 ein junger Mann von einer Gruppe überfallen, konnte sich jedoch wehren. Im Oktober 2020 griff ein Unbekannter zwei Angler an der Vils an und versuchte, auf sie einzustechen. Weitere Beispiele wie diese finden sich oft in Lokalzeitungen.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit ist davon zu lesen – so gab es im letzten Jahr einen besonders tragischen Vorfall in Florida, der drei Menschenleben forderte.
Quellen: FAZ, Süddeutsche, Idowa, Focus