Wilhelm Schulze ist Blinker-Leser und geht mit aufmerksamen Augen ans Wasser. An seinem Heimatgewässer, dem Elbe-Seitenkanal fiel ihm seit geraumer Zeit die zunehmende Gewässerbelastung durch Müll und Abfall von Binnenschiffen auf. Und er fragt sich: Verkommen unsere Kanäle immer mehr zu Müllhalden unter unseren Gewässern?
Der Elbe-Seitenkanal liegt wie ein Spiegel vor mir, ab und zu kräuseln Ringe aufsteigender Plötzen und Ukeleis die Oberfläche. Leichte Nebelschwaden steigen vom Wasser auf. Die Sonne lugt gerade über die Wipfel der entfernt stehenden Baumgruppe. Die Uhr zeigt 5.30 Uhr. Die richtige Zeit zum Morgenansitz auf Barsche und Zander. Schnell sind die Rutenhalter aufgebaut und die Köder im Wasser. Alles wirkt sehr idyllisch, aber etwas trübt die Stimmung. Schon wieder treibt ein großes Stück Plastikfolie in die Schnur. Als ich es herausgeholt habe, entpuppt es sich als Einkaufstasche.Auch am Ufer findet man überall angetriebene Kunststoffteile, PET-Flaschen, Spraydosen, Seilenden und vieles mehr. Was hier im Kanal an Müll entsorgt wird, ist nicht mehr hinzunehmen. Gerade nähert sich eine Schubeinheit der Deutschen Binnenreederei. Kurz vor meiner Angelstelle wird eine Tür im Aufbau geöffnet und ein Mann wirft ein Glas über Bord. Auf meine hinübergerufenen Frage, was das soll, sehe ich nur den bekannten Stinke-Finger. Später, als das Glas auf meiner Seite angeschwemmt wird, sehe ich, dass es heute Mittag an Bord Rotkohl geben wird. Meine treue Labradorhündin Anni hat es sich angewöhnt, alles, was im Kanal schwimmt herauszuholen, ob es nun Flaschen, Spraydosen oder abgerissene Holzfender sind. Sie hat sogar schon Müllsäcke voll Essenabfälle geborgen. Liebe Kanalschiffer und Freizeitkapitäne, wenn ihr schon eure Essenreste in den Kanal entsorgt, dann schüttet sie doch vorher nicht auch noch in Plastiksäcke.Der Müll, der hier auf ca. einen Kilometer Kanallänge angeschwemmt wird, füllt wöchentlich ein bis zwei Müllsäcke. Dabei soll auch nicht verschwiegen werden, dass sich darunter auch Hinterlassenschaften einiger schwarzen Schafe unserer Anglerzunft, sowie Überbleibsel nächtlicher Partys befinden.Wenn alle, Schiffer wie Angler oder Spaziergänger und Partylöwen ihre Abfälle vorschriftsmäßig entsorgen würden, wäre das Angeln hier am Kanal eine reine Freude. Sollte die Entwicklung aber so weiter gehen, könnten wir ja gleich versuchen, in den Abwassersammelbecken der Mülldeponien Fische zu fangen. Aus meinen trüben Gedanken schreckt mich der Bissanzeiger der rechten Rute auf. Schnell wird die Rute aus dem Halter genommen, und nach einem beherzten Anhieb gesetzt und einigen kurzen Fluchten gleitet ein schöner 34er Barsch in den Kescher. Zwar nicht der erhoffte Zander, aber Barsche schmecken auch sehr gut (trotz Müll). Wilhelm Schulze