Kommentar: Ausgangssperre für Angler ist blinder Aktionismus der Politik

Die Bundes-Notbremse ist seit über einer Woche aktiv! Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, Reiseverbot. Alles wie gehabt und doch irgendwie neu. Ein weiterer Meilenstein der Politik in einer Verkettung von Maßnahmen, die schon lange kaum einer noch nachvollziehen kann.

Ein Nachtangler steht während der Dämmerung am Wasser.

Nachtangeln sieht meistens so aus. Von Ansteckungsgefahr weit und breit keine Spur. Und dennoch ist es im Rahmen der Ausgangssperre momentan verboten. Foto: Unsplash/Christian Blais

Nun kommen die nächsten Einschränkungen für Landkreise mit einer Inzidenz von über 100 also aus Berlin und nicht mehr aus den Landtagen. Doch ergibt die vorübergehende Abschaffung des föderalen Systems zur Pandemiebekämpfung überhaupt Sinn? Mitnichten. Das Gesetz weist nämlich enorme Lücken auf und lässt bestimmte Personengruppen wissentlich außen vor – oder beachtet sie erst gar nicht. Das gilt vor allem für uns Angler. Ein Kommentar.

Wer im Irrwald der Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern noch durchblickt … Chapeau! Dann seid ihr mir bereits ein Stück voraus, denn ich habe damit abgeschlossen. Seit Beginn der Pandemie halte ich mich an die Regeln und befolge die Verordnungen zum Infektionsschutz. Das steht außer Frage – und sollte auch selbstverständlich sein. Dennoch kann ich seit Beginn des aktuellen Lockdowns (im November!) immer weniger verstehen, worum es eigentlich gehen soll. Mag sein, dass die Ausgangssperre hier in Hamburg die Infektionszahlen gedrückt hat – und ja, auch die Maskenpflicht und die Kontaktbeschränkungen sind im Kontext der Pandemiebekämpfung ein wichtiger Faktor. Jetzt kommt das große Aber: Was ich nicht nachvollziehen kann – und damit stehe ich nicht alleine da – sind sinnlose Schnellschussaktionen, die absolut gar nichts mit der Pandemie-Eindämmung zu tun haben und auf reiner Willkür basieren. Ganz weit oben auf meiner Liste: die Ausgangssperre in ihrer jetzigen Form.

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Hinterhergeschobene Doppelmoral – Gesundheit ist mehr, als nicht krank zu sein

Ein Blick in den Gesetzestext offenbart, was viele Angler bereits befürchteten. Wenn die Ausgangssperre greift, müssen alle nicht-systemrelevanten Menschen zu Hause sein. Dies ist in den meisten Fällen ab 22 Uhr der Fall – bei uns in Hamburg sogar um 21 Uhr. Das ist zumindest die Quintessenz des Gesetzes. Denn natürlich gibt es Ausnahmen. Nachdem sich heftiger Protest regte, „verbesserte“ die Judikative den Gesetzesentwurf dahingehend, dass Solo-Outdoor-Sportaktivitäten bis 24 Uhr möglich seien. Ob das Angeln darunter fällt? Nein, meint zumindest die nordbayrische Polizei. Alleine joggen ist hingegen kein Problem. Schließlich kümmert man sich doch um die Gesundheit der Menschen.

Fassen wir also zusammen: Möchte ich alleine nachts angeln, dann darf ich das solange tun, bis ich meine Sachen packen muss, um pünktlich zu Beginn der Ausgangssperre zu Hause zu sein. Okay. Bei der Heimfahrt befinde ich mich wiederum in meinem Auto, in dem ich so oder so keinen anstecken kann – unabhängig von der Uhrzeit. Aber jetzt kommt Trick 17: Ich dürfte samt Angelequipment nach Hause joggen, in meinem Fall müsste ich dafür die gesamte Stadt zu Fuß durchqueren. Vorbei an Fußgängerzonen, anderen „Joggern“, Parks etc. Eine Maske muss ich dabei ebenfalls nicht tragen. Aber hey, zum Glück habe ich mich von meinem „Hochrisikogebiet“ am Wasser wegbewegt. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich dort bis zum Morgengrauen alleine geangelt hätte. Sorry, liebe Politik, aber das ist einfach Bullshit! Aber immerhin schön verpackt, denn das alles passiert unter dem Prädikat Gesundheitsschutz.

Tut mir leid, aber wenn es den Politikern um Gesundheit gehen würde, dann dürften wir nachts alleine angeln. Und das hat auch einen simplen Hintergrund. Gesundheit definiert jeder für sich individuell. Für mich ist Gesundheit nicht gleichzusetzen mit der Abwesenheit von Krankheit. Gesund fühle ich mich, wenn ich mich entfalten und meinem Hobby nachgehen kann, wenn ich in der Natur an der frischen Luft bin. Das verbietet mir der Staat. Und dafür sollte er meiner Meinung nach nicht die Kompetenz besitzen. Auch und gerade nicht in einer Pandemie, in der mein Alltag seit über einem Jahr aus Arbeiten, Netflix und Einkaufen besteht. Was ich stattdessen brauche: ein dringend benötigtes Kontrastprogramm zum tristen Pandemie-Alltag. In der Natur sein, angeln, durchatmen, Kraft tanken. Und ja, darunter fällt auch das Nachtangeln. Wir Angler brauchen diese Stunden, um uns gesund zu fühlen. Denn wie schon die Jungs der Band „Truck Stop“ wussten: „Angeln entspannt, kolossal, ob du was fängst, ist ganz egal, Angeln ist gut für Herz und Blut, Angeln entspannt, Angeln tut gut.“

Die üblichen „Totschlagargumente“ greifen in diesem Fall nicht

Und ja, ich kenne Leute, die mir diese Haltung als unsolidarisch verkaufen wollen. Leute, die tagtäglich mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Landkarte in Richtung Indien tippen und mit schäumendem Mund von der drohenden Triage erzählen. Es scheint, als hätte die Doppelmoral in solchen Konversationen Hochkonjunktur, denn diese Drohgebärden von Triage und einem Apokalypsen-Szenario greifen in diesem Fall nicht. Zum Mitschreiben: wenn ich alleine am Wasser stehe und angle, stecke ich natürlich niemanden an. Auch wenn ich im Auto sitze, stecke ich niemanden an und verhalte mich dabei auch nicht unsolidarisch. Unsolidarisch sind jene Politiker und Verfechter der Ausgangssperre, die in selbigem Konzept nicht mal ansatzweise an sportliche Betätigungen abseits des Joggens gedacht haben. Tja, sowas passiert halt, wenn man keine starke Lobby hat, könnte man nun zynisch hinausposaunen.

Aber jetzt mal ehrlich … es kann doch nicht sein, dass ich diesen Text nach über einem Jahr Pandemie noch schreiben muss. Die Formel ist doch ganz einfach: Wer eine Überlastung der Intensivstationen vermeiden will, der muss ein Gleichgewicht schaffen zwischen sinnvollen Maßnahmen und dem Recht des Einzelnen auf sportliche Betätigung in der Natur. Nur so bekommt man die nötige Akzeptanz für Maßnahmen und sorgt dafür, dass die Menschen sich dem grassierenden Virus mit einem gestärkten Immunsystem entgegen stellen. Wer das nicht begreift, der ignoriert wissentlich oder versteht nicht, dass Gesundheit ein holistisches System ist. Und genauso ist nicht jeder Mensch, der sich sportlich betätigen will, ein Jogger.

Das, liebe Politik, ist einfach nur blinder Aktionismus und hat mit einer adäquaten Pandemiebekämpfung gar nichts zu tun. Vielmehr ist das eine bewusste Schwächung des Immunsystems, das nachweislich abbaut, wenn man sich wenig bewegt und den ganzen Tag in der Bude hockt, was wir seit über einem Jahr bereits tun. Und ich persönlich arbeite von morgens bis abends im Büro und habe deshalb kaum eine Möglichkeit in der Natur zu sein. Außer eben beim Nachtangeln. Daher ist die Kritik mehr als angebracht, denn im Falle einer Infektion ist ein Stubenhocker-Immunsystem deutlich angreifbarer als ein gestärktes. Das ändert sich auch nicht während einer Pandemie. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber gesund und behütet fühle ich mich bei der Ausgangssperre in dieser Form nicht. Ganz im Gegenteil …

Ihr wollt ebenfalls eure Meinung zur Ausgangssperre loswerden? Oder habt andere politische und polarisierende Themen, auf die ihr aufmerksam machen wollt? Dann schreibt uns per Mail an [email protected]. Die interessantesten Beiträge veröffentlichen wir einmal pro Woche auf blinker.de!


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