Bis ins 19. Jahrhundert war der Lachs ein häufiger Gast in Niedersachsens Flüssen. Heute versperren Wasserkraftanlagen und andere Querbauwerke den imposanten Fischen die Wanderwege zu ihren Laichplätzen. Die Folge: Der Lachs, der „König der Fische“ ist seit langem vom Aussterben bedroht. Angelvereine aus Lüneburg setzen sich daher seit Jahrzehnten für seine Rettung ein.
Eine öffentliche Besatzaktion mit Junglachsen aus Dänemark soll für die konsequente Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie werben. Kernforderung: Die ökologische Durchgängigkeit der Gewässer muss wieder hergestellt werden, damit Wanderfische wie Lachs, Meerforelle, Aal, Neunaugen und viele andere nicht aussterben. Dazu hat sich Deutschland vor mehr als 20 Jahren verpflichtet. Passiert ist seither viel zu wenig.
Lachs und Meerforelle wandern ins offene Meer
Nach ihrem Heranwachsen in den Oberläufen von Bächen und Flüssen wandern junge Lachse und Meerforellen ins offene Meer. Dort fressen sie mehrere Jahre und erreichen als Lachs Gewichte von 20 kg und mehr. Ausgewachsen und geschlechtsreif kehren sie in den Mündungsbereich ihres Geburtsgewässers zurück. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts konnten die Fische ihre Laichgründe in den Oberläufen der Fließgewässer nahezu ungehindert erreichen und selbst für Nachwuchs sorgen.
Ein Beispiel: 1894 fingen Fischer in Hameln noch gut 10.000 Lachse. Nach dem Bau der ersten großen Wehr- und Wasserkraftanlagen in der Weser um 1910 gingen die Fänge jedoch rapide zurück. Zu Beginn der 1930er Jahre fingen Hamelns Fischer nur noch etwa 100 Lachse. Meerforellen, die wandernde Form der bekannten Bachforelle, ereilte das gleiche Schicksal. Die bis zu 1 m großen Tiere würden praktisch zeitgleich mit den Lachsen vom Frühsommer bis in den Herbst in die Flüsse aufsteigen. Aber auch für sie sind Hunderte Sohlabstürze, Querbauwerke und Wasserkraftanlagen in den Gewässern unüberwindbar.
Artenschutzprogramme von Angelvereinen erfolgreich
Angelvereinen im Norden gelang es, Meerforellen wieder in ihren Gewässern anzusiedeln. Dazu waren enorm aufwändige Artenschutzmaßnahmen nötig: monatelange Aufzucht künstlich erbrüteter Eier in speziell errichteten Bruthäusern, Anlegen von Laichplätzen mit Zehntausenden Tonnen Kies in den Oberläufen der Flüsse, Rückbau von Querbauwerken und Sohlabstürzen und vieles mehr.
Genauso engagierten sie sich für den Lachs – immerhin kamen in fast allen Flusssystemen beide Arten nebeneinander vor. Allein im Aller-Leine-System setzte man in den vergangenen 40 Jahren Millionen von Junglachsen aus. Trotz wesentlicher struktureller und ökologischer Verbesserungen in den Gewässern verzeichneten die Angelvereine im gesamten Zeitraum nur wenige Dutzend Rückkehrer.
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Die Junglachse, die am 15. Oktober in die Ilmenau besetzt werden, stammen entsprechend auch nicht aus eigenen Beständen. Sie werden aus Dänemark in speziellen Transportern vom „Danmarks Center for Vildlaks“ geliefert. Seit Beginn der Jahrtausendwende unternimmt unser Nachbarland massive Anstrengungen, um seine Fließgewässer wieder durchgängig zu gestalten – gerade im städtischen Bereich.
Mit großem Erfolg: die Zahlen von Lachs und Meerforelle stiegen rasant, ein wertvolles nationales Naturerbe wird bewahrt und bewundert, ausländische Angler bringen wichtige Devisen ins Land und am wichtigsten: Dutzende anderer Arten profitieren erheblich von der wieder hergestellten ökologischen Durchgängigkeit der Gewässer.
EU-Wasserrahmenrichtlinie muss umgesetzt werden
Ralf Gerken, Naturschutzexperte beim Anglerverband Niedersachsen (AVN) und seit über 30 Jahren Koordinator eines erfolgreichen Wiederansiedlungsprojektes im Wümme-Bereich: „Lachs und Meerforelle gedeihen nur in ökologisch intakten Fließgewässern. Wenn wir den rasanten Artenschwund im Lebensraum Wasser aufhalten wollen, müssen wir unsere Gewässer durchgängig machen!“ Laut Bundesamt für Naturschutz schreite der Verlust an Biodiversität in den Fließgewässern noch schneller und gravierender voran als an Land.
Der AVN fordert von der Politik mehr als nur Lippenbekenntnisse. Deutschland habe sich zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet – passiert sei viel zu wenig. Nur 3% der Fließgewässer in Niedersachsen seien in einem „guten ökologischen Zustand“, den die EU-Wasserrahmenrichtlinie vorschreibt.
In Lüneburg hat die Sportangler-Kameradschaft der Stadt nach dänischem Vorbild Pläne zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit an der Abtsmühle unterbreitet. Gerken ist sicher: „Ein solches Projekt mitten in der Stadt hätte eine enorme Signalwirkung für ganz Norddeutschland und wäre ein einmaliges Naturerlebnis für alle Bürgerinnen und Bürger!“
Die Anglerinnen und Angler der Lüneburger Vereine werden in ihren Bemühungen nicht nachlassen, den „König der Fische“ zurück in die Ilmenau zu holen. Doch nur Seite an Seite mit der Verwaltung und einem klaren Bekenntnis zum Schutz von Wanderfischen wie Lachs und Meerforelle sei dieses Vorhaben umsetzbar.