In einem von Brasiliens größten Ökosystemen, dem Atlantischen Regenwald, steht eine neue Bedrohung bevor: Ein genmodifizierter Zebrabärbling, der im Dunkeln leuchtet. Das sagen zumindest Biologen der University of São João del-Rei. Demnach sollen trotz des Verbots des sogenannten „GloFish“ Exemplare in allen der fünf größten Zuflüssen des südöstlichen Paraíba do Sul Einzugsgebiets nachgewiesen worden. Das Flusseinzugsgebiet umfasst 55.500 Quadratkilometer und gilt als die brasilianische Wasserscheide, die am meisten vom Menschen betroffen ist.
Studie zum genmodifizierten Fisch gibt Grund zur Sorge
Als Hauptautor der Ende 2021 veröffentlichten Studie sieht insbesondere André Magalhāes die Verbreitung des Zebrabärblings als kritisch. „Ich bin sehr besorgt, da diese nicht einheimische Fischart einen starken ökologischen Einfluss haben kann, in dem sie Futter streitig machen oder einheimische Fische fressen“, erläutert der Biologe dem Nachrichtendienst Mongabay.
So betont er, dass manche der einheimischen Fischarten durch den GloFish und andere invasive Arten ausgerottet werden könnten. Nicht nur sei dies eine fremde Art oder ein bestimmter Hybridfisch, sondern „das Schlimmste, ein invasiver, genmodifizierter Fisch“ – wie der Zebrabärbling.
Magalhāes‘ Studie betrachtet den Lebenszyklus des genmodifizierten Zebrabärblings in der Wildnis. Gemäß seiner Erkenntnisse stehe der Zebrabärbling in seiner Ernährung von Insekten und Zooplankton in direkter Konkurrenz zu einheimischen Fischen. Außerdem fehlen in den Flussläufen die Raubfische, um die Population in Schach zu halten, fügt der Biologe hinzu.
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GloFish: Genmodifiziert, aber nicht unfruchtbar
Eine gängige Annahme sei es, dass GloFish sich nicht fortpflanzen könnten. Der Name GloFish umfasst mehrere genmodifizierte Fischspezies, aber zumindest für den Zebrabärbling sei diese Annahme laut Magalhāes‘ Beobachtungen zufolge falsch. Die Studie hat ergeben, dass sich die Fische in zwei Flussläufen fortpflanzen. Im Queiroga-Wasserlauf pflanzen sie sich „jeden Monat des Jahres fort“, so Magalhāes.
Ein unabhängiger Fischexperte der Universität Paraná, Jean Vitule, bestärkt die Bedenken seines Kollegen: „Ich bin sehr besorgt, weil das Auftreten des genmodifizierten Fisches in diesen Einflussgebiet ein Schuss ins Blaue ist. Wir wissen nicht, wie schwerwiegend des Problem sein wird, da die Fische in eine sehr gering erforschte Region entkommen.“
GloFish sind evolutionäre Verlierer
Fische, die im Dunkeln leuchten, wurden zum ersten Mal in den späten 1990ern an der National University of Singapore erschaffen. Die Wissenschaftler haben es geschafft, Genmaterial von Seeanemonen und Quallen in einen wilden Zebrabärbling einzupflanzen. Dieses Genmaterial ist dafür zuständig, dass ein rot oder grün fluoreszierendes Protein in der Haut produziert wird. Das US-amerikanische Unternehmen Yorktown Technologies erwarb die Marketing-Rechte und züchtete und verkaufte die Fische unter dem Namen GloFish.
Von amerikanischen Behörden gab es bezüglich des genmanipulierten Fisches wenig Besorgnis zu einer möglichen Schädlichkeit. Diese Einschätzung wurde von einer in 2015 veröffentlichten Studie bestätigt, in der Wissenschaftlicher der Purdue University mehr als 18.500 erwachsene Zebrabärblinge – mit und ohne Genmodifikation – untersuchten. Über 18 Populationen mit 15 Generationen habe man so beobachtet und herausgefunden, dass die GloFish im Vergleich zu ihren wilden Artgenossen deutlich geringe Fortpflanzungserfolge hatten.
Ein Koautor der Studie und biologischer Berater zur Risiko-Einschätzung des amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), Professor William Muir, erklärt, dass die Männchen des Zebrabärblings die modifizierten Artgenossen in der Fortpflanzung dominierten. Wilde Männchen bekamen sie 2,5-mal mehr Nachwuchs als die GloFish-Männchen. „Wenn wir einen transgenetischen (genmodifizierten) Organismus erschaffen, dann reduzieren wir damit dessen Fitness in der Wildnis. Evolution übernimmt und entnimmt ihn“, meint Muir.
Brasilianische Studie „überschätzt die Risiken“
Nach Muirs Einschätzung übertreiben seine brasilianische Kollegen. Seiner Ansicht nach sei die neue Forschung „eine Studie über fast gar Nichts. Sie haben (die Studie) in einem qualitativ hochwertigen Magazin veröffentlicht, weil es sensationell ist.“ Der Grund zur Besorgnis sei laut Muir also weniger die Genmodifikation des Fisches, sondern „weil die Region eine Invasion der Exoten erlebt.“
Dem widerspricht Magalhāes jedoch, da Professor Muirs Forschung in einem Labor geschehen sei, während seine in der Wildnis stattfand. „In einem Labor kann man die Variablen kontrollieren, aber in der Wildnis geht das nicht“, so brasilianische Biologe. Man könne nicht sicher sein, dass die genmodifizierte Spezies im evolutionären Sinn verlieren wird, besonders in einem Ökosystem, in dem sie keine natürlichen Feinde hat.
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Studie gibt Lösungsvorschläge
Die brasilianische Studie gibt klare Vorschläge, wie man gegen die invasiven Fische vorgehen könne. So seien simple Methoden wie Netze als Ausbruchsschutz bei Fischfarmen bereits eine gute Möglichkeit, das Entkommen der GloFish einzudämmen. Auch Rückhaltebecken mit heimischen Raubfischen wie dem Dornhai seien eine gute Option, um entkommende Fische vor dem Eintreten in die Wildnis zu stoppen.
Auf lange Sicht sei jedoch eher sinnvoll, das Züchten von lokal vorkommenden Spezies zu unterstützen, anstatt von Exoten wie Zebrabärblingen. Außerdem müsse das Verbot von genetisch modifizierten Fischen in Brasilien durchgesetzt werden. Das Verbot existiert laut Magalhāes zwar schon seit 2017, aber seien die genmodifizierte Fische immer noch online verfügbar.