„Hah, da ist einer!“ „Hab ihn erwischt!“ „Oh, so einen haben wir überhaupt noch nicht…“ „Hey, noch einer…“ Selfies mit Fisch scheinen die beiden Jungangler, ich schätze sie auf 13, 14 Jahre, auch fleißig zu machen. Ab und an sehe ich von weitem, wie einer der beiden mit seinem Smartphone aus dem Schilf gelaufen kommt und kurz darauf wieder verschwindet.
Zwei Stunden später treffe ich sie auf dem Rückweg: „Na, was habt ihr gefangen?“ „Zwei Rattfratz, Kategorie Maus, das sind voll die Angsthasen, und nen Schiggy, Typ Wasser, der hat die Fähigkeit Sturzbach, und nen Pikachu, Kategorie Maus, Fähigkeit Statik, der ist voll niedlich…“
Beim Wort „Pikachu“ klärte sich mein sicherlich etwas verwirrter Blick. Dieses Wort war auf der Festplatte meines fast 50jährigen Hirns gespeichert: Pikachu ist ein Pokémon, und die Jungs hatten wohl doch keine Selfies mit ihren Fängen gemacht, die waren am Ufer mit ihren Smartphones auf Pokémon-Jagd!
Pokémon: Jungangler jagen sie mit Smartphones
Stolz präsentieren mir die beiden ihre „Fänge des Tages“, scrollen durch die App „Pokémon Go“ und erklären mir, welche Fähigkeiten die virtuellen Taschenmonster jeweils besitzen. Einer der Jungs, der hält eine Spinnrute mit kleinem Wobbler an sehr dickem Stahlvorfach in der Hand, schaut plötzlich auf und fragt mich, ob ich Fliegenfischer sei. Totaler pubertärer Themensprung. Ich nicke und frage: „Möchtet ihr euch mal die Fliegen anschauen?“. Beide nicken und ich ziehe mit einer geschwungenen Handbewegung eine Streamerbox aus der Weste. „Tungsten Bugger, Typ Sink-Streamer, der hat die Fähigkeit, Forellen aus tiefen Löchern zu kitzeln. Und das ist eine Terror Fly, Typ Sea Trout, Fähigkeit: die gefährlichste aller Fliegen…“
Auch wenn ihr Klappkescher trocken blieb, die beiden hatten offensichtlich ihren Spaß und wir alle haben wieder am Wasser etwas gelernt. Gerade bin ich nach Hause gekommen, da höre ich den Ruf meiner Frau Karen: „Michi, komm mal ganz schnell in die Küche, hier ist ein ganz seltsames Vieh.“ Noch in der Fliegenweste eile ich in die Küche und sehe – nichts! „Stell Dich mal da hin und halte die Hand so. Nein, so, mehr seitlich. Und lächeln.“ KLICK. „Guck mal, so sieht der Lapras aus.“
Kann man aus dem Pokémon Lapras Wathosen machen?
Auf www.pokewiki.de (kein Witz, gibt es wirklich!) lese ich nach: Der Lapras ist ein H2O-Absorber, der immun gegen Wasserattacken ist und frage mich, ob man dann nicht aus Lapras wunderbare Wathosen machen könnte…
Irgendwie lustig ist das ja schon, diese Pokémon Go-App, die inzwischen halb Deutschland infiziert hat, doch die Arbeit ruft, die letzten Seiten der aktuellen FliegenFischen müssen fertig werden. Gerade sitze ich an der letzten Meldung für „Notizbuch“, da geht die Tür auf und Karen kommt freudestrahlend ins Büro. „Ich habe gerade in der Hecke, beim Basketballkorb, einen Glumanda entdeckt. Hab’ ihn gefangen.“ Oh Mann…
Sollten Ihnen also beim Fischen Menschen begegnen, die mit vorgehaltenem Smartphone durch die Gegend laufen und wirres Zeug brabbeln – die tun nichts, die wollen nur spielen. Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Zeit am Wasser, es wird irgendwie nie langweilig da draußen.