Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie erlebt der private Fischfang eine Renaissance: In Zeiten von Social Distancing ist das Angeln ein unbedenkliches Hobby an der frischen Luft. Folglich gibt es seit letztem Jahr sehr viel mehr Angler durch Corona. Doch kann man abschätzen, was das für die Gewässer bedeutet? In gewissen Maßen ist das möglich. Eine neue Studie von Projekt BAGGERSEE beschäftigt sich kritisch mit dem Einfluss des Angelns auf die Artenvielfalt an Baggerseen. Das Ergebnis ist eine gute Nachricht: Baggerseen, die von Angelvereinen genutzt und bewirtschaftet werden, stehen unbeangelten Seen in ihrer Artenvielfalt in nichts nach.
Das Projekt BAGGERSEEZum Forschungsprojekt BAGGERSEE gehören Professor Dr. Robert Arlinghaus von der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der Universität Bremen, der Technischen Universität Berlin und dem Anglerverband Niedersachsen. Die Forschenden untersuchen seit 2016 den Einfluss des Angelns auf die Artenvielfalt an insgesamt 26 niedersächsischen Baggerseen. Erste Resultate wurden nun im Fachmagazin Aquatic Conservation veröffentlicht. (Seiten 153-172, Englisch) |
Mehr Angler schaden den Gewässern nicht
„Die Ergebnisse zeigen, dass Schutz der Artenvielfalt und Nutzung von Fischpopulationen und Gewässern über Angler vereinbar sein können“, fasst Fischereiprofessor Robert Arlinghaus von der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zusammen.
„Künstlich entstandene Baggerseen dienen als Ersatzlebensraum für viele ans Wasser gebundene Arten. Diese werden in ihrer Artenvielfalt nicht vom Angeln oder der anglerischen Gewässerhege beschränkt, jedenfalls nicht unter den von uns untersuchten Gewässerbedingungen in Niedersachsen.“, ergänzt Erstautor Robert Nikolaus vom IGB.
Europaweit gibt es einen beträchtlichen Anteil kleiner künstlicher Gewässer wie Baggerseen und Teiche. In Niedersachsen sind sogar 99% aller Seen künstlichen Ursprungs.
Die Studie verglich 16 beangelte mit 10 unbeangelten Baggerseen
Beim Projekt BAGGERSEE testen die Forschenden gemeinsam mit Angelvereinen, wie diese Baggerlöcher ökologisch aufgewertet werden können. Den Anglern kommt dabei als Gewässerpflegern eine Schlüsselrolle zu. Sie bringen in Baggerseen Totholz ein und schaffen Flachwasserzonen, um diese für Tiere und Pflanzen wirtlicher zu gestalten. Das Vorhaben wird gemeinsam gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU).
Für ihre Teilstudie verglichen die Fischereiforschenden die 16 von Angelvereinen genutzte und gepflegte Baggerseen mit zehn Seen ohne angelfischereiliche Nutzung stattfand. Für den Vergleich beider Seetypen fassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die dort vorkommenden Arten in sieben Artengruppen zusammen: Uferpflanzen, Wasserpflanzen, Groß- und Kleinlibellen, Amphibien, Sing- und Wasservögel.
Beangelte Baggerseen sind voller Artenvielfalt
Anglerinnen und Angler können die Tiere auf mannigfache Weise beeinflussen. Beispielsweise indem sie brütende Vögel aufscheuchen, Trittschäden verursachen oder beim Freischneiden von Angelstellen Uferpflanzen entfernen. Durch das Einsetzen bodenwühlender Fische kann auch das Unterwasserkraut zurückgehen. Abgerissene Angelhaken und Schnüre können insbesondere für Wasservögel zur Falle werden.
Das BAGGERSEE-Team schließt nicht aus, dass es im Einzelfall zu solchen Störungen kommen kann. Vergleicht man jedoch die Artengruppen als Ganzes, sind beangelte Baggerseen der Studie zufolge mindestens genauso artenreich wie nicht beangelte. Auch das Vorkommen bedrohter Arten unterschied sich zwischen den unterschiedlich genutzten Seen nicht.
Zudem fanden die Forscher in den Angelgewässern sogar mehr Unterwasserpflanzen als in den Vergleichsseen. Möglicherweise begünstigen die mosaikartig angelegten Angelstellen das Wachstum von Wasserpflanzen, da dort mehr Licht einfallen kann.
Angelverbot ist nicht gleich Artenschutz
Die Ergebnisse deuten an, dass naturschutzfachlich begründete Angelverbote nicht zwangsläufig der Artenvielfalt helfen.„Angelvereine sind zentrale Gewässerpfleger und wesentliche Gewässernutzer. Unsere Studie zeigt, dass Anglerinnen und Angler ihrem Hobby nachgehen können, ohne die biologische Vielfalt an und um die Gewässer herum zu schädigen. Das ist ein wichtiges Signal in der heutigen Zeit, in der das Interesse am Angeln aufgrund der Pandemie so hoch ist wie nie“, resümiert Fischereiprofessor und Communicator-Preisträger 2020 Robert Arlinghaus.