Ein unerwarteter Fund auf der Nordseeinsel Juist bietet einen faszinierenden Einblick in die Geschichte der Meeresforschung: Im Januar 2025 entdeckte ein Spaziergänger eine gut erhaltene, laminierte Karte, die mit der Bitte versehen war, den Fundort an das Deutsche Hydrographische Institut (DHI) zu melden. Diese Karte stammt aus einem Strömungsexperiment von 1961 und wurde nun an das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) übermittelt, die Nachfolgeinstitution des DHI.
Nutzen der Driftkarte: Strömungsforschung
In den 1960er Jahren spielten solche Driftkarten eine bedeutende Rolle bei der Untersuchung von Meeresströmungen, insbesondere im Hinblick auf die Ausbreitung von Ölverschmutzungen in der Nordsee. Das Experiment war Teil eines groß angelegten wissenschaftlichen Programms, das die Driftbewegungen im Meer untersuchte.
Laut dem Jahresbericht des DHI von 1961 wurden rund 4.000 Driftkarten ausgelegt. Etwa 30 Prozent dieser Karten landeten später in den Händen von Findern aus verschiedenen Ländern wie England, Norwegen, Schweden, Dänemark und Deutschland, die sie zurückschickten. Diese Rückmeldungen trugen entscheidend zur Weiterentwicklung der Forschung bei.
Weitere Entdeckungen: Driftkarte aus Schweden
Ein weiteres interessantes Beispiel dieser historischen Karten befindet sich heute in der BSH-Bibliothek in Hamburg. Diese Karte wurde 1992 in Schweden gefunden. Die Karte hatte die Seriennummer 3892, was darauf hindeutet, dass sie ebenfalls Teil des Experiments von 1961 war.
Das BSH besitzt eine weltweit einzigartige Sammlung von Flaschenposten und Driftkarten, die wertvolle Einblicke in die historische Strömungsforschung gewähren. Diese Dokumente sind ein faszinierendes Zeugnis für die kontinuierliche Entwicklung der ozeanografischen Forschung im Laufe der Jahre.
„Spannendes Zeugnis der historischen Meeresforschung“
BSH-Präsident Helge Heegewaldt zeigt sich begeistert über den Fund und erklärt: „Dieser Fund ist ein spannendes Zeugnis der historischen Meeresforschung. Er zeigt, wie in der Vergangenheit Strömungen untersucht wurden – eine Aufgabe, die das BSH heute mit modernster Technologie fortführt. Das Ziel bleibt jedoch unverändert: Das Verständnis der Meeresdynamik zu vertiefen und dadurch wertvolle Erkenntnisse für Umwelt- und Klimafragen zu gewinnen.“
Strömungsforschung in der Ostsee: Auch hier wurden Driftkarten eingesetzt
Neben der Nordsee fanden auch in der Ostsee ähnliche Strömungsexperimente statt. In den Jahren 1976 und 1977 brachte das Institut für Meereskunde der Akademie der Wissenschaften der DDR insgesamt rund 12.800 Driftkarten in der Arkona- und Beltsee aus, um die Ausbreitung von Ölverschmutzungen zu untersuchen. Diese Versuche trugen ebenso zur Erfassung der Strömungsbewegungen in der Ostsee bei.
Die Rolle des BSH bei Drift- und Ausbreitungsberechnungen
Auch heute noch ist das BSH für die Berechnung von Drift- und Ausbreitungswegen in der Nord- und Ostsee verantwortlich. Diese Berechnungen sind nach wie vor unverzichtbar, um beispielsweise die Drift von verlorenen Containern oder die Ausbreitung von Ölteppichen nach Havarien genau vorherzusagen. Sie tragen zudem dazu bei, die Verursacher von Umweltverschmutzungen zu identifizieren und ermöglichen es, gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Von Driftkarten zu modernen Messsystemen: Der technologische Fortschritt
Früher setzten Wissenschaftler auf einfache Driftkarten und Flaschenposten, doch heute kommen modernste Technologien zum Einsatz. Ein zentrales Instrument in der heutigen Meeresforschung sind die Argo-Treibbojen, die kontinuierlich Daten zu Meeresströmungen und -temperaturen sammeln. Mittlerweile sind weltweit fast 4.000 dieser autonomen Messsysteme im Einsatz – darunter auch in der Ostsee und in den Polarregionen.
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