Was nun folgt, ist das Geständnis einer Jugendsünde: Ja, ich habe gewildert! Mit schlechtem Gewissen und frisch gefangenen Heuschrecken. Während meiner Tat, ich war mir meiner Schuld dabei durchaus bewusst, habe ich gelitten. Am schlechten Gewissen, denken Sie? Pfffffftttttttt! Hallo, ich war zehn Jahre alt und fing in einem österreichischen Bach mit der Handschnur, versteckt unter einer Brücke, dicke Bachforellen! Schuldbewusstsein: Ja. Schlechtes Gewissen: Nein.
Ich litt einzig und allein, weil ich nur fünf Meter Angelschnur und einen einzigen Angelhaken unter den argwöhnischen Blicken meiner Mutter rausschmuggeln konnte. Die hatte natürlich gemerkt, wie ich bei der Anreise an der Seitenscheibe unseres Autos klebte, als wir über eine kleine Holzbrücke fuhren und mich nachdrücklich ermahnt, dass ich nicht in dem Bach angeln dürfte. Das tat sie erneut, als ich zur Tat schreiten wollte: „Michael, Du wirst nicht angeln, weder unten am Bach noch sonst wo! Ist das klar?“
„Will ich ja auch gar nicht. Ich gehe Eidechsen fangen.“ Misstrauischer Blick mütterlicherseits. „Kann ich einen Beutel für die Eidechsen haben? Und eine Flasche zu trinken, bitte…“ Sie reichte mir beides und ich glaubte schon, es geschafft zu haben… „Michael, zieh mal die Schuhe aus.“ „Wieso?“ „Ich will nur was kontrollieren…“ Kein Witz, Schuhkontrolle! Hat sie echt gemacht! Natürlich fand meine Mutter im Schuh weder Schnur noch Haken. Die steckten natürlich nicht im Schuh, sondern tief unten in der Socke! Wieso? Weil meine Mutter ihren Sohn kennt – doch ihr Sohn kennt eben auch seine Mutter.
Ich bekam meinen Stoffbeutel und die Trinkflasche und machte mich auf den Weg, den kleinen Waldweg bergauf. Im Rücken spürte ich ihren Blick und hatte einen Mordsschiss, in letzter Sekunde doch noch aufzufliegen oder mir den Haken in die Fußsohle zu rammen. Ersteres wäre schlimmer gewesen …
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„Plopp“ – und der Grashüpfer war weg!
Ich spürte ihren argwöhnischen Blick im Rücken, als ich pfeifend den Weg bergauf wanderte, den Eidechsen entgegen. Kaum war ich außer Sicht weite, schlug ich mich durchs Unterholz und kletterte den Hang hinunter, um auf den unteren Teil des Weges zu gelangen, denn ich wollte natürlich nicht hoch zu den Eidechsen auf der Lichtung, sondern runter zu den Forellen im Tal.
Unten ging dann alles ganz schnell: Wasserflasche ausgekippt, Heuschrecken gefangen und eine nach der anderen in die Flasche geschoben. Dann runter zum Bach, Schuhe aus, Angelschnur und Haken aus der Socke geholt. Gegen die Flasche, Öffnung nach unten, geklopft, bis eine Heuschrecke rausrutschte, vorsichtig durch den Hinterleib angeködert. Das Jagdfieber – und auch die Angst erwischt zu werden – ließen mein Herz bis in den Hals schlagen. Gebannt schaute ich zu, wie der Grashüpfer einen halben Meter vom Ufer entfernt abtrieb.
Gerade dachte ich nach, ob es nicht besser sei, die Schnur an einen Stock zu binden, um weiter draußen im schnellen Wasser fischen zu können, da machte es „Plopp“ und der Grashüpfer war weg.
Das sich anschließende Drill-Drama, kleiner Junge mit Handleine gegen tobende Bachforelle, erspare ich Ihnen. Um es kurz zu machen: Drei schöne Forellen landeten in meinem Beutel, die ich, heimlich und von meinen Eltern unbemerkt, unserer Wirtin, Frau Brandstätter, schenkte.
Am nächsten Tag waren es sogar vier Forellen, ich hatte einen echten Lauf. Tja, und am dritten Tag – da flog ich auf! Unsere Wirtin war so begeistert über meine tägliche Lieferung fangfrischer Forellen, dass sie meiner Mutter doch glatt erzählte, welch „tüchtigen Jungen und fleißigen Fischer“ sie hätte. Dumm gelaufen …
Die beste Zeit für Heuschrecken ist der Sommer!
Diese Jugendsünde liegt inzwischen fast 40 Jahre zurück, doch auch heute noch fische ich im Sommer gerne mit der Heuschrecke. Diese Heuschrecken klopfe ich jedoch nicht mehr aus der Flasche, ich nehme sie aus der Fliegendose. Auch die Handleine habe ich längst durch eine handliche 5er-Fliegenrute ersetzt – und ich wildere auch nicht mehr, falls Ihnen diese Frage gerade durch den Kopf gehen sollte.
Inzwischen hat sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Hopper in meiner Fliegenbox angesammelt. Meine Lieblingsimitation ist „Dave’s Hopper“. Mit dieser von Dave Whitlock „erfundenen“ Heuschrecke habe ich in den letzten 20 Jahren unzählige Fische gefangen und Erinnerungen gesammelt.
Da war diese prächtige Regenbogenforelle, 1995 in Montana, die die kleine CDC-Eintagsfliege nicht nahm und sich mit „Dave’s Hopper“ doch noch verführen ließ. Oder in Österreich der gut drei Kilo schwere Bachsaibling, ja, das war auch so ein Fall. Der Fisch stand unter dem Gras am Ufer und ich hielt ihn im ersten Moment für eine Bachforelle. Als der Hopper einen Meter vor ihm landete, schoss er wie ein Torpedo stromauf und schnappte ihn mit einem riesigen Schwall.
Oder die große Bachforelle in Argentinien, die den Hopper so ungestüm nahm, dass sie im hohen Bogen aus dem Bach schoss und auf der Wiese landete. Oder … Ach, wissen Sie, fischen Sie im Sommer einmal mit der Heuschrecke und erleben Sie selbst, was die Hopper-Fischerei bedeutet. Das Fischen mit der Heuschrecke ist auch heute noch so spannend wie in den Kindheitstagen …
Dieser Beitrag erschien zuerst im BLINKER 09/2015 – hier geht es zur aktuellen Ausgabe!