Gurgler für nächtliche Meerforellen

An der Ostseeküste beginnt jetzt mit Sonnenuntergang die Zeit der Meerforellen. Michael Werner weiht Sie in die Geheimnisse der Nachtfischerei ein und verrät Ihnen seine Tricks rund um den Meerforellen-Gurgler.

Angler mit Stirnlampe holt in der Nacht einen Meerforellen-Gurgler aus seiner Fliegenbox

Bild: M. Werner, K. Pflocksch

Beim Küstenfischen greift Michael Werner in Sommernächten zum Meerforellen-Gurgler, denn diese Oberflächenfliege ist seine klare Nummer 1!

Am Anfang war kein Meerforellen-Gurgler, sondern eine Zigarre. Keine Cohiba und auch keine Montecristo, es war eine Odense Cigar, Größe 4. Steffen, ein dänischer Freund, legte mir damals dieses Gebilde aus schwarzem Rehhaar und Marabou-Schwanz in die Hand und sehr nachdrücklich ans Herz. „Michael, die hier musst Du mal fischen, nachts, im Sommer!“ Mit so einem Stöpsel soll man Meerforellen fangen? Mein Blick schien Bände zu sprechen, denn Steffen legte nach: „Ehrlich, Michael! Die Zigarre musst Du fischen, die fängt wie Gift!“

Also bedankte ich mich artig, steckte die Zigarre zu den Mickey Finn, Punker und Juletrae, die 1995 up to date waren, und versprach, der Zigarre eine Chance zu geben. Drei Monate später war ich Mitte Juni auf Fehmarn unterwegs und fischte die dänische Zigarre an der Strömungskante des Sundes bei Staberhuk. Stunde um Stunde warf ich die Zigarre hinaus in die dunkle Nacht, machte kurze Pausen und fischte weiter und weiter und weiter.

Es war bereits weit nach drei Uhr nachts, Kaffee und Schokolade waren längst alle – und ich war es auch. Mir war kalt, ich war frustriert und ich dachte darüber nach, die Fischerei abzubrechen. Wahrscheinlich wäre das schon die ganze Geschichte gewesen, wäre nicht in diesem Moment keine 10 Meter vor mir eine stattliche Meerforelle senkrecht aus dem Wasser geschossen! Einen Wimpernschlag später fühlte ich mich, als hätte man mir einen Teller kalte Spaghetti über den Kopf geschüttet…

Odense Zigarre auf der Schwanzflosse einer Meerforelle

Bild: M. Werner, K. Pflocksch

Mit der Odense Zigarre fing es an, sie ist nach wie vor eine gute Nachtfliege. Doch im Gegensatz zum Meerforellen-Gurgler muss man mit der Zigarre mehr Fehlbisse verkraften…

Die Wende: 10 Meerforellen in drei Nächten!

Erst als alles vorbei war und ich mit zitternden Händen ins Dunkel starrte begriff ich, was passiert war: Die Meerforelle war nicht einfach nur gesprungen, sie hatte mit Vollgas die Zigarre genommen! Als sie mir bei ihrer wilden Attacke die Leine aus der Schnurhand riss, muss ich im selben Augenblick die Rute hoch und dem Fisch die Fliege aus dem Maul gerissen haben – durch meinen reflexartig maßlos übertriebenen Anhieb war mir die gestreckte Fliegenschnur fulminant um die Ohren geflogen. Saubere Leistung…

Diese Nacht am Staberhuk endete fischlos, doch dieser explosive Biss hat sich tief in meine Fischerseele eingebrannt. In den folgenden Wochen fuhr ich immer wieder nach Feierabend an die Küste, fischte die Zigarre und hoffte, dass Erlebte wiederholen zu können, doch der Erfolg blieb aus. Nicht, dass ich keine Fänge oder Bisse zu verzeichnen gehabt hätte. Ich fing Dorsche, und das nicht zu knapp, die kleinsten um die 15 Zentimeter groß und ich dachte ernsthaft über ein Ostsee-Aquarium nach. Zwei Meerforellen fing ich auch, 42 und 48 cm groß, und wer weiß, welche Fische hinter den unzähligen Fehlbissen steckten. Doch sollte ich mir dafür die Nächte an der Küste um die Ohren schlagen?

An einem Wochenende im August dann die Wende. Ich fing! Und wie! Im Fangbuch ´95 steht: „Freitag, 18. August: vier Meerforellen, 58 bis 64 cm. Samstag, 19. August: zwei Meerforellen, 57 und 72 cm. Sonntag, 20. August: vier Meerforellen, 54 bis 67 cm. Montag: Augenringe und massives Dauergrinsen bei Dienstantritt, aber nix erzählt…“

Irgendwann war dann aber Schluss mit der Zigarre!

Vermutlich würde ich die Zigarre auch heute noch fischen, doch im Laufe der Jahre zeigte sich, dass sie bei all ihrer Fängigkeit doch Nachteile hat. Was mich am meisten störte, das war ihre „sperrige“ Form – und die führt zu Fehlbissen! Der massive Rehhaar-Körper verhindert zu oft, dass die Meerforelle das Maul richtig schließen kann.

Und ich machte noch einen weiteren Grund für Fehlbisse aus: Wenn eine Meerforelle die recht hoch aufschwimmende Rehhaar-Fliege attackiert, schiebt sie diese durch ihre eigene Bugwelle weg und verfehlt sie! Manchmal attackiert die Forelle dann ein zweites Mal, aber eben nicht immer. Frustrierend bei ein oder zwei Bissen, die man pro Nacht hat, wenn überhaupt. Also experimentierte ich herum, band Muddler-Varianten und Rehhaar-Muster mit nach oben zeigender Furchschaufel.

Bei Oberflächenfliegen für die Nachtfischerei auf Meerforellen, das wusste ich inzwischen, kommt es in erster Linie auf das kleine „V“ an, das diese Fliegen an der Wasseroberfläche erzeugen, weniger auf die Form und das Volumen. Interessanterweise reicht bereits das winzige „V“, das ein Verbindungsknoten im Vorfach an der Oberfläche erzeugt, aus, um Bisse zu bekommen! Kein Witz, das ist mir mehr als einmal passiert! Seitdem fische ich nachts konsequent knotenlos verjüngte Vorfächer

Der Weg zum Meerforellen-Gurgler 3.0

Mit dem Gurgler fand ich schließlich eine Oberflächenfliege, die das perfekte Ausgangsmuster für solch eine Fliege ist! Allerdings störte mich der am Kopf der Fliege steil nach oben zeigende Schaumstoff, denn dieser kann sich beim Werfen zum Propeller entwickeln und der verdrallt dann das Vorfach. Das Umlegen und Fixieren des Schaumstoffs war die Lösung! Dadurch erzeugt man eine runde Wulst, die beim Einholen der Fliege ein schönes „V“ an der Wasseroberfläche erzeugt. Gleichzeitig ist dieser Gurgler aus der Frontansicht einigermaßen symmetrisch und dies verbessert die Wurfeigenschaften.

Wo wir gerade bei dem alles entscheidenden „V“ sind: Eine gleichmäßige, nicht zu schnelle Bewegung erzeugt die perfekte Bugwelle, und diese Führung erreichen Sie am besten, wenn Sie die Fliegenrute nach dem Wurf unter den Arm klemmen und die Leine Hand-über-Hand langsam (!) einholen.

Doch zurück zum Gurgler. Die Unterseite meines Meerforellen-Gurglers 1.0 habe ich noch mit schwarzer Chenille gebunden. Es zeigte sich aber, dass diese Fliege zu wenig im Wasser „verankert“ war und durch die Bugwelle eines nehmenden Fisches weggedrückt wurde. Sie hören den Biss, manchmal sehen Sie ihn auch, spüren aber keinen Widerstand. Der Meerforellen-Gurgler 2.0 war daher auf der Unterseite mit einer relativ dichten und langen Behechelung versehen, die dafür sorgte, dass die Fliege tiefer im Wasser lag und sich mehr im Wasser „festsaugte“. Es funktionierte und Fehlbisse wurden zur Seltenheit.

Ich hatte sogar das Gefühl, als würde ich mehr verwertbare Bisse als zuvor bekommen. Vielleicht liegt es daran, dass diese tiefer im Wasser liegende Fliege für die Fische besser auszumachen ist als eine höher aufschwimmende? Den Meerforellen-Gurgler 3.0 habe ich dann mit etwa UV-Krystal Flash getunt. Genauer gesagt habe ich in das spärliche Schwänzchen zwei, drei Fasern dieses UV-aktiven Materials eingebunden. Mir war aufgefallen, dass ich tagsüber mit einer grauen Garnele, die ich mit UV-Flash gebunden hatte, besser fing als mit der identischen Garnele ohne das Krystal Flash. Ob es beim Meerforellen-Gurgler etwas bringt, weiß ich nicht, geschadet hat es jedenfalls nicht.

Meerforellen- Gurgler 3.0 auf der Schwanzflosse einer Meerforelle

Bild: M. Werner, K. Pflocksch

Michael Werners aktueller Meerforellen-Gurgler 3.0 – der spärliche Polarfuchs-Schwanz ist mit einigen Fäden UV-Krystal Flash versehen. Ein 6er Haken mit weitem Bogen ist für diese Fliege ideal.

Die beste Zeit für den Gurgler ist jetzt!

Doch wann, wo und wie fangen Sie mit dem Gurgler Meerforellen? Eigentlich könnten Sie diese Fliege das gesamte Jahr fischen, denn Meerforellen fressen nicht nur im Sommer in der Nacht, das machen sie das ganze Jahr lang, selbst im Winter! Das glauben Sie nicht? Dann haben Sie es noch nie versucht – ich schon. Erstmals im Januar 1997, 23 Uhr 30, Ostsee bei Dazendorf/Kembs. Eigentlich wollte ich Dorsche fangen, das wusste die Meerforelle aber nicht. Trotzdem nicht zur Nachahmung empfohlen…

Der entscheidende Punkt ist, dass Meerforellen im Sommer fast ausschließlich in der Dunkelheit das Flachwasser aufsuchen, um dort zu jagen. Oder anders formuliert: Wollen Sie im Sommer Meerforellen an der Küste fangen, müssen Sie in der Dunkelheit fischen. Ich schreibe extra nicht „Nacht“, denn das wäre falsch. Die beste Phase beginnt meist mit Sonnenuntergang bis 2½ Stunden nach Untergang, die zweite Beißphase beginnt dann wieder etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang bis etwa zwei Stunden danach.

Wenn Sie Mitte Juli fischen, geht die Sonne an der Ostsee gegen 22 Uhr unter, die erste „heiße Phase“ geht also bis etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht. Ab 1 Uhr nachts wird es oft ruhig, doch nichts ist unmöglich! Besonders nach extrem heißen Tagen verschiebt sich die Aktivität der Meerforellen mehr in die Nacht. Oder in die ganz frühen, kühlen Morgenstunden. Sonnenaufgang ist in dieser Zeit gegen 4 Uhr 45. Ab 3 Uhr 30 müssen Sie hellwach sein, gegen 7 Uhr können Sie sich auf den Heimweg machen. Brötchen mitbringen nicht vergessen!

Nahaufnahme des Meerforellen-Gurglers

Bild: M. Werner, K. Pflocksch

Am Ende dieses Beitrags gibt Michael Werner noch 10 Tipps, die dabei helfen, den Meerforellen-Gurgler effektiv einzusetzen.

Meiden Sie Nachts den Badestrand…

Sand und Aalgras ist im Sommer nichts für Meerforellen. Suchen Sie Steine, Blasentang und Muschelbänke! Besonders auf Muschelbänke sollten Sie achten, denn Muscheln brauchen Strömung, um Nahrung aus dem Wasser filtrieren zu können – und Meerforellen suchen im Sommer solche Stellen auf! Ganz wichtig: Je niedriger die Wassertemperatur ist, desto besser! Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Temperaturverteilung sein kann. 7 bis 10 Grad (!) Unterschied zwischen der Oberflächentemperatur in der „Badewanne“ direkt am Ufer und im Freiwasser an einer Landspitze sind gar nicht so ungewöhnlich.

Entscheidend hierbei ist der Wasseraustausch. Stehendes Wasser wird warm, strömendes Wasser ist kalt – und kälteres, sauerstoffreiches Wasser ist ein Muss! Landspitzen mit tiefem Wasser sind daher immer eine gute Wahl, wenn es um Sommerplätze geht. Gut sind vorgelagerte Untiefen, an denen die Strömung kühles Tiefenwasser Richtung Oberfläche drückt. Ähnliches passiert, wenn stärkerer ablandiger Wind das warme Oberflächenwasser hinausdrückt und dadurch kühleres Wasser vom Meer her Richtung Ufer strömt.

Suchen Sie im Sommer daher Stellen mit ablandigem Wind auf. Glattes Wasser und eine leicht vom Wind geriffelte Oberfläche sind perfekt! Mit dem Wind von hinten wirft es sich auch wunderbar entspannt – bis Sie, wenn Sie schon längst nicht mehr daran glauben, urplötzlich aus der Dunkelheit ein tiefes „Gulp“ hören und eine halbe Sekunde später eine Meerforelle an Ihrer Leine und Ihren Nerven zerrt…

Silhouette eines Fliegenfischers am Wasser vor der untergehenden Abendsonne

Bild: M. Werner, K. Pflocksch

Ruhiges Wasser und ein leichter, ablandiger Wind sind perfekt! Die beste Zeit beginnt mit dem Sonnenuntergang und geht bis nach Mitternacht. Eine Stunde vor Sonnenaufgang beginnt dann die zweite heiße Phase.

10 Tipps für die Küsten-Nacht

  • Fischen Sie an Stellen mit ablandigem Wind, also Wind, der vom Land kommend Richtung Meer weht.
  • Suchen Sie Stellen mit Steinen und Blasentang, flache Sandflächen mit Aalgras sollten Sie meiden.
  • Muschelbänke verraten Ihnen, dass an der Stelle oft eine stärkere Strömung herrscht, Meerforellen mögen das!
  • Die beste Zeit am Abend beginnt mit dem Sonnenuntergang und dauert dann etwa bis 2 ½ Stunden nach Sonnenuntergang.
  • Morgens beginnt die heiße Phase etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang.
  • Je heißer der Tag war, desto mehr verschiebt sich die Beißphase in die dunklen Stunden der Nacht und auf die kühlen Morgenstunden.
  • Fischen Sie nach Möglichkeit knotenlose (!) Vorfächer! 3 bis 4 Meter Länge mit 0,28er Spitze sind perfekt.
  • Klemmen Sie die Rute nach dem Wurf unter den Arm und holen Sie die Schnur langsam Hand-über-Hand ein.
  • Die Rutenspitze dabei nicht zum Wasser senken! Die Schnur muss zwischen Rutenspitze und Wasser etwas durchhängen, damit die Meerforelle nach dem Biss abdrehen kann. Damit setzen Sie den Haken sicher im Maulwinkel.
  • Eine Stirnlampe oder ein Cap Light ist extrem hilfreich! Schalten Sie das Licht wegen der eventuellen Scheuchwirkung aber nie im Wasser stehend an, sondern nur am Ufer und vom Wasser abgewandt.


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