Die kleinen Dinge des Alltags stressen mich schon manchmal, die großen Dinge des Lebens eher nicht – und je chaotischer eine Situation wird, desto ruhiger und fokussierter werde ich. Auf Reisen, zum Beispiel, scanne ich permanent meine Umgebung, bin dabei aber ruhig und gelassen. „Oh, eine Giftschlange! Interessant! Hey, ein Grizzly, den behalte ich mal im Auge und mache ein paar schöne Bilder.“ Ein tiefes, wirklich ungutes Gefühl des Ausgeliefertseins durchlief mich jedoch, als ich wieder und wieder auf mein Flugticket in die USA schaute: SSSS.
Ich wusste, was SSSS bedeutet: „Secondary Security Screening Selection“. Ein unmissverständlicher Gruß von Homeland Security, der soviel heißt wie: „Hey, wir halten dich für nicht vertrauenswürdig, mein Freund! Richte dich schon einmal darauf ein, dass wir dich bei der Einreise sehr genau ein zweites Mal unter die Lupe nehmen!“
Und was das wiederum bedeutet, weiß ich ebenfalls, denn ich war in jungen Jahren in der US-Army, in der 4078th, Berlin Brigade. Mit einer, nennen wir es einmal „qualifizierten Schusswaffenausbildung für größere Distanzen“. War das der Grund für die vier Buchstaben?
SSSS – mit freundlichen Grüßen von Homeland Security!
Während des Flugs nach Frankfurt fielen mir mehr und mehr Gründe ein, warum mich Homeland Security mit dem Stempel „zweiter, zwingender Sicherheitscheck!“ versehen haben könnte: Eine Buchung der Tickets über die Schweiz – seltsam für einen Deutschen. „Ach, Journalist ist der, wo will der denn hin? Der will also an die Bristol Bay. Hat der etwas mit den Trump-Thema „Pebble Mine“ zu tun? Und wieviele Lach-Smileys hat der eigentlich für diverse Herabwürdigungen unseres Mr. President auf Facebook verteilt …?“
Die Liste in meinem Kopf wurde länger und länger, denn natürlich habe ich auch Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Ländern – und die können auf einer Black List der Homeland Security stehen. Da wäre der russische Guide, den ich sowohl in Murmansk als auch in Argentinien traf, der nette Araber, mit dem ich über Facebook Tipps über Airbrush austausche und, und, und …
Und natürlich gibt es beim Einchecken auf den Weiterflug in die USA prompt Probleme. Rote Lampe! Zutritt zur Maschine verweigert. Also zurück zum Counter und alles noch einmal von vorne. Doch das rote Licht will nicht verschwinden. Erst nach dem dritten Anlauf bin ich durch – unter den Armen auch, wenn ich ehrlich bin.
Das geheime Schlüsselwort heißt „Intruder“
10 Stunden später, Anchorage, Einreise in die USA. Mit einem sanften Lächeln schiebe ich dem Uniformierten wortlos meine Papiere zu. Was das Ziel meiner Reise ist und welcher Zweck meine Reise habe, möchte er mit finsterer Miene wissen. Als ich ihm sage, dass ich an den Alagnak River möchte und ich bereits zum Fliegenfischen im Mittleren Westen und in Alaska war und jetzt einen großen Königslachs fangen möchte, fragt er mich, welche Köder ich im Gepäck habe. Wahrheitsgemäß antworte ich „Intruders – purple, pink and blue“.
Sein Gesicht hellt sich für den Bruchteil einer Sekunde auf, und unter dem Geräusch des aufschlagenden Einreisestempels höre ich ein leises „Tight lines“. Mit der Nennung der korrekten Fliege („Intruder“ heißt ironischerweise übrigens Eindringling) kommt man, zumindest in Alaska, völlig entspannt durch die Secondary Security Screening Selection …