Made in Germany: Vosseler – Fliegenrollen aus dem Schwarzwald

Fliegenfischer auf der ganzen Welt kennen seine Rollen: Seit 2001 fertigt Ralf Vosseler echte Unikate. Johannes Radtke hat den sympathischen Schwarzwälder besucht und sich seine Philosophie erklären lassen.

Nicht nur Theoretiker: Ralf Vosseler ist Fischer mit Herz und Seele. Am Wasser, hier am Neckar in der Nähe von Tübingen, geht der umtriebige Rollenbauer voll in der Natur auf.

Bild: R. Vosseler

Nicht nur Theoretiker: Ralf Vosseler ist Fischer mit Herz und Seele. Am Wasser, hier am Neckar in der Nähe von Tübingen, geht der umtriebige Rollenbauer voll in der Natur auf.

Angelgerät, das in Deutschland gefertigt wird, muss man schon lange suchen. Beschränken wir uns auf den professionellen Bereich und den Fliegenfischer-Markt, wird die Luft ganz dünn. Einer, der in der ganz dünnen Luft seit Jahren besteht, ist Ralf Vosseler mit seinen weltweit bekannten und geschätzten Fliegenrollen. Seit zwanzig Jahren wird im Schwarzwald gefertigt: von der Modellierung am Rechner über die Fertigung fast aller Teile bis zur Montage, Anodisierung und Laserbeschriftung.

Firma Vosseler: Steiniges Land schafft helle Köpfe

Die Arbeit mit Metallen hat in der Region Tradition. Der Boden ist steinig, die Landwirtschaft war ein zähes Geschäft. Früh waren deshalb die Menschen hier schon einfallsreich und fleißig, so entstanden über 300 Drehereien. Harte, steinige Böden haben hier also schon immer besonders findige und passionierte Köpfe geschaffen. Dass dies auch auf ihn zutrifft, merke ich sofort, als ich Ralf kennen lerne: In diesem Mann steckt die reine Passion für das, was er tut. Gepaart mit einer augenblicklichen Sympathie ein angenehmer Gesprächspartner für ein Interview …

Die wunderbaren Schwarzwaldbäche sind Ralf Vosslers Happy Place. Verständlich!

Bild: R. Vosseler

Die wunderbaren Schwarzwaldbäche sind Ralf Vosselers Happy Place. Verständlich!

Wie ist die Geschichte von Dir und Deiner Firma?

Freiheit war mir schon immer das Wichtigste, auch beruflich. Den Drang, etwas ganz eigenes zu machen, hatte ich schon mit 15 Jahren. Deswegen habe ich mich so früh wie möglich mit einer Dreherei selbstständig gemacht. Aber ich merkte, dass ich, solange ich – wie alle Drehereien hier in der Nähe – im Zulieferergeschäft bliebe, nie wirklich unabhängig und sein würde. Preis- und Konkurrenzkampf ist echt ein Thema. Ich wollte mich unabhängig von den großen Elektronik- und Autoherstellern machen, die Dir am Ende sonst doch deinen Tagesablauf vorgeben. Der Schritt in den Rollenbau brachte mich der Unabhängigkeitschon viel näher.

Und seit wann baut ihr Rollen?

1992 haben wir angefangen, für namhafte Hersteller Rollen und Rollenteile herzustellen, das lief auch sehr gut. Doch der Wunsch, etwas Eigenes zu schaffen, wuchs mehr und mehr. Ich wollte meine eigenen Ideen in einer Rolle sehen: Auch mein Wunsch nach Freiheit passte da gut hinein. Im Jahr 1995 sind wir in die neue Produktionshalle gezogen. Dort gab es mehr Platz, der entstand dadurch auch im Kopf – und so habe ich 1999 angefangen, erste Designs zu entwickeln. 2001 haben wir dann die erste eigene Rolle gebaut.

Wie viele Rollentypen hat Vosseler seitdem herausgebracht? Es sind ja immerhin 20 Jahre.

Wir sind dazu da, vernünftige Dinge zu machen. Dazu gehört für mich auch eine vernünftige Produktpolitik. Wir erwarten vom Handel, dass die Produkte im Laden verfügbar sind. Von unserer Seite sehen wir uns dazu verpflichtet, den Markt nicht zu überschwemmen, denn das ist dem Händler gegenüber unfair. Daher haben wir nicht so viele Modelle herausgebracht – und die auch erst, wenn wir wirklich zufrieden damit waren. Das waren in Reihenfolge RC, RC-L, DC,S, Tryst, EDC, DC2, Passion, Air One, Air Two.

Findet der Handel das denn gut? Will man da nicht lieber häufig neue Modelle verkaufen?

Ich denke, dass unsere Philosophie geschätzt wird. Wir machen es Händlern einfach. Das zeigt sich auch in der Preisstabilität, da sind wir absolut führend am Markt. 2004 haben wir die S auf den Markt gebracht für 299 Euro. Uns wurde anfangs vorgeworfen, dass wir Lockpreise bei diesem Modell aufrufen und später kräftig anheben – 299 Euro sind für eine salzwasserfeste Rolle aus Deutschland viel zu wenig. Letztes Jahr haben wir die Fertigung eingestellt, zu diesem Zeitpunkt hat sie 299 Euro gekostet– und wir haben mit dieser Rolle keine Verluste angehäuft. Schnäppchen gibt es bei uns allerdings auch selten. Eigentlich nur dann, wenn ein Produkt ausläuft. Auch um den Service braucht sich der Händler nicht kümmern.

Ihr regelt hier alle Garantie- und Serviceleitungen selbst – ist das nicht unglaublich viel Extraarbeit für Vosseler?

Wir produzieren von vornherein so, dass wir möglichst wenig Ausfälle haben, und das klappt ziemlich gut. Die Rollen, die reinkommen, machen wir schnell und vor allem günstig wieder fit. Für mich sind Reparaturen nicht dazu da, Geld zu verdienen, sondern bei einem Defekt jedem Kunden schnell zu helfen. Natürlich läuft auch mal was schief, aber ich denke, dass wir unsere Kunden in den allermeisten Fällen mit unserem Service glücklich machen. Wer eine Vosseler-Rolle kauft, kann sich direkt an uns wenden, das gehört für uns zum Produkt von vornherein dazu.

Ist es nicht gewagt, so eine Servicezusage zu machen? Was ist, wenn mehrere Rollen lange, teure Reparaturen benötigen?

Würde das passieren, müssten wir dafüreinstehen. Aber das hatten wir noch nie. Unser Vorteil ist, dass nicht irgendwer die Rollen zusammenbaut. Alle Rollen, die wir verkaufen, hat mein Vater endmontiert. Er kommt dabei manchmal an seine Kapazitätsgrenze, aber vor allem, weil er einfach einen extremen Qualitätsanspruch hat. Helfen darf ihm da niemand, die Montage ist sein Reich. Er sorgt einfach dafür, dass die Rollen tip-top sind, wenn sie raus gehen.

Ausnahmsweise darf Ralf Vosseler für eine Angeltour eine eigene Rolle endmontieren. Normalerweise ist das Hoheitsgebiet seines Vaters.

Bild: J. Radke

Ausnahmsweise darf Ralf Vosseler für eine Angeltour eine eigene Rolle endmontieren. Normalerweise ist das Hoheitsgebiet seines Vaters.

Wie alt ist Dein Vater denn?

Er ist gerade 76 Jahre alt geworden. Doch wenn ich ihm jetzt für all die Jahre danken und ihn in Rente schicken würde, wäre es das Schlimmste für ihn. Er liebt seinen Job genauso wie ich. Er ist schwäbischer Tüftler und Arbeiter, den darf man nicht von seinem Arbeitsplatz trennen.

Dich dürfte man jetzt also auch nicht in Rente schicken?

Mit meinem Beruf habe ich meine Berufung gefunden. Über das Renteneintrittsalter mache ich mir gar keine Gedanken– will ich auch nicht. Jetzt gerade kann ich mit Dir über meine Philosophie reden, gleichzeitig werkle ich an einer Fräse herum, weil die spinnt. Nachher muss ich mit Schweden telefonieren, weil jemand 300 Rollen kaufen möchte. Heute Abend gucke ich mir an, wie der Onlineshop läuft und poste noch ein Bild auf Facebook. Für manche ist das die Hölle, für mich der Himmel. Ich kann designen, steuern, ich bin am Wasser, ich reise, ich fische – die Erfahrungen, die ich selbst sammle, fließen mit in die Produkte ein. Früher habe ich einfach irgendwelche Teile gemacht, heute steckt all meine Passion drin. In Fernost bauen wohl die meisten Leute Rollen, wie ich früher Teile gebaut habe – ohne Verbindung. Ich glaube, dass ein Produkt dabei nie ganz komplett und gut werden kann. Wer seinen Job liebt, der wird immer bessere Produkte, eine bessere Leistung abliefern. Versteh mich nicht falsch, es gibt richtig gute Fertigungund tolle Rollen aus Fernost.

Stichwort Fernost: die Frage nach dem Produktionsstandort hat sich nie gestellt?

Nein, warum auch? Ich habe hier alles,was ich brauche. Natürlich sind zum Bespiel Umweltstandards strenger, Löhne höher, aber wenn ich das nicht packen könnte, sollte ich wohl lieber etwas ganz anderes machen. Außerdem sind durch die Standards, die wir einhalten müssen, unsere Produkte von Haus aus nachhaltig. Nehmen wir doch allein die Transportwege für Rohstoffe oder die Verpackung für die Rollen. Alles kommt aus einem Umkreis von 50 Kilometern. In unsererRegion hat die Arbeit mit Metall in Drehereien Tradition, da passt unsere Firma einfach gut rein. Nur die Rollentasche kommt aus Fernost – hier sind wir, auch nach längerer Suche, nicht fündig geworden.

Die Stammbelegschaft ist mit drei Mann übersichtlich. Thorsten (links) kümmert sich um Eloxierung und Maschinenbedienung. Ralf optimiert und bedient die Fräsen, sein Vater ist vor allem mit der Endmontage beschäftigt. Hinzu kommen noch zwei Aushilfen. Foto: J. Radtke

Bild: J. Radtke

Die Stammbelegschaft ist mit drei Mann übersichtlich. Thorsten (links) kümmert sich um Eloxierung und Maschinenbedienung. Ralf optimiert und bedient die Fräsen, sein Vater ist vor allem mit der Endmontage beschäftigt. Hinzu kommen noch zwei Aushilfen.

Aber ihr stellt bei Vosseler nicht jedes Einzelteil einer Rolle selber her!

Nee, nicht ganz. Normschrauben und Lager kaufen wir im Wert von ungefähr 0,5 Prozent des Rollenwertes zu, alle Spezialteile fertigen wir aber selbst. Am Ende kommen alle Teile für eine Rolle von Vosseler aus Deutschland, nur halt die Rollentasche nicht.

Wie ist es mit dem Design und der Fertigungsplanung? Macht ihr das alles selbst?

Bei der Entwicklung hilft mir mein Vater mit seiner Erfahrung, er hat immer gute Ideen für knifflige Problemchen. Aber Design und Fertigung mache ich immer alleine. Da ich aus der Fertigung komme und mich mit den Arbeitsschritten auskenne, kann ich die Designs von Vornherein effizient planen. Das ist eine unserer Stärken. Durch das Zusammenbringen von Design und Fertigung sparen wir Maschinenzeit, das ist bares Geld. Wir kämpfen permanent gegen die Zeit und suchen ununterbrochen nach neuen, besseren Werkzeugen und optimieren Prozesse. Darin sind wir echt gut. So können wir unsere Rollen unterm Strich zu einem guten Preis anbieten, der für alle fair ist.

Ein Chef, der mit anpackt: Wenn am Wochenende mal gearbeitet werden muss, ist Ralf Vosseler selbst immer mit dabei.

Bild: J. Radke

Ein Chef, der mit anpackt: Wenn am Wochenende mal gearbeitet werden muss, ist Ralf Vosseler selbst immer mit dabei.

Das klingt nach einem echt vollen Alltag. Wie schaltest Du ab?

Ich bepacke meinen VW-Bus mit Gaskocher, Schlafsack, Fliegenruten und Mountainbike. Gerade war ich mit meinem Schwager in Italien. Fischen, Biken, Wandern, Feuer, draußen schlafen, das Wilde spüren, die Natur erleben und den kindlichen Abenteuer-Pioniergeist spüren. Das ist meine Welt, da komm ich völlig zur Ruhe und zu mir. Vor dieser Tour hatte ich Schlafstörungen, weil ich aufgeregt war wie ein junger Hund. Da denke ich immer: Hoffentlich geht mir das nie verloren.

Wie siehst Du die Zukunft von Vosseler?

Ich glaube, dass das, was wir hier tun, Zukunft hat. Wir produzieren nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere Firmen, das ist eine gute Absicherung. Ich strebe nicht nach Wachstum, sondern nach Lebensqualität. Wenn die Zukunft mit einem gewissen Wachstum kommt, ist das okay. Aber ich sehe mich nicht in ein paar Jahren mit 10.000 Quadratmetern Fertigungsfläche. Dann bin ich am Ende gefangen im goldenen Käfig.

Wird es denn neue Produkte geben?

Viele Rollen sind in petto. Es wirdtatsächlich bald schon einen neue DC und eine neue S geben. Viel mehr Ideen liegen noch in der Schublade, aber der Markt gibt den Takt vor, in dem wir sie veröffentlichen wollen.

Hast Du Lieblingsmodelle?

Ich mag die schlichte Air Two und die edle, schicke Passion. Hmm, aber die Tryst mag ich auch ganz besonders gern, das ist echt nicht einfach …

Ganz am Ende noch mal eine Chance fürs Marketing. Ein Satz: Was macht Rollen von Vosseler einzigartig?

Wir produzieren hier. Wer eine Vosseler kauft, kann uns anrufen, die Rolle herschicken, und wir kümmern uns dann um alles.


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