Ursprünglich wollte ich gar nicht los. Zwar schien am Morgen noch die Sonne, aber die Wettervorhersage war schlecht: Am Nachmittag sollte es einen Kälteeinbruch geben, mit schweren Wolken und Schneefall. Doch in den letzten Tagen hatte es endlich kräftig geregnet, der Pegel des Bodensees war um fast 10 cm angestiegen. Und steigendes Wasser lockt im zeitigen Frühjahr die Seeforellen in Ufernähe. Nie sind die Chancen besser, eine am leichten Gerät zu erwischen. Also los!
Der Konstanzer Trichter – Hotspot im Bodensee
Der Konstanzer Trichter ist ein besonderes Revier. Hier zwängt sich der weite Obersee durch eine immer schmaler werdende Bucht in den Konstanzer Seerhein, eben wie in einen Trichter. Direkt vor der Stadt wird aus dem ruhigen Bodensee allmählich ein schnell fließender Fluss mit flachen Rauschen, steilen Kanten, tiefen Rinnen und Pools. Der Fluss ist reich an Nahrung, was man auch an den vielen Haubentauchern und – natürlich – Kormoranen erkennen kann.
In den zahlreichen Wasserpflanzenwäldern verstecken sich um diese Jahreszeit Unmengen an Stichlingen, an den langen Krautfahnen kleben Bachflohkrebse – der Tisch ist also reich gedeckt. Zuerst probiere ich es mit der Fliegenrute. Ich habe an einer schnellfließenden Stelle, keine 30 m von der Seepromenade, geankert, wo ein etwa 2 m tiefer Bereich allmählich auf 3 und dann auf 4 m abfällt. Im ruhigen Grundbereich könnten Forellen auf abtreibende Beute lauern. Am frühen Nachmittag ist es so warm, dass ich meinen Bootsanzug ausziehen kann. Doch das Wasser hat gerade einmal 7 Grad. Mal sehen, ob da ein Fisch auf die Fliege reagiert.
Bild: Adobe Stock
Ein dunstiger Frühjahrsmorgen am Konstanzer Trichter – einem der besten Plätze für das Seeforellenfischen.
Fliegenfischen auf Seeforelle im Bodensee
Ich fische eine Sinkschnur – eine Teeny-Line 300 – an einer 8er Rute. An einem 100 cm langen 0,25er Vorfach habe ich einen grünen Wooly Bugger montiert. Erst werfe ich eine kurze Leine leicht flussab, etwa 10 m, und lasse den Wooly Bugger einfach mit der Strömung herumtreiben. Ab und zu hauche ich ihm mit einem Zupfer oder einem kurzen Strip etwas Leben ein. Herrlich, nach der langen Winterpause wieder die Fliegenrute in den Händen zu halten! Ist schon was anderes als das schwere Schleppgeschirr.
Doch nichts passiert. Habe ich auch nicht erwartet. Auch hier am Bodensee ist eine Seeforelle ein Fisch der 1000 Würfe, gerade jetzt, in dem kalten Wasser. Nach jedem Wurf lasse ich ein paar Meter mehr heraus, um den Bereich intensiv von beiden Bootseiten aus abzuklopfen. Nach 15 min löse ich den Anker und versuche die nächste Stelle. In der Ferne ist die Wolkenfront schon zu erkennen und ein kalter Ostwind setzt ein.
An der Kante Spinnfischen auf Seeforelle
Mittlerweile habe ich mir den Bootsanzug wieder angezogen. Die Farben sind verschwunden, das Wintergrau ist zurück. Sogar ein paar Schneeflocken rieseln herab. Meine Hotspots habe ich inzwischen alle mit der Fliege befischt, ohne einen Biss. Jetzt will ich einen über den Grund hüpfenden Tauwurm probieren. Dazu nehme ich eine 18 g-Spinnrute von 2,40 m Länge mit einer 2500er Rolle und 0,14er Geflochtener. An die Hauptschnur knüpfe ich ein gut 100 cm langes Vorfach aus 0,28er Fluorocarbon.
Bild: A. Arbeiter
Beim Driftangeln muss man die Rutenspitze genau beobachten, denn manchmal sind die Bisse nicht leicht zu erkennen, während das Blei über den Kiesgrund hüpft.
Ans Ende kommt ein Wirbel mit einem 10 bis 30 g schweren Blei, 10 cm darüber mache ich einen einfachen Knoten aufs Vorfach. Daran knüpfe ich einen etwa 70 cm langen Seitenarm mit einem 4er Haken. Die Idee: Das Blei soll, von der Strömung geschoben, langsam über den Grund hoppeln, mit dem saftigen Wurm vorneweg. Wieder ankere ich an der Kante, an der ich es zuerst mit der Fliege probiert habe.
Ich brauche eine Weile, bis ich das richtige Bleigewicht gefunden habe. Wichtig ist, dass das Blei nicht zu schnell über den Grund hopst. Am besten ist es, wenn es manchmal für ein paar Sekunden steht. Dann löse ich es mit einer Kurbelumdrehung und lasse es weiterspringen. Meine Rute halte ich dabei steil nach oben, damit der Strömungsdruck auf die Schnur möglichst gering bleibt. 20 g scheinen heute optimal zu sein.
Blei-Hopser oder Seeforellen-Biss?
Auch mit der Wurmrute fische ich den Bereich fächerförmig ab, beginne nah am Boot, setze die nächste Drift des Köders ein paar Meter weiter weg, und das wiederhole ich, bis ich nicht mehr weiter werfen kann. Während das Blei über den Grund hüpft, zittert und zuckt es stetig an der Rutenspitze. Man muss genau aufpassen, dass man dabei keinen Biss verpasst. Die sind manchmal kaum zu erkennen, in der Regel schlägt die Spitze nur etwas stärker aus.
Und da passiert‘ s: Ruck, Ruck. Ich schlage an, die Rute ist krumm. Wild schießt der Fisch in der harten Strömung hin und her, es muss eine Forelle sein! Es dauert eine Weile, bis sie am Boot ist. Mit 42 cm ist sie leider untermaßig und darf wieder schwimmen. Trotzdem ein toller Start, und vor allem: die Forellen sind da!
Als die nächste Drift ausgefischt ist, lasse ich Blei und Wurm noch ein Weilchen unterhalb des Bootes liegen. Nach einer halben Minute ziehe ich die Montage dann gefühlvoll in Richtung Boot und warte wieder. Auf einmal zupfelt es leicht. Ein Biss? Wieder ein zartes Ruckeln, ich schlage an. Ja! Nach zwei mächtigen Schlägen, die mich an eine Monsterforelle glauben lassen, hängt der Fisch wie ein nasser Sack in der Strömung. Bestimmt ein Döbel. Es dauert ziemlich lang, bis ich ihn zum Boot gehievt habe. Kugelrund ist der Fisch. Nach einem schnellen Foto darf er wieder schwimmen.
Bild: C. Arbeiter
Nicht der Zielfisch, aber absolut willkommen: Ein ausgesprochen feister Döbel, gefangen auf einen fetten Tauwurm.
Furioses Forellen-Finale am Bodensee
Eigentlich bin ich schon ziemlich happy. Aber etwas sagt mir, dass heute noch mehr geht. Also verlege ich das Boot noch einmal und ankere am Rand der Fahrrinne. Hier strömt es stark, es ist nicht tiefer als 2 m, dazu Leopardengrund aus Kies und Krautfeldern. Schon nach dem ersten Wurf rupft es kurz, aber der Anhieb geht ins Leere. Nur noch der Kopf des Tauwurms hängt am Haken. Schnell beködere ich neu und schicke die Montage auf dieselbe Drift. Nichts. Als nächstes fische ich etwas kürzer. Wieder nichts.
Dann etwas länger. Es zupft. Einen Augenblick nach dem Anhieb explodiert das Wasser 15 m unterhalb des Bootes. Das ist keine Kleine! Sie flitzt flussab, die Rolle singt, dann katapultiert sich eine dralle Seeforelle zwei Mal hintereinander aus dem Wasser. Die hat ihr Maß von 50 cm – locker! Jetzt nur ruhig bleiben. Doch mit der leichten Rute werde ich den Fisch kaum gegen die Strömung zwingen können, zumindest würde das ewig dauern.
Bild: A. Arbeiter
Na endlich! Da ist das Bodenseesilber! Für Anfang April ist der Fisch wirklich gut genährt.
Also löse ich den Anker, was mit nur einer Hand nicht ganz so einfach ist, zumal sich das verfluchte Ding immer wieder im Kraut verhakt! Bald ist die Seeforelle nah am Boot. Im klaren Wasser kann ich ihre helle Flanke sehen. Immer wieder unternimmt sie kleine Fluchten. Ich drifte knapp 200 m, bis sie endlich im Kescher ist. Da liegt sie vor mir, Bodenseesilber auf schwarzen Maschen, schön wie gemalt! Erschöpft bestaune ich das Tier und denke: Petrus, ich könnt dich knutschen!