Bereits am frühen Morgen sitze ich am Gewässer. Der See liegt spiegelglatt vor mir, eine absolute Ruhe umgibt mich. Nur eine Amsel durchbricht ab und an die Stille, sie macht hinter mir im Mirabellenbusch kräftig Rabatz. Das Wasser dampft fast so stark wie mein frisch gebrühter Kaffee. Der Tag erwacht, ich bin munter und voll auf Empfang. Die Außentemperatur ist angenehm kühl, ein warmer Tag kündigt sich durch den klaren, wolkenlosen Himmel an. An einer Kiesgrube will ich dieses Mal mit einem Kurzansitz erfolgreich sein. Meine Montagen habe ich ganz dicht am Ufer, genauer gesagt an der Uferkante ausgelegt.
Früh morgens an der Uferkante
Links von mir am Schilf ziehen jetzt Schleien ihre Bahnen, Karpfen patrouillieren ebenso die Uferkanten auf und ab. Gründelblasen verraten, dass sie fressen. Ab und an durchbricht sogar ein rollender Fisch die Wasseroberfläche. Hier am Baggersee herrscht jetzt Rush Hour, zumindest bereits im Wasser. Ab spätestens 9 Uhr wendet sich das Blatt. Dann herrscht nerviger Betrieb rund ums Gewässer. Erst kommen Jogger, später Badegäste und Sonnenbader, dazu noch Hundebesitzer, die alle 10 m für ihre Vierbeiner ein Stöckchen zum Apportieren ins Wasser werfen.
Der krönende Abschluss kommt zu später Stunde: Es sind „Party People“ mit qualmendem Einweggrill, dröhnender Bluetooth-Box und klapperndem Bierkasten, die bis spät in die Nacht hinein am See verweilen. Mit dem Tumult verziehen sich die Fische in ruhigere Bereiche. Auf den Lärm haben sie so wenig Bock wie ich. Doch jetzt – zur blauen Stunde – ändert sich das Geschehen. Karpfen, Schleie und Co. grasen in aller Ruhe die Uferkanten nach Fressbarem ab. Somit kommt nun auch meine Zeit.
Bild: F. Pippardt
Wer direkt an der Uferkante angelt, sollte sich möglichst unauffällig verhalten und zurückziehen.
Das Gute liegt so nah: Der Hotspot Uferkante
Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Angler einen Großteil der Fische überwerfen. Immer wieder werden auf mittlere bis große Distanzen die Hotspots mit Spodruten, Futterbooten und Kameras gesucht. Vor allem Karpfenangler finden den Schlüssel zum Erfolg in erster Linie immer wieder in der Weite. Die Uferbereiche werden zu oft vernachlässigt, obwohl die Karpfen gerade dort dem geringsten Angeldruck ausgesetzt sind.
Wo sind die Fische?
Hier ist auch eine einfache und exakte Location möglich, denn die Uferkante kann ohne viel Mühe beim Spaziergang mit einer Polbrille inspiziert werden. In unzugänglichen Gebieten ist ein Boot hilfreich. Es gibt viele nützliche Anhaltspunkte, die Sie ohne große Mühe durch die Polbrille erkennen können. Das ist zum Beispiel die exakte Bodenbeschaffenheit. Handelt es sich um Kies, Sand, Schlamm oder gibt es einen Algenteppich? Krautarten und Krautkanten sowie vorteilhafte Ufervegetation wie überhängendes Buschwerk oder Schilfbewuchs und gegebenenfalls Seerosen werden sichtbar.
Ist der Bodenverlauf eben, langsam oder steil abfallend? Gibt es große Steine, Äste oder andere markante Spots und Hindernisse im Wasser? Mit geschärftem Blick lassen sich eingetrübtes Wasser, Fressblasen oder sogar fressende Fische erspähen. Zusätzlich kann man einfach kontrollieren, ob das Futter weggefressen ist und somit angenommen wurde. Das Anfüttern und Auslegen der Montagen ist einfacher und präziser. Wenn Sie genau wissen, wie Ihr Spot beschaffen ist, können Sie Ihr Rig dafür perfektionieren.
Bild: S. Neger
Der Autor hat diese Schleie im Frühjahr bei einem Ansitz in Ufernähe gefangen.
An der Uferkante ist der Tisch reich gedeckt
Warum ist die Uferkante für Friedfische so interessant? In erster Linie suchen sie die Uferzonen nach Nahrung ab. Kaum ein anderer Bereich in einem Gewässer bietet so viel und abwechslungsreiche Nahrung wie die Uferkante. Hier ist der Tisch im ganzen Jahr reich gedeckt, abwechslungsreich und nahrhaft, von flach bis tief. Kamberkrebse sind mittlerweile weit verbreitet. Sie sind nachtaktiv, vom tieferen Wasser kommen sie in der Dunkelheit ins Flachwasser, an den Uferkanten haben sie ihre Verstecke unter Ästen und Steinen.
Bachflohkrebse mögen Flachwasser bis 1,50 m, sie sind also im oberen Bereich der Uferkante zu finden. Schlammröhrwürmer (Tubifex) hingegen gibt es am Fuße der Uferkante. Dichte Felder dieser Leckerbissen gelten als Hotspot. Es gibt sie überall dort, wo der Gewässerboden über einen hohen Anteil an verwertbarem, organischem Material verfügt. Unter überhängendem Buschwerk, wo viel Laub ins Wasser fällt und viel Kraut abstirbt, kann dies der Fall sein. Fischlaich, Brutfische, Kaulquappen haben ihr Habitat in den Uferzonen.
Vom Insekt bis zur Muschel
Ertrunkene Insekten treiben auf der Wasseroberfläche, der auflandige Wind drückt sie ans Ufer. Bei großen Gewässern kann das vor allem im Sommer eine ganze Menge sein. Bei Regen werden wiederum Käfer und Krabbler vom Land ins Wasser gespült. Auch Köcherfliegenlarven, Ruderwanzen etc. sind in den Uferregionen unterwegs. Dreikantmuscheln lieben es, sich an Ästen und Steinen festzusetzen, dort bilden sie wahre Kolonien. Wo Bäume am Gewässer stehen, fallen auch Äste ins Wasser. Büsche und Bäume, die ins Wasser ragen, sind ebenso gute Standplätze für Dreikantmuscheln. Die Uferböschung ermöglicht es den Fischen, Nahrung von flach bis tief auf recht kleinem Raum zu finden. Beim Fressen müssen sich die Fische nicht verausgaben. Wo würden Sie nun fressen?
Bild: T. Steinbrück
In den Uferzonen finden die Friedfische an Unterwasserpflanzen ein reichhaltiges Nahrungsangebot
Effektives Angeln an der Uferkante
Ein großer Bonus der Uferkante ist, dass es bei auflandigem Wind zur Wasserumwälzung kommt. Ob warmes Oberflächenwasser am Ostufer im Frühjahr oder das mit Sauerstoff angereicherte Wasser im Sommer bei Wind und Welle – die Uferpartien sind nicht nur von kulinarischem Interesse. Aber wie angelt man effektiv an der Uferkante? Zu Beginn ist es wichtig, sich genau zu überlegen, an welcher Uferkante man angeln will. In den meisten Fällen empfiehlt es sich tatsächlich, die Uferkante mit dem auflandigen Wind aufzusuchen.
Immer dann, wenn Wind und Welle Sauerstoff und Futter ans Ufer spülen, trübt sich die Uferregion auch etwas ein. Das ist ein klares Fresssignal für Friedfische. Der große Vorteil für uns: Wellen machen Lärm und versperren die Sicht nach oben durch Wassereintrübung und unruhiges Wasser. Das macht uns weniger gut wahrnehmbar für die Fische. Wir bleiben also unentdeckter, unser Angeln wird dadurch erfolgreicher. Ohne Wind und Welle wird’s problematischer. Ich empfehle, die Montagen rechts und links am Ufer entlang auszulegen. Wir sitzen dann in der Mitte, weit weg von den Montagen. Müssen wir direkt unter der Rutenspitze angeln, setzen wir uns weiter weg.
Ruhe am Wasser!
Wichtig ist absolute Ruhe. Karpfen und auch Schleien haben ein gutes Gehör. Wenn wir an Kiesgruben nervös auf und ab laufen, werden die Fische das schnell mitbekommen. Sie ergreifen zwar nicht unbedingt gleich die Flucht, aber sie hören auf, ungestört zu fressen. Halten Sie also ausreichend Abstand zum Hakenköder ein. Fangen kann man an der Uferkante so gut wie überall. Karpfen und auch Schleien sind meist nicht nur in einer Tiefe anzutreffen.
Bild: W. Krause
Wer solche prächtigen Schleien in Ufernähe fangen will, sollte sich möglichst ruhig verhalten, denn die Fische haben ein sensibles Gehör.
Wo an der Uferkante angeln?
Es ist aus meiner Sicht gar nicht so wichtig, wo die Montage platziert wird, wenn überall etwas Futter eingestreut wurde. Bei einer Böschung von 4 m Länge würde ich eine Montage auf 1 bis 3 m ablegen, die andere am Fuße der Böschung (untere Kante) auf 4 m. Damit die Montage an der Schräge Halt findet, setze ich gerne flache Bleie wie zum Beispiel ein Flat Pear oder Bleie mit Profil wie beispielsweise ein Tractor Lead oder Grippas ein.
An steilen Böschungen ergibt es Sinn, auf halbierte Boilies, Boilie Flakes oder auch Pellets oder Partikel zurückzugreifen. Gerade Pellets und Partikel finden im Sediment gut Halt und beschäftigen die Fische lange Zeit am Platz. Ich konnte schon oft beobachten, dass die Karpfen aus der Tiefe kamen und sich Stück für Stück nach oben gefressen haben. Aufgrund dieser Beobachtung lege ich großen Wert darauf, dass ich mein Futter immer vertikal verteile. Es wird also immer die ganze Böschung von unten nach oben gefüttert.
Bild: T. Steinbrück
Bleie mit breiter Auflagefläche rollen schlechter als runde Formen und eignen sich somit sehr gut für einen Ansitz an der Uferkante.
Uferkanten für mobiles Angeln
Wer keine Lust auf Ansitzangeln hat, kann das Angeln an der Uferkante auch sehr effektiv mobil betreiben. Eine Rute, bei der nur der Haken mit Köder an freier Leine angeboten wird, ist vollkommen ausreichend, um erfolgreich zu sein. Bei der Stalker-Methode schleicht man wie eine Katze ums Gewässer, immer den Blick zum Wasser gerichtet. Hier und dort verstreut man etwas Futter, um später wiederzukommen und den Platz zu kontrollieren. Suchen Sie dabei nach eingetrübtem Wasser, Fressblasen, buckelnden oder umherziehenden Fischen. Man läuft im Prinzip so lange, bis man Fische oder Anzeichen von ihnen findet, um sie dann gezielt anzuwerfen. Ohne Blei sind die Erfolgsaussichten dabei höher.
Bild: T. Steinbrück
Das Angeln an einer Uferkante ist für Tobias Steinbrück immer eine gute Option und lohnende Alternative zum Distanzangeln.
Es geht hierbei um das Geräusch, wenn der Köder die Wasseroberfläche durchbricht. Ohne Blei ist das Geräusch vertrauter und weniger verschreckend. Ein Boilie, der ins Wasser fällt, lockt oft mehr als er verschreckt. Karpfen können sehr wohl unterscheiden, was ein Bleieinschlag ist und wie es sich anhört, wenn Futter vom Himmel rieselt. Die Devise lautet: locken statt schocken!
Egal für welche Methode Sie sich entscheiden, bleiben Sie immer in der Deckung, tragen Sie eher Tarnkleidung als ein farbenfrohes Outfit, stellen Sie die Bissanzeiger auf stumm und schalten Sie die Dioden in der Nacht eher aus. Alles, was sie brauchen, ist eine Funkbox und Abstand zum Wasser, wenn die Fische am Platz fressen. Stören Sie sie nicht, dann fangen Sie auch. Genau wie ich an diesem herrlich warmen Frühjahrstag.
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