Wie sieht ein typischer Biss beim Schleienangeln aus? In vielen Gewässern so: Die Pose kippt um, nimmt Fahrt auf, wird durch den Anhieb gebremst. Die Rute legt sich krumm, die Rollenbremse kreischt, die Spule dreht sich so schnell wie der heiße Reifen eines Formel-1-Wagens. Klingt gar nicht nach Schleie, meinen Sie? Richtig, denn als häugste Beute beim Schleienangeln, gerade im Vereinsteich, entpuppen sich nun mal Satzkarpfen.
Beim Gründeln sind sie den vorsichtigen Schleien immer eine Rüssellänge voraus. Ihr Überlebensmotto, im Becken der Fischzucht erlernt, lautet: Wer zuerst kommt, frisst zuerst! Darf es da wundern, dass in vielen Vereinsteichen kaum noch Schleien gefangen werden? Gerade gewissenhafte Schleienangler stecken in einem Teufelskreis: Weil sie möglichst effektiv angeln wollen, füttern sie ihren Platz ein paar Tage lang an. Aber weil sie ein paar Tage lang anfüttern, setzen sich die Karpfen an der Futterstelle durch. Vielleicht wird ein kleiner Teil des Futters sogar von Schleien genommen.
Spätestens, wenn eine Horde Karpfen über den Platz hinwegfegt, ziehen sich die scheuen Schleien zurück. Dass Schleien im Karpfenreich selten gefangen werden, ist längst noch kein Beweis, dass es dort kaum Schleien gibt. Gut kann ich mich noch an die verblüfften Gesichter erinnern, als mein langjähriger Haussee elektrisch abgefischt wurde. Auf drei Karpfen kam immerhin eine Schleie. Beim Angeln war das Verhältnis deutlich ungünstiger: Zehn Karpfen musste man schon fangen, ehe die erste Schleie den Köder nahm.
Wichtige Fragen
Es liegt also nicht nur am allzu dichten Karpfenbestand, sondern auch an unserer Angelei, wenn wir in Gewässern mit starkem Karpfenbesatz kaum noch Schleien fangen. Wie schaffen Sie es, wieder mehr Schleien an den Haken zu bekommen? Eine erhöhte Schleien-Quote kann ich Ihnen versprechen, wenn Sie auf folgende Fragen die richtige Antwort haben:
- Zu welcher Tageszeit angelt man am besten auf Schleie?
- An welchem Platz bietet man den Köder an?
- Welchen Köder sollte man bevorzugen?
- Wie geht man beim Anfüttern vor?
Lassen Sie mich mit der Tageszeit beginnen. Die meisten Angler halten es an kleineren Vereinsgewässern für überüssig, im ersten Licht des Tages am Wasser zu sein. Warum sollten sie auch, wenn zum Beispiel der Karpfen den ganzen Tag frisst, sofern ihm ein leckerer Brocken vors Maul fällt? Also wird eher im späteren Verlauf des Tages geangelt und gefüttert. Vor allem abends herrscht großer Andrang am Ufer.
Die Schleie aber ist eine Frühaufsteherin. Sie frisst am liebsten in der Morgendämmerung, erst recht dann, wenn später mit Unruhe am Ufer zu rechnen ist. Auf solche Störungen reagiert sie eigenwillig: Sie zieht sich in die Wasserpflanzen und damit oft aus der beangelbaren Zone zurück.
Wer mit dem ersten Tageslicht am Wasser ist, erhöht seine Chancen auf eine Schleie enorm. Nun könnten Sie einwenden: Beißen die Satzkarpfen nicht auch zur frühen Stunde? Das schon. Aber ihr Fressrhythmus wird in kleineren Gewässern wesentlich vom Anfütterhythmus der Angler bestimmt. Und wenn die Karpfen gelernt haben, dass morgens kaum Nahrung auf einfache Weise zu finden ist, lässt ihre Aktivität nach dann sind zwar Einzelfische am Fressen, aber es fallen keine geballten Schwärme über die Schleienplätze her.
Auf die Plätze
Die zweite Hürde auf dem Weg zum Erfolg ist die Platzwahl. Fragen Sie sich: Wo füttern die meisten Karpfenangler an? Nicht etwa, um diese Plätze selbst zu befischen, sondern um einen weiten Bogen um sie zu machen! Wo die Karpfen regieren, emigrieren die Schleien. Wie gut, dass viele Karpfenangler in unmittelbarer Nähe zum Parkplatz füttern! Diese Stellen können Sie leicht meiden. Die Schleien ziehen stillere Regionen des Gewässers vor, die ihnen Gelegenheit zum Rückzug geben. Schilfkanten, Seerosen und verkrautete Zonen alles gute Schleienreviere. Wie sieht der ideale Platz aus? Er wird selten befischt, liegt dicht an den Wasserpflanzen und Sie wissen, dass es dort Schleien gibt, weil schon welche gefangen oder beobachtet wurden. Achten Sie auf typische Fresssignale, zum Beispiel aufsteigende Bläschen. Im flachen Wasser passiert es auch, dass die Schleien beim Wandern mit ihrer pechschwarzen Rückenflosse die Oberfläche durchschneiden.
Bloß nicht mit Mais
Womit wir bei dem dritten Erfolgskriterium sind, dem Köder. Mein Eindruck ist: Viele Kollegen angeln auf Schleien zu halbherzig. Meistens bieten sie ein paar Maiskörner an. Die vage Hoffnung lautet Schleie, der Hintergedanke aber Karpfen. Wie die Schleien-Bisse bei dieser Angeltaktik aussehen, habe ich eingangs bereits beschrieben.
Damit wir uns richtig verstehen: Mais und viele andere Partikel eignen sich vorzüglich fürs Schleienangeln. Aber nur dort, wo die Schleie genug Zeit hat, sich an den Köder und an den Futterplatz zu gewöhnen. Zum Beispiel kenne ich einen kleinen Moorteich, wo fast nur Schleien und Barsche vorkommen. Hier bin ich mit Dosenmais sehr erfolgreich. In karpfenreichen Gewässern ist das Angeln mit Mais vergebene Liebesmüh. Wer diesen Versuch unternimmt, könnte genauso gut einen Knochen in die Mitte zwischen Hund und Katze werfen und hoffen, die Katze apportiere ihn. Nein, pflanzliche Köder sind im Karpfenreich ein Fehlgriff. Sie brauchen einen Köder, der für die Schleien höchst attraktiv ist, von den Karpfen aber nicht sonderlich gern genommen wird. Maden? Eben nicht. Sie locken zu viele Kleinfische. Außerdem können die Karpfen ganz vernarrt in Maden sein, sofern diese oft in Futtermischungen gegeben werden und zu einer gewohnten Speise geworden sind.
Eher brauchen Sie einen Naturköder, den kaum ein Angler anfüttert, einen Naturköder, an den sich die Karpfen noch nicht gewöhnt haben. Ahnen Sie, worauf ich hinaus will? Auf Würmer, richtig! Als Karpfenköder spielen sie nur in der Kreisklasse, als Schleienköder sind sie erste Sahne. Mit Bündeln aus quirligen Rot- und Mistwürmern fangen Sie am besten.
Der intensive Duft dieser Würmer und ihr quirliges Winden locken die Schleie an. Nur in Gewässern, wo Kleinfische diese weichen Würmer abrupfen, sollten Sie zum robusten Tauwurm greifen. Wenn Sie ihn vor dem Anködern in zwei Hälften teilen, verströmt er seinen Duft noch intensiver als am Stück. Für beide Köder, Rot- oder Mistwurmbüdel und Tauwurm, liegen Sie mit einem 6er bis 8er Haken richtig. Im hindernisfreien Wasser reicht ein 18er bis 20er Vorfach, direkt vor Wasserpflanzen sollten Sie bis auf Stärken zwischen 0,22 und 0,25 Millimeter setzen.
Das Füttern machts
Wie Sie die Schleien anfüttern, ist die vierte Erfolgsfrage. Auch in karpfenreichen Seen müssen Sie auf Anfüttern nicht verzichten. Allerdings brauchen Sie ein Futter, das dieselben Voraussetzungen wie Ihr Köder erfüllt: hohe Lockwirkung auf Schleien, geringe Lockwirkung auf Karpfen. Die Lösung liegt nahe: Der Wurm ist nicht nur der ideale Köder, er ist auch das ideale Futter. Vor allem dann, wenn Sie Ihre Würmer zerkleinern und am Angelplatz einwerfen. Der Duft zerschnittener Würmer ist so intensiv, dass die Schleien in recht kurzer Zeit angelockt werden. Deshalb können Sie auf tagelanges Vorfüttern verzichten und so das Karpfenrisiko reduzieren.
Es ist sinnvoll, die Würmer mit der Schleuder ins Wasser schießen. Oder Sie rollen die Würmer in kleine Futter- oder Erdballen. Mit dieser Beschwerung lassen sich die Wurmstückchen weiter werfen, und die Schleien müssen länger am Platz wühlen, um zum eigentlichen Futter vorzudringen. So erhöhen sich die Fangchancen.
Wurmbälle aus Erde empfehlen sich in Gewässer, wo sehr viele Weißfische oder Karpfen sofort über einen Futterball herfallen würden. Machen Sie sich keine Sorgen, weil sich die Würmer farblich nicht vom Gewässergrund abheben; die Nase der Schleien frisst mit. Außerdem könnten helle Futterflecken am Grund die Schleien in die Flucht scheuchen, wenigstens in stark befischten Gewässern. Glauben Sie mir: Wenn Sie früh morgens angeln, einen Platz abseits der Karpfenstellen wählen, mit Würmern füttern und auch angeln, dann stehen die Chancen auf Schleien ziemlich gut. Vielleicht entdecken Sie sogar, dass Ihr Karpfenteich ein heimliches Schleienreich ist!